Essen. Egal, was aus der Personalie Thomas Tuchel wird - soviel dürfte feststehen: Auf Schalke werden sie das Thema selbst dann nicht los, wenn Jens Keller auch zu Beginn der nächsten Saison auf der Trainerbank sitzt. Bei der kleinsten Krise wird es wieder hochkommen. Ein Kommentar.
Es mag ungerecht sein, aber der Mann ist bisher weniger für seine Kompetenz als für seine Nehmerqualitäten gelobt worden. Und die waren auch nach dem letzten Saisonspiel gefragt. Gerade noch hatte Jens Keller von der starken Rückrunde seiner Mannschaft geschwärmt, da sah er sich mit Spekulationen über seine Zukunft auf Schalke konfrontiert. Verständlich, dass der 43-Jährige sichtlich genervt war.
Außenstehenden muss es paradox vorkommen: Während die Fans draußen noch den Einzug in die Champions League feierten, loderte in den Katakomben der Arena die wenigstens für den Moment erstickt geglaubte Trainer-Debatte wieder auf. Nachdem Thomas Tuchels bevorstehender Abschied aus Mainz bekannt geworden war, witterten Medienvertreter eine „typisch Schalker Pointe“ zum Saisonfinale. Völlig abwegig sind die Spekulationen schließlich nicht. Hat doch inzwischen Mainz-Manager Christian Heidel ausgeplaudert, dass Schalke schon in der Winterpause mit Tuchel Kontakt aufgenommen hatte.
Sicher, Keller hat seinen Kritikern (auch denen im Verein) seitdem viele Argumente genommen. Unstrittig ist etwa sein Verdienst, nach einer missratenen Vorrunde aus der Not eine Jugend gemacht zu haben, soll heißen: die Rohdiamanten aus der Knappenschmiede in der Profimannschaft geschliffen zu haben. Einen solchen Mann auszuwechseln, das gehört sich nach landläufiger Meinung nicht. Aber im Fußball-Geschäft spielen Dankbarkeit und Respekt eine geringere Rolle, als uns oft vorgegaukelt wird. Dort gilt: Ist ein Hochkaräter, für den Tuchel gehalten wird, auf dem Markt, wäre es fahrlässig, sich mit dieser Personalie nicht zu beschäftigen. Die Bayern machten es mit Pep Guardiola vor – ohne Rücksicht auf Triple-Sieger Jupp Heynckes.
Bei der kleinsten königsblauen Krise wird das Thema wieder hochkommen
Nicht von ungefähr ist hinter den Schalker Kulissen schon ein Modell nach Leverkusener Vorbild diskutiert worden. Danach könnte Keller (wie Sascha Lewandowski bei Bayer) als Chef der Knappenschmiede weggelobt und mit Tuchel ein neuer starker Coach installiert werden, dem eher zugetraut wird, den nächsten Schritt zu machen. Die Perspektiven, die der Kader mit seinen hochbegabten Talenten bietet, wecken zwangsläufig Begehrlichkeiten – wohl auch beim ehrgeizigen Tuchel, der in dieser Angelegenheit auch keine gute Figur abgibt.
Die jüngsten Aussagen der Vereinsführung kamen zwar mit Verzögerung, stützen aber dennoch eher die Annahme, dass Keller auch zu Beginn der nächsten Spielzeit noch Trainer auf Schalke ist. Dass er es verdient hätte, steht außer Frage. Aber solange Tuchel zu haben ist, wird das Thema bei der kleinsten königsblauen Krise wieder hochkommen. Kann also gut sein, dass Kellers Nehmerqualitäten schon bald wieder gefordert sind.