Bochum. Lucas Vogelsang ist wieder in Bochum. 2018 war er Stadtschreiber Ruhr. Der Berliner freut sich auf VfL Bochum gegen die Hertha und auf „Bochum“.

Lucas Vogelsang hat das Ruhrgebiet ausgiebig kennengelernt. Im Oktober 2018 nahm der gebürtige Berliner am Projekt Stadtschreiber Ruhr teil und lebte für ein Jahr im Ruhrgebiet. In dieser Zeit verwirklichte er in Zusammenarbeit mit dem Wittener Fotografen Philipp Wente und dem Hamburger Herausgeber Oliver Wurm das Magazin Ruhrgebiete. Am Sonntag, wenn der VfL Bochum gegen die Hertha aus Berlin in der Bundesliga um Punkte spielt, ist er mal wieder in Bochum und im Ruhrstadion. Der Autor, Journalist, Podcaster und Hertha-Fan freut sich auch auf die Grönemeyer-Hymne.

Der VfL hat ihnen das aktuelle Trikot geschenkt: Haben Sie es am Sonntag an?

Eher nicht, ich trage im Stadion nur selten Trikot. Aber ich würde mich am Sonntag auch nicht in den Hertha-Farben auf die Tribüne setzen. Da komme ich ganz sicher inkognito, als Hertha-Fan mit großen Sympathien für den VfL. So kann ich den Nachmittag auch besser genießen. Unabhängig davon trage ich aber ohnehin lieber das VfL-Trikot aus der Vorsaison. Das passt mir besser, das habe ich häufiger beim Training der Autoren-Nationalmannschaft an. Da fand ich die Idee mit dem Flutlichtblau schon sehr edel. Das neue Trikot, nur damit wir uns nicht falsch verstehen, die Idee dahinter, also keine Nadelstreifen, Ärmel hochkrempeln, gefällt mir aber ebenfalls sehr gut. Das transportiert sehr treffend, was der VfL sein will. Und auch immer wieder sein kann. In Bochum versteht man es einfach, in Bildern zu sprechen. Und Emotionen zu vermitteln. Das ist mir schon bei meinem ersten Besuch im Stadion aufgefallen. Weil dort die Legenden auf die Säulen gemalt wurden, Gerland, Ata Lameck. Das wirkt dann immer so, als würden sie das Stadion auf ihren Schultern tragen. Gänsehaut, toll.

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Sie sind Berliner und Hertha-Fan. Wie beurteilen sie die Entwicklungen beim Big-City-Club und den Einstieg in die Saison?

Fredi Bobic hat bei Hertha Berlin die Kabine bereinigt. Die Diven wurden gegangen, beziehungsweise durften, mussten, wollten gehen. Er hat alte Zöpfe abgeschnitten und forciert die Mentalität. Und ich habe tatsächlich die Hoffnung, dass dahinter ein Plan steckt. Ich halte viel von Fredi Bobic, er hat einen breiten Rücken. Er ist in der Lage, viel auf sich zu ziehen. Ich fahre allerdings in dem Wissen von Berlin ins Ruhrgebiet, dass das unser erstes Endspiel ist. Jetzt muss das Team die angebliche Mentalität sofort zeigen. Ich wäre deshalb auch lieber nach Fürth gefahren. Oder nach Augsburg; Leverkusen, ganz egal. Aber jetzt musst du nach drei Niederlagen zum Auftakt ausgerechnet in Bochum gewinnen. Gegen eine Mannschaft, die über den Willen kommt, die die Wucht einer eingespielten Mannschaft hat. Da wird mir angst und bange.

Zusammen mit Maik Nöcker (l.) und Micky Beisenherz (M.) veröffentlicht Lucas Vogelsang (r.) seit April 2017 den wöchentlichen Podcast Fussball MML.
Zusammen mit Maik Nöcker (l.) und Micky Beisenherz (M.) veröffentlicht Lucas Vogelsang (r.) seit April 2017 den wöchentlichen Podcast Fussball MML. © holtermann.tv / OMR | Hannes Holtermann

Kennen Sie das Ruhrstadion?

