Bochum. Christian Hochstätter, Sportvorstand des VfL Bochum, kommentiert im Interview die Saison, das Budget und die Ambitionen seines Klubs.

  • Zwei Stürmer, die jeweils zweistellig treffen, sagt Christian Hochstätter, bräuchte man, um oben mitzuspielen
  • Ein Linksverteidiger soll noch dazu kommen, auch zentral schaut man sich nach einer Verstärkung um
  • Kaufoption für Vitaly Janelt habe eine für den VfL „machbare Größenordnung“, anders als im Fall von Dawidowicz

Der VfL Bochum hat die vergangene Zweitliga-Spielzeit nach einem großen Umbruch im letzten Sommer auf Rang neun beendet. VfL-Sportvorstand Christian Hochstätter wirft im Gespräch mit dieser Redaktion einen Blick zurück, schaut aber auch nach vorne.

Herr Hochstätter, haben Sie die Saison zehn Tage nach dem 1:3 gegen St. Pauli schon verdaut?

Christian Hochstätter: Nein. Ich tue mich sehr schwer mit dem letzten Spiel, weil für den Verein viel mehr möglich gewesen wäre. Dabei geht es mir nicht nur ums Geld. Bei einem Sieg wären wir Sechster geworden, jetzt sind wir Neunter. Das schüttelt man nicht so einfach aus dem Hemd. Die Enttäuschung ist schon noch sehr groß.

Die Platzierung des VfL Bochum liegt Christian Hochstätter schwer im Magen, lachen kann er aber trotzdem noch.
Die Platzierung des VfL Bochum liegt Christian Hochstätter schwer im Magen, lachen kann er aber trotzdem noch. © Jürgen Theobald / FUNKE Foto Services

Nach Platz 5 in der Vorsaison hieß es, man wolle nicht stagnieren. Jetzt hat der VfL einen Rückschritt gemacht.

Hochstätter: Wir müssen nicht um den heißen Brei herumreden, dass wir unser gestecktes Ziel nicht erreicht haben. Wir haben uns nicht so weiterentwickelt, wie wir uns das vorgestellt haben. Dafür gibt es gute Gründe, die wir hinreichend erklärt haben. Zwei Aspekte sind entscheidend: Fünf Stammspieler fielen über Monate verletzt aus. Und wir haben nach der vergangenen Saison, auch aus wirtschaftlichen Gründen, für rund 5 Millionen Euro 40 Tore verkauft. Das kann kein Zweitligist so einfach verkraften. Dann ist es auch ambitioniert zu sagen, wir wollen nicht stagnieren. Wenn wir von den Spielern erwarten, dass sie mutig sein sollen, dann müssen wir das als Vereinsführung auch vorleben.

Neben den Offensivkräften Onur Bulut und Jannik Haberer hat Torschützenkönig Simon Terodde den Klub verlassen. Als Sie ihn holten 2014, war er Reservist und kam ablösefrei. Ein Glücksfall? Oder wiederholbar?

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Hochstätter: Nicht nur Glück, aber: Wenn ich das wüsste, könnte ich die Glaskugel lesen. Damals hätte doch keiner ernsthaft geglaubt, dass Simon erst 16 Tore, dann 25 und für Stuttgart erneut 25 Tore schießt. Was wir daran erkennen: Es gibt immer wieder Spieler, die überraschen. Johannes Wurtz zum Beispiel saß in Fürth viel auf der Bank. Bei uns hat er acht Tore geschossen und acht vorbereitet.

Von den ersten Fünf der 2. Liga hatte jede Mannschaft einen Knipser. Kein Topstürmer - kein Aufstieg?

Hochstätter: Aus meiner Sicht benötigt man wohl zwei Spieler, die zweistellig treffen. Sonst wird es schwieriger, oben mitzuspielen. Mannschaften wie Stuttgart und Hannover sind in dieser Hinsicht die Ausnahme. Also müssen wir handeln. Und in dem Punkt wird etwas getan. Zumindest mit einem Stürmer sind wir schon sehr weit. Ich hoffe, dass er sich bald für den VfL Bochum entscheiden wird.

Spielt es dabei eine Rolle, dass er die Liga kennt, nicht lange integriert werden muss?

Hochstätter: Das ist kein Muss. Wenn wir von einem Spieler überzeugt sind, machen wir das unabhängig davon.

Interesse soll der VfL an dem 19-jährige Bernard Tekpetey vom FC Schalke 04 haben.

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Von Dominik Hamers und Thomas Tartemann

Hochstätter: Wir haben uns vor etwa drei Monaten nach ihm erkundigt, ja. Seitdem haben wir aber weder mit dem Spieler noch mit Schalke über einen Transfer oder ein Leihgeschäft gesprochen.

Neben einem Stürmer dürfte ein Linksverteidiger ganz oben auf der Liste stehen.

Hochstätter: Nico Rieble und Timo Perthel fallen noch drei, vier Monate aus, so lautet die Prognose. Das ist zu lange. Die linke Abwehrseite ist daher die Zone, in der wir etwas unternehmen müssen. Sie ist eine von vier Positionen, auf der wir uns verstärken wollen.

