Hagen. . Schalke 04 tritt am Samstag zum Revierderby bei Borussia Dortmund an. Horst Heldt, Manager der Königsblauen, spricht vor dem Duell über den BVB, Transferpolitik sowie den Saisonauftakt und die Ziele seiner Mannschaft.

Am Samstag, 15.30 Uhr, ist Derby-Zeit: In der Fußball-Bundesliga steht das Duell zwischen Borussia Dortmund und dem FC Schalke 04 an. Horst Heldt (42), Manager der Königsblauen, ist im Vorfeld zum Besuch bei der Westfalenpost gekommen. Er äußert sich über den BVB, über Transferpolitik sowie über den Saisonauftakt und die Ziele seiner Mannschaft.

Herr Heldt, die Fußball-Bundesliga befindet sich in einer Länderspielpause - Zeit für ein Auftakt-Fazit. Ihres fällt, Ihren zurückliegenden Äußerungen nach zu urteilen, missmutig aus, oder?
Horst Heldt: Das muss man differenzieren. Der reine Blick auf die Tabelle zeigt: Wir sind gut in die Saison gestartet. Aber es lässt mich nicht los, dass wir besser hätten agieren können. Wenn ich aber bedenke, dass dies unser bester Saisonstart seit zwölf Jahren ist, dann muss ich mir sagen: Jetzt komm’ mal runter von dieser Denkweise. Wenn wir ­anfangen zu jammern, dann ­geschieht das aktuell natürlich auf hohem Niveau. . .

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Schalke weist vier Punkte nach zwei Spieltagen in der Champions League auf, 14 in der Bundesliga und ist im DFB-Pokal weiterhin im Rennen - was ärgert Sie konkret?
Heldt: Vor dem Start in die Champions League hätte ich Platz zwei mit vier Punkten nach zwei Spieltagen super gefunden. Nach den beiden Spielen weiß ich aber: Wir müssten sechs Punkte haben. Deshalb verfliegt der Ärger nicht so einfach. In der Liga kann ich mich auch nicht über das Unentschieden in Hannover aufregen. Wie schwer es ist, dort zu gewinnen, hat ja selbst der Deutsche Meister zu spüren bekommen. Was mich ärgert, sind die zwei verlorenen Punkte in Düsseldorf.

Die verlorene Partie gegen den FC Bayern ärgert Sie gar nicht?
Heldt: (lacht) Stimmt, die habe ich vergessen. Ich mache gar keinen Hehl daraus, dass wir uns erhofft haben, im direkten Vergleich konkurrenzfähiger zu sein. Diese Niederlage ist zwar enttäuschend gewesen, aber wir müssen uns im Sinne unseres Perspektivplans eingestehen, dass wir so weit noch nicht sind. Wir sollten den Ehrgeiz aber nicht aufgeben, sie im nächsten Aufeinandertreffen trotzdem schlagen zu wollen. Das Ergebnis in Düsseldorf ­ärgert mich viel, viel mehr als diese Niederlage.

Was haben Sie der Mannschaft in der Aussprache nach dem Düsseldorf-Spiel mitgeteilt?
Heldt: (schmunzelt) Die Themen, die wir intern besprechen, bleiben intern. Ich habe die Gespräche geführt, die ich führen wollte. Und ich habe nicht in den Spiegel ­geschaut, um mit mir selbst zu ­sprechen.

Gehen Sie in die Kabine und brüllen herum oder bitten Sie zu Einzelgesprächen?
Heldt: Brüllen ist ein Zeichen von Schwäche. Der Inhalt ist wichtig. Ich kann auch im leisen Ton so treffende Worte finden, die weh tun, die aber auch wachrütteln und eine Richtung vorgeben. Deswegen muss ich nicht wie ein HB-Männchen durch die Gegend laufen und herumbrüllen. Das kann ich auch, das halte ich aber nicht für sinnvoll.

Das nächste Spiel ist das Revierderby beim BVB. Was unterscheidet Schalke und Dortmund zurzeit?
Heldt: Nach wie vor die Farben. Und das sollte auch so bleiben. (lacht) Ach, was unterscheidet die Klubs? Wenn man viele Leute fragt, sind sich die Vereine ähnlicher als sie es vielleicht sein möchten. Man muss neidlos anerkennen, dass die Dortmunder viele richtige Entscheidungen getroffen haben, was Transferpolitik angeht und auch die Art und Weise, wie sie Fußball spielen. Sie haben die Liga beherrscht, sind zweimal verdient Deutscher Meister geworden. Darüber hinaus kenne ich Dortmund zu wenig, als dass ich mir ein Urteil erlauben kann, was die Vereine unterscheidet.

