Mainz. Nach fünf Jahren gehen der FSV Mainz 05 und Thomas Tuchel auf Wunsch des Trainers künftig getrennte Wege. Auch mit Schalke soll es im Februar Gespräche gegeben haben - doch Mainz will Tuchel aber keine Freigabe für einen Wechsel zu einem anderen Verein erteilen.

Mit versteinerter Miene verkündete Christian Heidel das Ende der erfolgreichen Fußball-Ehe des FSV Mainz 05 mit Trainer Thomas Tuchel. "Stand heute ist die Zusammenarbeit beendet", stellte Heidel am Sonntag nach einer rauschenden Europa-Party klar. Einen Rosenkrieg mit dem Erfolgscoach, der vom Verein keine Freigabe aus seinem bis Sommer 2015 laufenden Vertrages erhält, will der Bundesligist aber mit allen Mitteln vermeiden. "Es wäre die größte Katastrophe, wenn wir uns vor dem Arbeitsgericht wiederfinden würden. Daran möchte ich gar nicht denken, und ich kann mir nicht vorstellen, dass das die Intention von Thomas Tuchel ist", erklärte Heidel.

"Verträge werden bei Mainz immer eingehalten. Ein Wechsel ohne die Zustimmung von Mainz 05 ist nicht möglich. Das wird auch so bleiben", betonte Heidel. Zu rechtlichen Konsequenzen des Falles könne er nichts sagen, "weil dies ein Novum ist". Denn der 40 Jahre alte Fußball-Lehrer wird nicht mehr zur Arbeit erscheinen. "Fakt ist, dass Thomas sich gestern mit sehr bewegenden Worten von der Mannschaft verabschiedet hat", teilte Heidel mit.

Tuchel hatte den FSV in dieser Saison auf den siebten Tabellenplatz und damit in die Qualifikation zur Europa League geführt. Heidel würdigte den Abtrünnigen als "außergewöhnlichen Trainer und Menschen", mit dem es in den vergangenen fünf Jahren "kein einziges Mal zu Differenzen gekommen" sei. Es gebe keinen Krach zwischen Coach und Club.

Mainz-Manager Heidel platzte der Kragen

Die interne Ankündigung des Trainers, den Verein trotz des Einzugs in die Qualifikation zur Europa League verlassen zu wollen, verhagelte den Machern um Heidel und Präsident Harald Strutz gründlich die Feierlaune. Weil der von zahlreichen Bierduschen durchnässte Tuchel nach dem 3:2 gegen den Hamburger SV rumeierte und jegliche öffentliche Stellungnahme zu seiner Zukunft ablehnte, war Heidel der Kragen geplatzt.

Sichtlich gezeichnet redete er Tacheles: "Thomas hat uns vor geraumer Zeit darum gebeten, seinen Vertrag vorzeitig aufzulösen. Diesem Wunsch haben wir nicht entsprochen", berichtete Heidel. Vor vier Wochen habe Tuchel in einem Gespräch mitgeteilt, dass er 2014/15 keine Mannschaft trainieren möchte und von seinem Posten zurücktreten will, so Heidel.

"Wir können ihn nicht in Handschellen herführen"

Solch eine Situation hat es in der Bundesliga noch nicht gegeben. Die Causa Tuchel könnte so zu einem Präzedenzfall werden. Denn Heidel weiß: "Wir können ihn nicht in Handschellen herführen." Doch einfach so ziehen lassen wollen die 05er, die zum dritten Mal in ihrer Vereinsgeschichte nach 2005 und 2011 einen internationalen Wettbewerb erreichten, den Trainer auch nicht.

Zumal es in den vergangenen Monaten zu einigen Verwerfungen gekommen sein soll. Tuchel hatte wohl im Januar mit Schalke 04 einen Vertrag ab dem 1. Juli ausgehandelt. Als Heidel davon erfuhr, intervenierte er bei seinem Kollegen Horst Heldt. "Ich habe ihm gesagt, dafür gibt es keine Chance", berichtete er am Sonntag. Tuchel betonte in einer Erklärung: "Gespräche führten, entgegen anderslautender Spekulationen, niemals soweit, dass ich Verantwortliche von Mainz 05 um eine Freigabe oder gar um eine Auflösung meines Vertrages gebeten hätte. Auch habe ich niemals dem Verein gegenüber Wechselabsichten geäußert."

Kontakt auch mit Leverkusen

Auch mit Bayer Leverkusen soll Tuchel in Kontakt gestanden haben, bevor der Werksclub Roger Schmidt aus Salzburg verpflichtete. Trotz dieses Vertrauensbruchs kam Heidel kein böses Wort über die Lippen. "Wenn jemand hinter dem Rücken verhandelt, erfreut uns das nicht. Aber wir hatten ein sehr langes Gespräch darüber und haben ihm weiter vertraut", sagte Heidel und fügte hinzu: "Wir wollen überhaupt keinen Stress und Streit mit ihm. Es gibt keinen Grund, sich zu fetzen. Aber eine Vertragsauflösung kommt für uns überhaupt nicht infrage", sagte Heidel.