Auch davor, links offensiv?

Hochstätter: Da haben wir zum Beispiel Kevin Stöger und Jannik Bandowski.

Sie sagten, sie wollen die Mannschaft weitgehend zusammenhalten. Trainer Gertjan Verbeek aber hat mehr Qualität gefordert. Passt das zusammen?

Hochstätter: Durchaus. Wir wissen, auf welchen Positionen wir zusätzliche Qualität benötigen, aber wir wollen den Kern des Teams auch zusammenhalten. Braunschweig hat es vorgemacht: Die Eintracht hat oben mitgespielt, weil sie als Kollektiv funktioniert, weil sie schon länger zusammenspielt, die Automatismen sitzen. Wir wollten das im Vorjahr schon hinbekommen, konnten dies aber aus den genannten Gründen nicht durchziehen.

Konkret: Wie viele Neue sollen kommen - vier, fünf oder mehr? Und wie viele müssen gehen?

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Hochstätter: Vier, fünf Neuzugänge wären schon viel. Wir haben bisher zwei Abgänge. Alle anderen Spieler haben Verträge, das respektieren wir. Es gibt bisher keine Anfragen, es hat sich auch noch kein Spieler bei uns gemeldet, dass er wechseln will. Aber ich weiß natürlich heute nicht, ob mir demnächst einer sagt, dass er doch lieber in England oder Spanien spielen will.

Marco Stiepermann stand oft in der Kritik.

Hochstätter: Dass wir uns mehr von ihm erhofft haben, weiß er selbst, er ist sehr kritisch mit sich. Manche Spieler brauchen manchmal ein Jahr, um es bei einem neuen Verein zu schaffen. Er weiß, dass von ihm mehr kommen muss.

Ein Linksverteidiger soll kommen. Ein Stürmer. Welche zwei Positionen sind noch gefragt?

Hochstätter: Nur so viel: Einen Innenverteidiger benötigen wir sicherlich nicht mehr. Und dass wir bis zum Trainingsauftakt alles hinbekommen, halte ich für unwahrscheinlich. Aber wir werden es versuchen.

Wieviel Geld können Sie denn ausgeben?

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Hochstätter: In jedem Fall 1,2 Millionen Euro weniger als wir uns erhofft haben (Anmerkung der Redaktion: Das ist die Summe, die der VfL bei einem Sieg gegen St. Pauli zusätzlich aus dem TV-Vertrag erhalten hätte)

Positiv aufgefallen ist die Entwicklung einiger junger Spieler. Jan Gyamerah, Vitaly Janelt, Görkem Saglam spielen jetzt in einer anderen Kategorie.

Hochstätter: Auf jeden Fall. Dass Vitaly Talent hat, wussten wir, deshalb haben wir ihn geholt. Dass er es so schnell ins Zweitliga-Team schafft, hat uns sehr überzeugt. Auch Görkem Saglam, Ulrich Bapoh, der sogar noch ein Jahr in der A-Jugend spielen kann, Maxim Leitsch und Vangelis Pavlidis haben große Schritte nach vorne gemacht. Und Jan Gyamerah hat sich nach drei Jahren Verletzungspause toll herangekämpft. Deshalb haben wir auch die Option gezogen und ihn bis 2019 an uns gebunden.

Hat sich schnell akklimatisiert und ist offenbar bezahlbar: Talent Vitaly Janelt.
Hat sich schnell akklimatisiert und ist offenbar bezahlbar: Talent Vitaly Janelt. © Udo Kreikenbohm

Janelt ist nur noch eine Saison von Leipzig ausgeliehen, der VfL hat eine Kaufoption. Wäre diese, anders als bei Pawel Dawidowicz (ca. 3,5 Millionen Euro), auch realistisch umsetzbar?

Hochstätter: Bei Janelt haben wir eine Kaufoption mit einer deutlich anderen, machbaren Größenordnung.

Auch die Verträge von Gertjan Verbeek und seinem Co-Trainer Jan de Jonge enden im Juni 2018. Gibt es schon Überlegungen, wie es dann weitergeht?

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Hochstätter: Wir haben jetzt erst einmal die Saison zu Ende gebracht und analysiert. Über Vertragsmodalitäten der Trainer selbst haben wir nicht gesprochen. Dafür haben wir in der kommenden Saison ja noch Zeit genug.

Stuttgart und Hannover sind auf-, Ingolstadt und Darmstadt abgestiegen. Wird die nächste Saison noch ausgeglichener?

Hochstätter: Ich fand auch die vergangene Saison nicht langweilig oder unausgeglichen, ab Platz sieben ging es bis kurz vor Schluss gegen den Abstieg. Es könnte schon gut sein, dass sich die Liga noch mehr verdichtet. Es wird weiterhin Vereine geben, die mehr Geld haben als wir. Der neue TV-Vertrag wird dazu führen, dass die Schere größer wird. Am Ende werden 22 bis 24 Teams um die 1. Bundesliga spielen. Perspektivisch muss der VfL dazu gehören