Istanbul. . Manager Horst Heldt bleibt nach dem starken Champions-League-Auftritt der Mannschaft des FC Schalke 04 beim 1:1 gegen Galatasaray Istanbul realistisch: „Wir müssen in den nächsten Spielen punkten. Ich hoffe, dass die Mannschaft kapiert hat, was sie leisten muss“, sagt er deutlich. Nun müsse Schalke auch in der Liga punkten.
Eine Viertelstunde nach dem Abpfiff schleppte Schalkes Mannschaftsbetreuer Rainer Kübler eine große Kiste Bier in die Kabine. Verdient ist verdient, konnte man da wohl sagen. Doch wenn man den Spielern Glauben schenken darf, rührten sie den Gerstensaft gar nicht an. „Ich habe kein Bier getrunken“, versicherte jedenfalls Klaas-Jan Huntelaar. Und sogar Jermaine Jones, der ja nicht in Verdacht steht, die Klosterschule durchlaufen zu haben, wollte nichts von einem kleinen Umtrunk in der Kabine wissen. Obwohl dieser Abend in der Champions League mit dem 1:1 im Achtelfinal-Hinspiel bei Galatasaray Istanbul schon ein wenig Grund zum Feiern geliefert hätte, wie Schalkes Torschütze schmunzelnd betonte.
Die Botschaft, die Schalke aus Istanbul gesendet hatte, war klar: Wir können es noch – „weil wir diesmal dem Druck standgehalten haben“ (Jones). Was hatten sie nicht vorher alles von der Atmosphäre in dieser Türk Telekom Arena mit den heißblütigen Fans von Galatasaray Istanbul erzählt, und dann nahm Schalke mit einer entschlossenen Leistung all den Dampf aus diesem Hexenkessel. Vielleicht half auch ein kleiner Kniff von Trainer Jens Keller, dass die Mannschaft diesmal hellwach war: Bei der Mannschaftssitzung am Nachmittag im Hotel Ritz Carlton verzichtete der Trainer auf große Worte und ließ einfach die wahnsinnig intensive Geräuschkulisse einspielen, die Galatasarays Anhänger beim 1:0-Sieg in der Vorrunde gegen Manchester United erzeugt hatten. 45 Sekunden lang ließ Keller diese Akustik auf seine Spieler wirken – bis jeder wusste, was ihm da auf die Ohren kam. „Das war eine gute Idee vom Trainer“, lobte Jones, auch wenn er eine kleine Einschränkung machte: „Man kann die Stereoanlage ja gar nicht so laut aufdrehen, wie es im Stadion wirklich war…“
Keller beweist mit Kolasinac Mut, Hildebrand wird für Schalke echter Rückhalt
Kellers Kniff war das eine: Auch dem Trainer, bei dem selbst wohlwollenden Beobachtern als Erstes immer dessen traurig wirkender Blick auffällt, tat dieses Ergebnis in Istanbul gut. Denn auch seine personellen Maßnahmen, allen voran der Wechsel auf der linken Abwehrseite von Christian Fuchs zu Sead Kolasinac, halfen der Mannschaft. Der 19-Jährige Kolasinac stürzte sich derart unerschrocken ins Getümmel, dass ihn sogar ein Zusammenprall mit dem robusten Stürmerstar Didier Drogba nicht in seinem Tatendrang stoppen konnte. „Er hat danach alles zwar ein bisschen verschwommen gesehen“, meinte Manager Horst Heldt mit dem Verweis auf den Brummschädel von Kolasinac, „aber Ball und Gegner hat er nie aus den Augen verloren.“ Kellers Mut, in diesem Hexenkessel auf einen so unerfahrenen Spieler zu setzten, wurde belohnt. Und auch eine andere Entscheidung scheint sich langsam auszuzahlen: Denn Timo Hildebrand gewinnt zusehends an Ausstrahlung und Sicherheit und ist so mittlerweile ein echter Rückhalt – Keller hatte ihn in der Winterpause zur klaren Nummer eins ernannt, um damit das Torwart-Theater zu beenden.
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Die Reise nach Istanbul hat somit Kellers Entscheidungen unterstützt – ob sie auch seine Position gestärkt hat, will Manager Heldt aber nicht zu schnell beurteilen. Darauf antwortet er lieber ausweichend: „Wir müssen in den nächsten Spielen punkten“, sagt er unmissverständlich, „ich hoffe, dass die Mannschaft kapiert hat, was sie leisten muss.“ Noch haben die Spieler seinen Verdacht nicht entkräften können, dass es vor allem die spezielle Herausforderung der Champions League war, die dabei geholfen hat, wieder „die Sinne zu schärfen“. Nun hofft Heldt, dass dieser Prozess wenigstens mitgenommen werden kann in die Bundesliga, wo am Samstag das Heimspiel gegen Fortuna Düsseldorf ansteht. Auch Jones sieht diese Diskrepanz und sagt: „In der Liga sind wir mit dem Druck zuletzt nicht klar gekommen. Die Champions League ist eine andere Geschichte.“
Schalke kann noch nicht durchatmen
Aber auch hier ist noch nichts erreicht: Nur die Ausgangslage für das Rückspiel am 12. März gegen Galatasaray ist nun bestens – in der Liga ist sie unverändert bescheiden. Somit gab es also bestenfalls einen Grund zum Durchatmen – noch nicht zum Feiern. Und so wurde auch das Bier nur in die Kabine geschleppt, um Benedikt Höwedes und Tranquillo Barnetta bei der Dopingprobe auf die Sprünge zu helfen: Mit Bier soll alles schneller gehen. Die anderen Spieler haben nichts davon abbekommen. Sagen sie zumindest…