Gelsenkirchen. . Vor dem Duell mit den erfahreneren Profis von Borussia Dortmund in deren beeindruckend großem Stadion sollen die Top-Talente der Königsblauen nicht grübeln und nicht zweifeln, sondern sich allein auf den Sport konzentrieren. „Unbekümmertheit kann auch ein Vorteil sein“, meint Schalkes Manager Horst Heldt.

Wenn Reporter überregionaler Magazine oder Zeitungen aus den höheren Stockwerken ihrer verglasten Verlagspaläste auf das ferne Ruhrgebiet blicken, dann glauben sie häufig durch rußgeschwärzte Wolken eine armselige, bedauernswerte, rückständige Region zu erkennen. Ein Ballungsgebiet, in dem schon die Kinder wegen der verflixten Staublungen an ihre Renten denken, und in der die Menschen in ihrer Trostlosigkeit Zerstreuung einzig im Fußballfußballfußball finden. Deshalb laufen sie ja auch, haha, in ballonseidenen Trainingsanzügen ihrer Lieblingsklubs in Kombination mit Sandalen und Herbert-Knebel-Mütze durch die Gegend.

So viel zum gern gepflegten Klischee.

Die Süddeutsche Zeitung hat sich dem bevorstehenden Ruhrgebietsderby der beiden kraftvollsten und ausstrahlungsstärksten deutschen Fußballklubs jenseits des FC-Bayern-Universums mit einem Kommentar der feinfühligeren Art genähert. Es wird auf das „Phänomen des Behauptens“ hingewiesen, darauf, dass sich die Größen des Reviers trotz kaum fassbarer Personalnöte von der Konkurrenz abgesetzt haben. Die Dortmunder Borussia, weil sie dank kluger Einkaufspolitik stabil gewachsen sei. Der FC Schalke, weil er durch Reserven im Nachwuchs „seinen eigenen Transfermarkt geschaffen“ habe. Der Autor kommt zu dem Schluss: "Das Ruhrgebiet darf stolz auf dieses Spiel sein."

Die Talente sollen sich freuen

Ja, das darf es. Was die Schalker Seite betrifft, wird vor allem Vorfreude thematisiert, obwohl auch Nervosität eine verständliche Gefühlsregung wäre. Denn die Elf, die Trainer Jens Keller bei derzeit zehn Ausfällen ins kalte Ruhrwasser werfen muss, ist ein durch wenige Routiniers verstärktes Nachwuchsteam. Speziell die ganz Jungen wie Max Meyer, Leon Goretzka und Kaan Ayhan benötigen in der pickepackevollen Dortmunder Erlebniswelt Nerven wie Torpfosten, nicht wie Schnürsenkel.

Die Verantwortlichen versuchen, den Talenten jegliche Furcht zu nehmen. „Das ist doch ein Moment, für den man hart gearbeitet hat“, betont Manager Horst Heldt. „Diesen Genuss, einer von den 22 sein zu dürfen, kann man sich nicht erkaufen.“ Die Jüngeren sollten nicht grübeln, sondern „die volle Konzentration auf die sportliche Aufgabe lenken“. Unbekümmertheit, meint Heldt, könne auch ein Vorteil sein.

Jens Keller hält dennoch den BVB für den Favoriten: „Auch die Dortmunder haben Probleme mit Verletzten, aber was da noch auf dem Platz steht – alle Achtung!“ Die Aussicht, durch einen Sieg am BVB vorbei auf Platz zwei ziehen zu können, ist für die Schalker zwar verlockend, doch sie wollen sich nicht zu sehr unter Druck setzen. „Die Entscheidung um die Champions-League-Plätze fällt nicht im Derby“, bekräftigt Heldt. Im Falle einer Niederlage müsste „keiner von einem Waterloo reden“. Trotz eines beruhigenden Sechs-Punkte-Polsters auf Leverkusen erwartet Heldt bis zum Saisonende einen „Ritt auf der Rasierklinge“. Denn Rückkehrer aus dem Krankenstand sind nicht in Sicht. Und der vereinseigene Transfermarkt ist auch nicht unerschöpflich.