Essen. Kaum jemand zweifelt an Bayern Münchens drittem Titel in Folge. Da überrascht es, dass ausgerechnet auf Schalke, wo sie durch 56 Jahre ohne Meisterschale traumatisiert sind, jetzt forsche Töne laut werden. Weil sich Horst Heldt etwas traut. Ein Kommentar.
Wer sich knapp drei Wochen vor dem Bundesliga-Start in Fußballkreisen umhört, wird feststellen, dass sich eine Frage nicht stellt: „Wer wird Meister?“ Mehr noch: Nach zwei aufeinanderfolgenden Alleingängen des FC Bayern ist selbst von den Top-Klubs nicht zu hören: „Wir wollen Meister werden.“
Die Münchner reden nicht davon, weil diese Zielsetzung aus ihrem Munde so prickelnd wäre wie eine vergleichbare Ankündigung von Usain Bolt vor einem 100-m-Rennen. Und beim BVB, der die Bayern noch 2011 und 2012 düpierte (was gefühlt eher länger zurückliegt), verkneifen sie sich solche Kampfansagen, weil nach den zuletzt gewaltigen Abständen zum Rekordmeister Zurückhaltung angesagt ist.
Bezeichnend ein Interview des TV-Bezahlsenders Sky mit Jürgen Klopp. Ein Reporter bat den um schlagfertige Antworten ja nie verlegenen Borussen-Coach, diesen Satz zu vervollständigen: „Wenn ich mit dem BVB wieder zwischen 19 und 25 Punkten Rückstand auf den Meister haben sollte … – Klopps Antwort: „ … und Zweiter wäre, wär‘ alles okay.“
Eine Einschätzung, von der zu vermuten ist, dass sie auch vom Umfeld des Vereins weitgehend geteilt wird angesichts der – besonders zu Lasten des BVB erfolgten – Bayern-Aufrüstung in den vergangenen zwei Jahren. Wer jedoch Klopp aus guten Gründen für einen begnadeten Motivator hält, wird daraus kaum ableiten, der Trainer sei nicht mehr so erfolgsbesessen wie früher. Eher dürfte dahinter die Taktik stehen, den bayrischen Riesen nicht unnötig zu provozieren. Eine Strategie, die in noch stärkerem Maße auch Schalkes Aufsichtsrats-Chef Clemens Tönnies wählte, als er bei seiner Saison-Vorgabe für Königsblau sowohl die Bayern als auch den BVB außen vor ließ: „Der Champions-League-Einzug ist Pflicht. Platz vier wird akzeptiert, Platz drei ist besser.“
Bei Misserfolg fallen Worte auf Heldt zurück
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Umso bemerkenswerter, dass Schalkes Sportvorstand Horst Heldt jetzt öffentlich in die Offensive gegangen ist. Weil er den von 56 Jahren ohne Meisterschale traumatisierten Traditionsklub offenbar auf einem guten Weg sieht, den Lernprozess, um wieder „selbstbewusst anzugreifen“, erfolgreich abzuschließen. Damit man um den Titel mitspielen könne, sagte er der Süddeutschen Zeitung, sei es wichtig, dass sich „die Spieler damit beschäftigen, die Bayern jetzt da oben wegzuholen. Man muss es für möglich halten“.
Starke Worte, die bei Misserfolg auf Heldt zurückfallen werden. Womöglich schon am zweiten Spieltag, wenn die Bayern auf Schalke antreten. Gerade deshalb aber verdient Heldt Respekt: Der Mann, der bisher für Zurückhaltung stand, traut sich was. Nicht die schlechteste Voraussetzung, um auch unmöglich scheinendes möglich zu machen.