Ja. Bisher war ich zweimal dort. Das erste Mal in meiner Zeit als Stadtschreiber Ruhr, das muss die Saison 2018/2019 gewesen sein, es ging gegen den MSV Duisburg. Das kleine Ruhrderby. Und damals habe ich Johan Simons, den Intendanten des Schaulspielhauses mit auf die Tribüne genommen. Meine Idee war einfach: Ich bringe jetzt zusammen, was zusammengehört. Und dann saß der Theater-Mann mit VfL-Schal auf der Haupttribüne und hat gestaunt wie ein Kind. Mein zweites Spiel war dann das Duell mit Sankt Pauli in der vergangenen Saison. Eine intensive Partie, Bochum führte früh 2:0, spielte dann noch 2:2. Gab das Spiel also in der Schlussphase aus den Händen. Dramatisch, das hätte auch Simons gefallen. Damals habe ich übrigens irgendwo zwischen Michael Meier, dem ehemaligen Manager von Borussia Dortmund, und Michael Skibbe gesessen. Gelebte Bundesligageschichte, die bekommt man in dem Schmuckkästchen einfach noch gratis dazu. Da spielen die Erinnerungen gleich mit. Ein tatsächlich reines Fußballstadion. Der Schauspieler Joachim Krol, mit dem ich oft in Bochum war, hat dazu einen schönen Satz gesagt. Das Stadion liegt ja gegenüber der JVA. Und er meinte damals, dass es dort im Grunde alle zwei Wochen eine Haftverschärfung für die Insassen gibt. Wenn sie hören, wie im Stadion gejubelt wird. Das, finde ich, trifft es hervorragend. Hier wird man sofort mitgerissen. Da brodelt etwas. Ich habe dort im Stadion auch das erste Mal wirklich verstanden, was das Lied Bochum für die Stadt und die Menschen hier bedeutet. Nicht nur als Hymne, sondern auch als Erzählung. Weil es im Grunde die Stadt und den Verein in den Strophen trägt. So ist „Bochum“ nur in Bochum wirklich „Bochum“. Einfach gesungene Tradition. Und das braucht der Fußball. Ich würde nie Vonovia Ruhrstadion sagen. Ich sage auch nicht Signal-Iduna-Park, sondern Westfalenstadion.

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Was verbinden Sie ansonsten mit dem VfL Bochum?

Der VfL Bochum steht in gewisser Weise für den Fußball, mit dem ich aufgewachsen bin. Ran am Samstag, Peter Neururer, UEFA-Pokal. Mehdi Mahdavikia, Thomas Christiansen oder natürlich Darius Wosz. Er hat für Bochum und Berlin gespielt und es tatsächlich geschafft, in zwei Vereinen zur Legende zu werden. Ein anderer Spieler, der beide Trikots getragen hat, ist Sergei Wladimirowitsch Mandreko. Ein Tadschike, bei dem 2017 leider die Nervenkrankheit ALS diagnostiziert wurde. Mandreko ist der große Held meiner Hertha-Kindheit. Er ist nach Herthas Aufstieg am dritten Spieltag gegen Mönchengladbach mit dem Zidane-Trick an Steffen Effenberg vorbei gegangen. Er hat kein Tor geschossen, das Spiel endete 2:2, aber das war für mich die Szene des Spiels. Danach habe ich das Trikot mit seinem Namen getragen.

Wie haben Sie die Aufstiegssaison des VfL Bochum wahrgenommen?

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Es sind drei Dinge, die ich mit dem VfL Bochum im vergangenen Jahr verbunden habe. Erstens, die Überraschung. Weil ich, wie viele andere auch, erst spät in der Saison gemerkt habe, dass die das wirklich schaffen können. Sie waren nicht der Aufstiegsfavorit. Aber mit jedem Sieg ist das Selbstvertrauen gestiegen. Das zweite war, dass ich nicht verstanden habe, warum Robert Zulj, der Regisseur, einer der besten Spieler der Saison, den Verein verlässt und in die vereinigten Arabischen Emirate wechselt. Das dritte liegt bei mir auf dem Wohnzimmertisch. Ein Buch, das mir der Fotograf Tim Kramer geschenkt hat. „Meisterstück“, der Bildband zum Aufstieg des VfL. Tim hat viele der Bilder in diesem Buch gemacht. Er ist ein toller Typ und ein großartiger Fotograf. Im Grunde schaue ich also durch seine Augen auch immer wieder auf den VfL.