Gelsenkirchen. Timo Hildebrand war Nationaltorhüter – und arbeitslos. Mit Rückschlägen geht der 34-Jährige seitdem gelassener um. Sein Wunsch: Noch einige gute Jahre beim FC Schalke 04. Vor dem Spiel gegen Bayer Leverkusen haben wir mit Hildebrand gesprochen.

Entspannt schaut sich Timo Hildebrand während des Schusstrainings an, wie Ralf Fährmann die Bälle abwehrt. Hildebrand hat nichts zu befürchten, der 34-jährige ist mittlerweile die Nummer eins beim FC Schalke 04. An diesem Samstag im Top-Spiel gegen Bayer Leverkusen (18.30 Uhr, live in unserem Ticker) soll er dem durch Verletzungen dezimierten Team erneut als Rückhalt dienen.

Sie haben in den vergangenen Jahren auf einer Achterbahn gesessen. Genießen Sie die momentane Situation?

Timo Hildebrand: Klar, so kann man das sagen. Es ging steil bergab, aber auch wieder steil nach oben.

Es gibt im Jahr 2013 keine Torwart-Diskussion mehr auf Schalke...

Hildebrand: Das ist doch schön, oder? Mich freut es, dass ich das Vertrauen des Trainers bekommen habe, und ich denke, dass ich es auch meistens zurückzahlen konnte.

Brauchen Torhüter besonders viel Vertrauen des Trainers?

Hildebrand: Ich glaube, das ist abhängig vom Charakter. Natürlich ist es von Vorteil, wenn man auch mal eine schlechte Leistung bringen darf. Aber wenn man mehrmals nacheinander katastrophal spielt, ist es auch vorbei. Mir fällt da gerade Felix Magath ein, der hat in Stuttgart nur mit mir gesprochen, wenn es nicht lief – das ist seine Art. Wenn er dich in Ruhe lässt, dann weißt du, dass du einen guten Job gemacht hast. Das ist auch okay.

Sie erleben derzeit eine turbulente Saison. Obwohl Schalke wieder auf Platz vier steht, ist der Eindruck geblieben, dass der Mannschaft Stabilität fehlt.

Hildebrand: Ja, auch die Mannschaft sitzt auf einer Achterbahn. Es gab den Trainerwechsel, es gab und gibt viele Verletzungen. Aber jetzt müssen wir die allerletzten Reserven mobilisieren. Obwohl in dieser Saison so viel los ist, stehen wir auf Platz vier. Das sollte uns bestärken: Die Mannschaft hat einen guten Charakter und großes Potenzial.

Wenn man an den Derbysieg gegen Dortmund denkt und dann an Spiele wie gegen Fürth oder in Nürnberg, dann kann man annehmen, dass es für dieses Team leichter ist, gegen Leverkusen zu spielen.

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Hildebrand: Offenbar liegen uns solche Mannschaften besser. Jeder weiß: Wenn wir so auftreten wie in der ersten Halbzeit in Bremen, haben wir keine Chance.

Was auf Schalke auch immer passiert – kann für Sie irgendetwas schlimmer sein als die Monate der Arbeitslosigkeit im Jahr 2011?

Hildebrand: Ganz so würde ich es nicht beschreiben. Das klingt, als wäre mir eine Niederlage wurscht.

So war es nicht gemeint. Es geht um die Relation.

Hildebrand: Ja, klar, aber wenn ich hier wieder im Tor stehe, dann steigt auch mein eigener Anspruch. Dann bin ich auch nicht zufrieden, wenn ich auf der Bank sitze oder verliere.

So denkt Schalke-Torwart Hildebrand über seine Zeit in Hoffenheim und Tim Wiese 

Sie hatten in Hoffenheim keine gute Zeit, kamen danach bei Sporting Lissabon nicht zum Einsatz und sind dann arbeitslos geworden. Wie verkraftet man all das?

Hildebrand: Das war schwierig. So etwas erleben die wenigsten Fußballer, ich hätte auch nicht gedacht, dass es mich mal so erwischen würde. Es war eine harte Zeit, aber danach kann einen nichts mehr umhauen.

Haben Sie Mitleid mit Tim Wiese?

Hildebrand: Ich habe Verständnis für ihn, ich kann das einordnen.

Wieder ein früherer Nationaltorhüter, der in Hoffenheim nicht klarkommt...

Hildebrand: Ja, das scheint ein schweres Pflaster zu sein. Mich erinnert das alles sehr daran, wie dort damals mit mir umgegangen wurde.

Sie waren zu Beginn dieser Saison die Nummer eins, haben sich dann verletzt und mussten anschließend wieder auf die Bank. Lassen sich mit Ihren Erfahrungen solche Rückschläge leichter wegstecken?

Hildebrand: Das war großer Mist, nach nur einem Spiel wieder verletzt gewesen zu sein. Und trotzdem ist man natürlich etwas gelassener.

Sind Sie auch demütig geworden?

Hildebrand: Ja, genau das. Man lernt es sehr zu schätzen, was man am Profifußball hat. Meine Familiensituation hat sich ja auch verändert, vielleicht bin ich auch deshalb ruhiger.

Also hat Ihr im vergangenen Jahr geborener Sohn Neo auch Einfluss auf den Sportler Timo Hildebrand.

Hildebrand: Ja, bestimmt. Ich wünsche mir, dass er mich noch bewusst spielen sieht.

Auf Schalke?

Hildebrand: Ja, das hoffe ich doch, dass ich noch länger hier spielen kann.

Ihr Vertrag läuft bis 2014. Haben Sie Zukunftspläne?

Hildebrand: Keine konkreten. Wenn es mal vorbei ist, wird eine Pause ganz gut sein, ich würde gerne auch mal reisen. Aber auf jeden Fall habe ich nicht das Bedürfnis, im nächsten Jahr aufzuhören.

Für Torhüter ist 34 ja kein Alter...

Hildebrand: Mittlerweile gilt man schon als alter Hase, es hat ja ein Generationenwechsel stattgefunden.

Kommen die jungen Schalker Spieler zu Ihnen und bitten um Rat?

Hildebrand: Sie kommen nicht, aber man kann ihnen auf dem Trainingsplatz durchaus etwas sagen. Aber auch das ist eine andere Generation.

Inwiefern?

Hildebrand: Früher hätte nie ein jüngerer Spieler einem älteren einen lockeren Spruch reingedrückt.

Finden Sie das heute besser? Oder fehlt Ihnen der Respekt?

Hildebrand: Ich habe gelernt, dem nicht mehr so viel Bedeutung beizumessen. Meinen Senf gebe ich trotzdem dazu, aber nicht mehr so verbissen.