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In der vergangenen Saison war der Unterschied anhand der Derby-Ergebnisse ziemlich deutlich…
Heldt: Allein deshalb erwarte ich, dass wir diesmal anders auftreten. Das wird ein sehr intensives Spiel. Wir freuen uns darauf. Die Rivalität gehört ­dazu und beide Vereine brauchen sie. Aber sie darf nur auf dem Platz stattfinden. Das ist wichtig.

Denkt der BVB ähnlich?
Heldt: Ja. Wir haben in diesem Punkt dieselben Ansichten. Es wird trotzdem im Vorfeld vielleicht das eine oder andere verbale Scharmützel geben - das ist auch okay. Sich ein bisschen zu kabbeln ist erlaubt.

Borussia Dortmund ist für Schalke-Manager Heldt Favorit 

Und dem jeweils anderen die Favoritenrolle zuzuschieben?
Heldt: (lacht) Favorit ist nach wie vor Dortmund. Ich weiß gar nicht, wann die zuletzt zu Hause verloren haben...

... gegen Hertha BSC Berlin früh in der vergangenen Saison.

Heldt: Das ist also lange her. Dass wir nach Punkten gerade vorne sind, ist daher nicht das Entscheidende.

Auch nicht, dass der BVB weniger stabil zu spielen scheint als in der vergangenen Saison?
Heldt: Ich glaube, dass Dortmund jederzeit in der Lage ist, wieder Stabilität zu erlangen. Dortmund würde ich nie, nie abschreiben.

Wird die Meisterschaft über die ­direkten Duelle der Spitzenmannschaften entschieden?
Heldt: Das glaube ich nicht. Sie wird auch im direkten Vergleich entschieden, aber vor allem über alle anderen Spiele.

Das hieße, dass die Schalker Chancen über diesen Weg steigen.
Heldt: Deswegen ärgert mich so ein Unentschieden wie in Düsseldorf ja so. Wir müssen unseren Fokus darauf legen, diese einfachen Punkte tatsächlich einzusammeln. Wenn wir es dann noch hinkriegen, in den ­direkten Duellen zu punkten, kommen wir in die richtige Richtung.

Also sehen Sie eine Chance auf die Meisterschaft. Einmal waren Sie ja in den vergangenen Jahren Manager einer Mannschaft, die dafür sorgte, dass die Bayern nicht Meister wurden. Wie weit sind Sie von dem, was Sie im Jahr 2007 beim VfB Stuttgart bewirkt ­haben, in Schalke noch entfernt?
Heldt: Die damalige Stuttgarter Mannschaft ist nicht besser gewesen als unsere heutige. Und sie war auch nicht besser als die damalige Schalker Mannschaft. Wir haben das nötige Glück gehabt, das man haben muss. Wir waren da, als andere schwächelten. Nur Bayern kann eine Meisterschaft planen, alle anderen Vereine nicht. Wenn man jedoch spürt, dass etwas möglich ist, muss man das ergreifen.

Wäre Schalke so weit, die Chance zu ergreifen und Meister zu werden?
Heldt: Natürlich haben wir eine gute Mannschaft. Natürlich sind wir in der Lage, unter die ersten Drei zu kommen. Und das heißt, wir sind in der Lage, wenn andere schwächeln, Zweiter oder Erster zu werden. Aber eine Meisterschaft hängt von vielen Faktoren ab.

Heldt fordert bei Schalke „gesundes Selbstvertrauen“ 

Täuscht der Eindruck, dass das Wort Meisterschaft in dieser Saison weniger tabu ist als in der vergangenen?
Heldt: Ich finde es nicht falsch, Träume oder Ziele zu formulieren, wenn sie auch ambitioniert sind. Wir brauchen eine andere Denkweise, wir brauchen gesundes Selbstvertrauen. Ich habe das zuletzt die nötige Arroganz genannt - was nicht negativ gemeint ist. Wir brauchen eine Überzeugung der eigenen Stärke. Das fehlte ein bisschen.

Ihr Trainer Huub Stevens schenkte den Titel verbal nach der Bayern-Niederlage bereits ab. Wünschen Sie sich vom Ihm auch mehr Mut?
Heldt: Es ist wichtig, dass ein Trainer auf die bestehenden Verhältnisse hinweist. Die Meisterschaft geht zum jetzigen Zeitpunkt an den FC Bayern, aber - und dieses Aber ist trotzdem vorhanden. Huub Stevens und ich, wir unterscheiden uns nicht in unseren Ansichten. Die Formulierungen sind genauso eng wie die Spiele. Wir dürfen uns nicht kleiner machen, müssen uns aber auch nicht größer machen als wir sind.

