Istanbul. Anstelle des formschwachen Christian Fuchs verteidigte ein 19-Jähriger im wichtigen Champions-League-Spiel bei Galatasaray Istanbul auf der linken Schalker Abwehrseite. Sead Kolasinac löste beim 1:1 seine Aufgabe kompromisslos.
Er hätte zig Gründe, stehen zu bleiben. Anzuhalten, um seinen Glanz durch wenige Worte noch etwas heller erstrahlen zu lassen. Aber Sead Kolasinac eilt durch die so genannte Mixed-Zone, in der die versammelte Journalie auf Äußerungen wartet. Auf Statements der Schalker Fußballer zu diesem 1:1 im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League bei Galatasaray Istanbul.
Ein Spiel liegt kurz nach Mitternacht türkischer Zeit hinter dem FC Schalke 04, welches nicht nur alle Chancen auf den Einzug ins Viertelfinale offen hält, sondern von seiner Dramaturgie erneut dazu taugt, die königsblaue Ergebniskrise in der Bundesliga in Vergessenheit geraten zu lassen. Obwohl es nach dem spektakulären Abend am Rande Europas ja dabei bleibt: Schalke wartet weiter auf einen Sieg, weil Jermaine Jones die Führung der Türken durch Burak Yilmaz lediglich ausglich. Nach Istanbul weist die nüchterne Bilanz der Königsblauen nun sogar 13 Wochen mit nur einem Sieg aus.
Kolasinac sorgt neben Jones und Farfan für fantastische Schalker Momente
Doch nüchtern kann dieser Auftritt im ohrenbetäubenden Lärm der Türk Telekom Arena kaum analysiert werden. Und einer, der auf Gelsenkirchener Seite in dieser mit Emotionen geschwängerten Atmosphäre neben Jones und Jefferson Farfan für fantastische Momente sorgt, ist Kolasinac. Als schrien sich nicht um ihn herum gut 52.000 türkische Fans die Seele aus dem Leib, als stünden ihm irgendwelche Spieler aus der dritten deutschen Liga gegenüber und nicht Hamit Altintop, Burak Yilmaz oder immer wieder Superstar Didier Drogba.
Anstelle des formschwachen Christian Fuchs verteidigt der erst 19-Jährige in seinem fünften Startelf-Einsatz, dem zweiten in der Königsklasse, auf der linken Abwehrseite. Und wie. Konsequent, knallhart, clever. Als sicherster Teil der königsblauen Abwehr um den schwachen Kapitän Benedikt Höwedes. „Ich habe ihn beobachtet“, sagt Trainer Jens Keller später. Nicht erst seit Kolasinacs starkem Auftritt gegen den FC Bayern, sondern viel länger. Bereits bevor Kolasinac in dieser Saison in den Profikader rückt. „Er hatte es sich jetzt verdient anzufangen, und hat ein sehr, sehr gutes Spiel gemacht“, lobt Keller.
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Umso imposanter erstrahlt der furchtlose Auftritt des 2011 aus der Jugend des VfB Stuttgart ins Ruhrgebiet gewechselten jungen Mannes, der in der vergangenen Saison noch mit der A-Jugend Deutscher Meister wurde, weil Kolasinac nach einem Zusammenprall mit Drogba in Hälfte eins mit argen Kopfschmerzen spielt. „Ich habe ihn immer wieder gefragt, ob es noch geht“, erklärt Keller, „aber Sead hat sich in der Pause zwei-, dreimal geschüttelt und weiter ging's.“ Da ihm der Kopf nach dem Abpfiff aber immer noch dröhnt, verzichtet Schalkes Nummer 35 lieber auf den Frage-und-Antwort-Marathon.
Schalker Erinnerungen an das Frühjahr 2011
Am nächsten Morgen sagt er: „Natürlich war ich nervös, als ich erfahren habe, dass ich in der Startelf stehe. Aber die anderen haben mir Mut zugesprochen und gesagt, ich soll einfach so aggressiv und konzentriert wie immer spielen.“ Seine Kopfschmerzen? „Ich bin kurz nach dem Zusammenprall auf den Arm gefallen. Weil die Schmerzen viel größer waren, habe ich die anderen einfach vergessen“, sagt er. Und lacht.
Seinem nächsten Einsatz im Ligaheimspiel am Samstag gegen Fortuna Düsseldorf (18.30 Uhr, live in unserem Ticker) steht nämlich nichts im Weg. „Wir brauchen weiter gute Ergebnisse“, blickt Manager Horst Heldt warnend voraus. Die Krise? Beendet? Nicht durch zwei aufeinander folgende Unentschieden. Und bei dem einen oder anderen Begleiter werden sogar Erinnerungen an das Frühjahr 2011 wach. Damals feierte sich Schalke ins Halbfinale der Champions League, graulte sich in der Liga jedoch nur durch das mausgraue Mittelfeld.
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Interessante Duplizität der Ereignisse: Das Achtelfinal-Hinspiel beim FC Valencia endete damals - 1:1. Den durch einen katastrophalen Fehler von Christoph Metzelder begünstigten Rückstand (diesmal durch einen Fehlpass von Roman Neustädter) glich Raul aus. Statt Jens Keller erklärte vor zwei Jahren der damalige Trainer Felix Magath fast wortwörtlich: „Wir haben leider unsere Chancen nicht genutzt, sonst wäre sogar mehr drin gewesen.“ Damals wie heute vergab die größte Gelegenheit: Klaas-Jan Huntelaar.
Sead Kolasinac verfolgte diese Partie übrigens zuhause. Vor dem Fernseher. Und dachte im Traum nicht daran, zwei Jahre später selbst eine Hauptrolle auf der großen Bühne Champions League zu spielen. „Beim Rückspiel saß ich mit meinen Eltern auf der Tribüne“, sagt er. Schalke gewann 3:1.