Gelsenkirchen. . „Nach dem 2:0 war ich mir ziemlich sicher, dass wir das Spiel locker nach Hause schaukeln, weil die Spieler in der ersten Halbzeit defensiv sehr gut gearbeitet haben“, sagte Schalkes Trainer Jens Keller nach dem 5:4-Sieg über Hannover 96.

Das Schöne an einem Freitagspiel in der Bundesliga ist ja: Wenn man gewonnen hat, kann man sich am Samstag zurücklehnen und in aller Ruhe verfolgen, was der Sieg in der Tabelle wert ist. Schalke machte durch das 5:4 gegen Hannover zwei Plätze in der Tabelle gut und liegt als Fünfter nur noch zwei Punkte hinter dem Vierten Frankfurt. Der Rückrunden-Auftakt hätte wahrlich schlechter laufen können, aber das war es nicht allein, was Schalke an diesem Wochenende beschäftigte. Zu nervenaufreibend, zu spektakulär war das, was der 5:4-Sieg am Freitagabend gegen Hannover geboten hatte. Eine irre Show – oder eher sportliches Harakiri?

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Geplant war es auf jeden Fall nicht. „Für die Fans war das ein Wahnsinnsspiel, aber als Trainer sitzt du da draußen und verstehst manchmal die Welt nicht mehr“, sagte Jens Keller. So sehr ihn die fünf geschossenen Tore gefreut hatten, so sehr verzweifelte der 42-Jährige an den vier Gegentreffern. Nur die Älteren können sich noch daran erinnern, dass Schalke mal die beste Abwehr der Bundesliga hatte. Wenigstens die Moral stimmte, und das war dann doch ein Fortschritt im Vergleich zu den letzten Spielen unter Huub Stevens, als die Spieler nach Gegentoren regelmäßig die Köpfe hängen ließen.

Schalke-Kapitän Höwedes brach eine Lanze für Jens Keller

Immer deutlicher wird, dass die vielen Gegentreffer eher eine Frage des Personals auf der Spielerseite sind und weniger eine Frage von System und Taktik. Huub Stevens, der Meister der Defensive, hatte es schon nicht hinbekommen, und Jens Keller bisher auch nicht, obwohl er in der Vorbereitung sehr viel am Abwehrverhalten der Mannschaft gefeilt hatte. In der Öffentlichkeit hatte das 0:5 im Test gegen die Bayern eine verheerende Wirkung auf die Reputation des Trainer-Neulings, aber in der Mannschaft ist das offenbar kein Thema. Kapitän Benedikt Höwedes brach nach dem Spiel gegen Hannover jedenfalls eine Lanze für Jens Keller: „Dass eine Trainerdiskussion im Raum steht, kann ich überhaupt nicht nachvollziehen“, sagte er. „Der Trainer ist absolut akzeptiert, er macht einen guten Job, arbeitet viel und spricht viel mit der Mannschaft. Von daher sehe ich es nicht ein, dass solche Diskussionen überhaupt entstehen.“ Die Mannschaft würde sich daran jedenfalls nicht beteiligen. Auch Christian Fuchs sagte, der Trainer sei „abgestempelt worden“, noch ehe er mit Schalke überhaupt das erste Bundesliga-Spiel bestritten habe: „Bei der Mannschaft kommt er an, das hat man gegen Hannover gesehen.“ Er meinte damit wohl, dass die Spieler niemals aufgesteckt hätten.

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Jens Keller war es selbst ein Rätsel, wie sich nach der scheinbar beruhigenden 2:0-Führung ein solches Harakiri-Spiel entwickeln konnte: „Nach dem 2:0 war ich mir ziemlich sicher, dass wir das Spiel locker nach Hause schaukeln, weil die Spieler in der ersten Halbzeit defensiv sehr gut gearbeitet haben.“ Doch nach dem Hannoveraner Anschlusstreffer wurde er von den alten Problemen eingeholt. Problem Nummer eins: Schalkes Torhüter gewinnen keine Spiele – da geht es Timo Hildebrand im Moment nicht anders als in der Hinrunde Lars Unnerstall. Jeder Ball, der einigermaßen platziert aufs Tor kommt, ist drin. Problem Nummer zwei: Die Außenverteidiger Christian Fuchs (links) und Atsuto Uchida (rechts) haben ihre Stärken im Spiel nach vorne und zu große Defizite in der Defensive – das geht nur dann gut, wenn die Balance in der gesamten Mannschaft stimmt. Problem Nummer drei: Wenn Schalke von außen so überrollt wird wie gegen Hannover (Benedikt Höwedes: „Auf der linken Abwehrseite verteidigen wir schlecht“), sind die Innenverteidiger kein Stoppschild.

Schalke gewinnt nach sechs sieglosen Bundesliga-Spielen in Folge

Trotzdem überwiegt unterm Strich das Positive: Der FC Schalke 04 hat nach zuvor sechs sieglosen Bundesliga-Spielen die Talfahrt gestoppt und hofft, dass sich auf diesem Boden die Trendwende einstellen wird. „Jetzt sind wir gut gestartet und haben Gegner, gegen die wir Punkte holen können“, sagt Timo Hildebrand mit Blick auf die nächsten Aufgaben in Augsburg und gegen Fürth: „Das gibt trotz der vier Gegentore Selbstvertrauen.“ Und irgendwie war’s ja tatsächlich eine irre Show, dieses 5:4. Harakiri hin oder her.