Istanbul. . Die Teilnahme am Achtefinale in der Champions League ist die nächste Wendung der verrückten Karriere von Schalkes Torwart Timo Hildebrand. „Ich weiß nicht, ob es das jemals gegeben hat“, sagt der 33-Jährige: Vom arbeitslosen Profi bis in die letzten Runden der Königsklasse.
Die Gänge sind dunkel. Und lang. Lang und dunkel. Am Abend vor dem Achtelfinal-Hinspiel zwischen Galatasaray Istanbul und dem FC Schalke 04 in der Champions League (20.45 Uhr MEZ, live im ZDF und in unserem Live-Ticker), ist das Umfeld der Turk Telekom Arena nicht auf Besuch eingerichtet. Wer sogar mit der U-Bahn zu diesem von einer Schnellstraße und Hochhaus-Baustellen umgebenen Fußball-Stadion fährt, benötigt auf seinem einsamen Weg einige Vorstellungskraft, um sich hineinzudenken, in diesen mit seinen an Spieltagen gut 52.000 Fans so stimmungsvoll aufgeheizten Hexenkessel.
Timo Hildebrand fällt das leichter. Der Torwart der Königsblauen fährt nicht mit dem Zug tief unter der Metropole am Bosporus von einer Station zur nächsten und zurück. Er wird nicht von mitleidig blickenden Türken darauf hingewiesen, dass er diese Art Zubringer-Bahn verlassen muss, um den Weg zum Stadion einzuschlagen. Und die stets freundlichen, aber nur bedingt eingewiesenen Ordner leiten den 33-Jährigen auch nicht erst auf die Tribüne statt ins Innere der Arena. Im stolzen Glauben, dem ahnungslosen Deutschen einen echten Gefallen zu tun.
Hildebrands verrückte Karriere
Hildebrand befindet sich bereits im Königsklassen-Modus, als er sich mit einem grauen Anzug gekleidet den Weg durch die Fans und Neugierigen am Flughafen im fast frühlingshaften Istanbul bahnt. Als sich dann der Schalker Bus durch das Gewusel der Millionen-Metropole am Rande Europas kämpft, kommen dem Torwart diese Gedanken, wie speziell die Partie in Istanbul besonders für ihn ist.
„Ich weiß nicht, ob es das jemals gegeben hat“, sagt Timo Hildebrand später mit ruhiger Stimme. „Ob es das gab, dass ein arbeitsloser Spieler eineinhalb Jahre später im Achtelfinale der Champions League steht.“
Es ist die nächste Wendung in Hildebrands verrückter Karriere. Er nahm als Nationaltorwart an der Weltmeisterschaft 2006 teil, er gewann die Deutsche Meisterschaft 2007 mit dem VfB Stuttgart und erlebte anschließend in Valencia, Hoffenheim und Lissabon ein beispielloses Auf und Nieder. Wobei es nach dem letzten Nieder kein Auf mehr gab.
Hildebrand war ohne Verein. Arbeitslos. Er, einst einer der Besten seiner Zunft in Deutschland, stand im Abseits.
Bis Horst Heldt den Torwart im Herbst 2011 zum FC Schalke holte, hielt sich Timo Hildebrand fit, nur fit. Doch auch in Gelsenkirchen entwickelten sich die Dinge nicht wie gewünscht. Verletzungen und eine seltsame Rotation zwischen den Pfosten verhinderten seinen Neuanfang.
Hildebrand ist stolz
„Es macht mich stolz, jetzt hier spielen zu dürfen“, sagt der smarte Familienvater nun. Denn nach dem Amtsantritt von Jens Keller ist Hildebrand die Schalker Nummer 1. Eine richtige, echte Nummer eins. Ohne Wenn und Aber.
Im zurückliegenden Bundesliga-Spiel gegen den FSV Mainz 05 hielt der Torwart mit seinen Paraden sogar den wichtigen Punkt fest, der die Krise der Königsblauen nach nur einem Sieg in den vergangenen zwölf Wochen etwas beruhigte. Der nächste Schritt zur endgültigen Wende soll möglichst in Istanbul folgen. Galatasarays Zugängen Didier Drogba und Wesley Sneijder oder den heißblütigen Fans zum Trotz.Ähnlich wie 2011, als es in der Liga ebenfalls nicht lief, die Königsblauen aber bis in das Halbfinale der Champions League einzogen.
„Ich liebe es, vor so einem Publikum zu spielen“, erklärt Hildebrand, „gerade auswärts, wenn alle gegen dich sind.“ Dass auf ihn erneut Schwerstarbeit zukommen dürfte, weiß der gebürtige Wormser. Nicht nur, weil er vor Jahren mit Stuttgart mal ein Testspiel gegen Drogba und die Elfenbeinküste bestritt. „Da stehen elf gute Spieler auf dem Platz“, sagt Hildebrand. „Aber das sind die Spiele, für die Fußballer leben.“
Und kämpfen. Wenn Timo Hildebrand heute Abend durch den kurzen Spielertunnel ins Innere der tosenden Arena geht, ist nichts mehr dunkel. Es ist hell, richtig grell hell. Und Hildebrand ist endgültig zurück im Rampenlicht.