Doha. . Wenn Schalke schon gegen die Bayern mit 0:5 unter die Räder gerät, dann sollen die Akteure in Königsblau auch daraus lernen. So baten S04-Coach Jens Keller und sein Videoanalyst zur visuellen Bestandsaufnahme. Was gegen den Rekordmeister völlig schief lief, welche Lichtblicke es gab: eine Übersicht.
Die Ansprache dauerte eine geschlagene halbe Stunde. So lange redete Schalkes Trainer Jens Keller am Morgen nach der 0:5-Demütigung im Testspiel gegen die Bayern in einer Krisensitzung auf seine Mannschaft ein. Danach mussten die Spieler eine große Laufrunde durch das riesige Areal der Aspire-Academy drehen und anschließend unter der Leitung von Seppo Eichkorn noch Übungen auf dem Platz absolvieren. Keller saß derweil die ganze Zeit auf einer Bank am Rande des Trainingsplatzes und diskutierte mit Schalkes Spiel- und Videoanalyst Lars Kornetka (35). Denn am Nachmittag bekam die Mannschaft das Video des Grauens noch einmal vorgeführt. Der Effekt, der dahinter stecken sollte, war klar: Wenn Schalkes Mannschaft sich schon von den Bayern so blamieren lässt, dann soll sie wenigstens etwas daraus lernen.
Was Schalke aus dem Debakel gegen die Bayern mitnimmt:
Die Taktik: Jens Keller ließ in den ersten paar Minuten Pressing spielen, weil die Mannschaft das lernen soll und es im Training auch zuvor eingeübt hatte. Doch Schalkes Trainer wollte das gegen die Bayern nur ein paar Minuten als Testballon steigen lassen – danach sollte sich die Mannschaft zurückziehen und aus der verstärkten Defensive agieren. Indes: Das hatten einige offenbar nicht verstanden. Weil das Pressing in den ersten Minuten ganz passabel klappte und sich Schalke sogar Chancen erspielen konnte, spielte ein Teil der Mannschaft weiter nach vorne. „Wir haben etwas probiert, was gegen Bayern nicht spielbar ist“, schimpfte Benedikt Höwedes. Was sich zunächst wie als Kritik an der Taktik des Trainers anhörte, war aber als Kritik an den Mitspielern gemeint. „Der eine oder andere wollte zuviel, und die ganze erste Halbzeit Pressing spielen“, erklärte Roman Neustädter. Und da es die eine Hälfte der Spieler nach vorne zog, und die andere nach hinten, entstanden riesige Löcher, die die Bayern für ihre Attacken nutzten.
Die Spielidee: Jens Keller will Schalke künftig offensiver spielen lassen. Daran will er festhalten, „und je länger wir das trainieren, desto mehr Automatismen stellen sich ein“, glaubt Linksverteidiger Christian Fuchs. Deswegen gab es bei der Video-Analyse neben sachlicher Kritik auch einige Beispiele zu sehen, die den Spielern Mut machen sollen. Fuchs: „In der ersten Halbzeit hatten wir sechs oder sieben Angriffsaktionen in der Art, wie der Trainer es sich vorstellt.“
Der große Irrtum: Schalke kann es sich wohl endgültig abschminken, dass der Kader ausgeglichen besetzt ist. Natürlich fehlten gegen die Bayern aus diversen Gründen Stammspieler wie Farfan, Afellay, Uchida, Papadopoulos und in der ersten Halbzeit auch Jones und Huntelaar. Aber die Spieler, die Schalke dafür bezahlt, um in solchen Fällen einzuspringen, sind meilenweit von der ersten Elf entfernt. Bestes Beispiel ist Chinedu Obasi: Der Nigerianer, den Schalke vor einem Jahr für fast fünf Millionen Euro aus Hoffenheim geholt hat, hat derzeit einfach kein Bundesliga-Niveau. Auch von Tranquillo Barnetta (ablösefrei) hat man sich viel mehr versprochen; ihm kann man bestenfalls noch zugute halten, dass ihm Ex-Trainer Huub Stevens niemals die Chance gab, einen Spielrhythmus zu finden. Die Ersatz-Stürmer Ciprian Marica und Teemu Pukki haben in der Vergangenheit wenigstens punktuell ab und zu einmal helfen können, haben unterm Strich jedoch auch nicht die nötige Klasse.
Die Lichtblicke: A-Jugend-Spieler Max Meyer (17) hat mehr Courage gezeigt, als die eben erwähnten Profis. Daher wird Schalke ihn, wie vor zwei Jahren bei Julian Draxler, wahrscheinlich in der Rückrunde vorzeitig in den Profi-Kader befördern. Auch bei Kaan Ayhan (18, ebenfalls noch A-Jugend) verbieten sich Vorwürfe: Der Außenverteidiger musste gegen Franck Ribery spielen – daraus kann er nur lernen.
Die Hoffnungen: Zum Rückrunden-Start am 18. Januar gegen Hannover sollten zumindest Jefferson Farfan, Atsuto Uchida und Marco Höger wieder so fit sein, dass sie spielen können. Außerdem glaubt Roman Neustädter, dass es jetzt nur noch besser werden kann: „Wir haben gegen Bayern in einer Halbzeit so viele Fehler gemacht, die normalerweise für eine ganze Halbserie reichen.“ Die Hoffnung, sie stirbt auch in der Wüste zuletzt.