Dabei gehe es nicht ums Geld, sondern ums Prinzip. Zumal Tuchel nach Kenntnis von Heidel aktuell mit keinem anderen Verein in Verhandlung stehe. "Sollte jemand kommen, ist Mainz erster Gesprächspartner", betonte er.

Die Mainzer wollen die kommenden Wochen nun zur intensiven Suche nach einem Nachfolger nutzen. "Das ist eine Personalie, die für den Club so ungemein wichtig ist", erklärte Heidel. Es gebe jedoch keinen Grund, in Aktionismus zu verfallen. Der neue Coach müsse "zu allem stehen, was Mainz in den vergangenen 15 Jahren ausgemacht hat. Dadurch wird die Auswahl kleiner", sagte Heidel und fügte dann doch noch schmunzelnd hinzu: "Wir sind auf einem guten Weg." (dpa)

Thomas Tuchels Erklärung im Wortlaut 

"Im Herbst vergangenen Jahres habe ich die Entscheidung getroffen, dass die Saison 2013/2014 meine letzte Saison als Trainer von Mainz 05 sein wird. In der damaligen, sportlich schwierigen Phase, stand ich für mich zum ersten Mal in meiner Trainerkarriere vor der Frage, ob ich zurücktrete, um der Mannschaft einen neuen sportlichen Impuls von außen zu ermöglichen. Oder ob ich mir selber zutraue, als Trainer noch einmal alle Mittel auszuschöpfen um die Mannschaft zurück zum Erfolg zu führen.

Bei der Beantwortung dieser Frage kam ich zu der Gewissheit, dass ich diesen Weg, mit dem hohen Anspruch, den ich an mich selber stelle, in der laufenden Saison gehen kann, nicht jedoch über die Saison hinaus. Diese Entscheidung, dass dies meine letzte Saison für Mainz 05 sein wird, war ein für mich persönlich notwendiger Schritt, um meine Spieler und mein Mitarbeiterteam wieder positiv beeinflussen zu können, sie vorwärtsgerichtet zu coachen und auf unserem gemeinsamen Weg weiter anzuführen.

Ich habe meine Entscheidung dem Verein im Januar vor dem Beginn der Rückrunde mitgeteilt. In keinem Gespräch mit einem Verantwortlichen von Mainz 05 habe ich um eine Freigabe für einen anderen Verein oder um die Auflösung meines Vertrages gebeten. Stattdessen habe ich immer eine einvernehmliche Lösung mit dem Verein angestrebt, mit dem Wissen, dass in jedem Fall eine vertragliche Bindung bis zum Sommer 2015 bestehen bleiben würde. Meinem Wunsch nach einer einvernehmlichen Lösung ist seit Januar ebenso wenig entsprochen worden, wie die Möglichkeit einer gemeinsamen öffentlichen Erklärung. Beides bedauere ich sehr. Ich hoffe nach wie vor auf eine zeitnahe Lösung.

Auch in der vergangenen Saison wurde ich immer wieder von anderen Vereinen kontaktiert. Gespräche führten, entgegen anderslautender Spekulationen, niemals soweit, dass ich Verantwortliche von Mainz 05 um eine Freigabe oder gar um eine Auflösung meines Vertrages gebeten hätte. Auch habe ich niemals dem Verein gegenüber Wechselabsichten geäußert.

Aufgrund des erfolgreichen Saisonverlaufs konnte ich die Entscheidung meiner Mannschaft erst nach dem gestrigen Spiel mitteilen. Ich hätte das gerne früher getan, wollte aber das Erreichen unserer sportlichen Ziele durch diesen Schritt nicht gefährden. Es fällt mir aufgrund der außergewöhnlichen Charaktere meiner Spieler, ihrer unglaublichen Hingabe für Training und Spiel wahnsinnig schwer bei meinem gefassten Entschluss zu bleiben. Trotzdem vertraue ich meiner Überzeugung und meinem Bauchgefühl als Trainer, dass ich den nächsten Entwicklungsschritt meiner Mannschaft nicht begleiten kann.

Vor 5 Jahren bin ich mit der Vision angetreten, Mainz 05 mit einem wiedererkennbaren Spielstil nachhaltig in der Bundesliga zu etablieren und den Verein zu einer Top-Adresse für deutsche U21-Spieler zu entwickeln. Dieses ehrgeizige Ziel haben wir auch dank der teamorientierten Führungskultur im Verein und den gelebten sozialen Werten erreicht. Ich bedanke mich für das Vertrauen in meiner Zeit als U19 Trainer und Bundesligatrainer von Mainz 05 insbesondere bei allen Verantwortlichen und Fans des Clubs. Während dieser 6 Jahre habe ich jeden Tag versucht, dieses Vertrauen durch meine Arbeit zurückzuzahlen. Für die Zukunft wünsche ich dem Verein nur das Allerbeste."