Das gilt wohl auch für die Finanzen. Wie groß ist Ihr finanzieller Rahmen für Transfers?
Heldt: (lacht) Das hängt vom Ausgang dieser Saison ab. Das sind Parameter, die man jetzt noch nicht festlegen kann. Es ist ein Unterschied, ob wir Siebter werden oder Zweiter oder Dritter. Das ist ein Unterschied von 30 Millionen Euro. 30 Millionen ­haben oder nicht haben ist für uns sehr, sehr wichtig.

Die könnten Sie investieren?
Heldt: Das weiß ich nicht. Meine Kollegen inklusive Aufsichtsrat sind schon sehr großzügig. Das habe ich so in anderen Vereinen nicht erlebt. Wenn ich mir unter Berücksichtigung unserer Begebenheiten einen Spieler wünsche, bekomme ich ihn.

Wen hätten Sie denn aus der aktuellen BVB-Mannschaft gerne?
Heldt: Die haben so viele gute Spieler in ihren Reihen. Aber wir haben auch viele gute Spieler in unseren Reihen. Ich weiß nicht…

…greifen Sie einfach zu.
Heldt: Natürlich ist Marco Reus ein toller Spieler. Und natürlich haben wir uns auch mit ihm beschäftigt, als wir mitbekommen haben, dass er eventuell bereit ist, Mönchengladbach zu verlassen.

Warum Reus nicht zum FC Schalke 04 gewechselt ist 

Sie haben mit Reus gesprochen? Oder ist es soweit nicht gekommen?
Heldt: Doch, wir haben mit ihm gesprochen. Aber wir waren ja nicht der einzige Verein, der sich um ihn bemüht hat. Genauso wie wir uns mit Lukas Podolski beschäftigt haben, als er Köln verlassen wollte. Natürlich muss ein Verein wie Schalke 04 sich mit Spielern einer gewissen Qualität beschäftigen, wenn man in der Lage ist, eventuell zugreifen zu können.

Hätte Reus sich vorstellen können, nach Schalke zu kommen?
Heldt: Ach, das war noch unter Ralf Rangnick. Er ist in Mönchengladbach geblieben und ein Jahr später nach Dortmund gegangen. Er und seine Berater haben auch Gespräche mit anderen Vereinen geführt. Das ist normal. Marco Reus hat sich aus seiner alten Verbundenheit entschieden, nach Dortmund zu wechseln.

Waren Sie in diesem Jahr noch mit im Rennen um Reus?
Heldt: Nein, wir waren raus. Ich muss die Leute ja nicht verrückt machen, wenn es am Ende des Tages kein mehr Thema ist. Wir wussten ja, dass er eine festgeschriebene Ablösesumme hat und in welche Regionen wir uns dafür bewegen müssten. Und dass wir uns das rein theoretisch gar nicht leisten können.

Ihr Wunsch ist es, einen Transfer in Dimensionen voranzutreiben, die Schalke so noch nicht erlebt hat. Sie würden nicht 48 Millionen Euro fordern, um wie die Bayern einen Javier Martinez zu verpflichten. Aber Reus wäre ein Spieler gewesen, bei dem Sie das versucht hätten - mit seinen 17 Millionen Euro als Ablöse?
Heldt: Ja, für das Geld hätte ich Marco auch verpflichtet, wenn ich die Möglichkeit gehabt hätte. Man weiß zwar nicht, wie die Leistungen am Ende tatsächlich sind. Aber der Spieler ist noch sehr jung. Er ist in seiner Entwicklung, scheint einen guten Charakter zu haben und ist auch von zu Hause aus in geordneten Verhältnissen groß geworden. Es gibt viele Punkte, die einem das Gefühl geben, dass sich diese Investition nicht negativ auswirken wird.

Und Marco Reus hat nicht von vornherein gesagt: Ich bin Dortmunder, wie können Sie als Schalker es ­wagen, nachzufragen?
Heldt: Nein - er war ja Gladbacher… ( lacht ) Es ist wichtig, sich viele Sachen anzuhören. Auch für die Spieler. Zum Beispiel Kyriakos Papadopoulos: Für den war es richtig gut, sich das Angebot von St. Petersburg anzuhören, auch um ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, wie gut es auf Schalke ist. Wie toll dieser Klub doch ist. Deswegen habe ich auch kein Problem damit, wenn sich Klaas-Jan Huntelaar mit anderen Vereinen beschäftigen würde - was ich ihm aber nicht unterstellen will.

Mussten Sie sich auch mit anderen Klubs beschäftigen, um herauszufinden wie toll Schalke ist, bevor Sie bis 2016 verlängerten?
Heldt: (lacht) Nein. Ich bin ja schon etwas älter als die Spieler. Ich habe selbst als Spieler viele Vereine kennen gelernt und weiß, dass ich beim besten Verein der Welt bin.