Gelsenkirchen. . Seit knapp zwei Jahren erlebt Julian Draxler einen kometenhaften Aufstieg: vom jüngsten Schalker Bundesliga-Debütanten zum deutschen A-Nationalspieler. Doch seine Entwicklung ist noch längst nicht abgeschlossen. Ein Gespräch mit einem 18-Jährigen, der des Fußballs wegen schnell erwachsen wurde und nicht den Eindruck erweckt, dass ihm das geschadet hätte.

Julian Draxler, wie haben Sie Ihre rasante Entwicklung verarbeitet?

Draxler: Eigentlich bin ich ja immer noch derselbe. Für mich ist Fußball mein Hobby, meine Leidenschaft. Dass ich das jetzt so professionell ausüben kann, ist eine Riesensache. Ich spiele jetzt nur unter einer größeren öffentlichen Aufmerksamkeit.

Ist es wirklich so einfach?

Draxler: Meine Familie und meine Freunde haben eine wichtige Rolle gespielt. Sie haben mich immer auf dem Boden gehalten. Aber ich hatte auch nie den großen Drang abzuheben.

Wie haben Sie den schnellen Wechsel vom Jugendspieler zum Profi erlebt?

Draxler: Gerade nach meinem Tor im DFB-Pokal gegen Nürnberg habe ich richtig Aufmerksamkeit auf mich gezogen. Es war plötzlich etwas anderes, über die Straße zu gehen. Viele Leute haben mich angesprochen und wollten Fotos mit mir machen. Das war etwas ganz Neues und natürlich ungewohnt für mich. Die Leute waren aber alle sehr nett und deshalb habe ich mich schnell daran gewöhnt.

Sie haben unfreiwillig für Schlagzeilen gesorgt, weil Sie sich von Felix Magath zum Abbruch der Schule drängen ließen. Ein Fehler?

Julian Draxler fühlt sich im Kreise der Nationalmannschaft wohl.
Julian Draxler fühlt sich im Kreise der Nationalmannschaft wohl. © Getty Images

Draxler: Ich wollte sie nicht abbrechen, sondern nur unterbrechen, um zu sehen, wohin meine Reise als Fußballer gehen kann. Ich fand schade, dass es nicht mehr um Fußball ging, sondern nur noch um die Schule. Im Nachhinein hat mir die öffentliche Diskussion mein Fachabitur beschert, daher war es eigentlich ganz gut. Der Fußball ist schließlich nicht auf der Strecke geblieben. Aber zwischendurch sind auch ein paar Sachen über meine Eltern geschrieben worden, die nicht in Ordnung waren.

Wie groß war die Doppelbelastung?

Draxler: Die normalen Schulwochen waren erträglich. Aber wenn es auf die Prüfungen zuging, hatte ich schon ziemlich viel mit Training und Lernen zu tun. Ich bin froh, dass ich das jetzt hinter mir habe.

War die Schule nicht ein guter Ausgleich zu dem ganzen Star-Rummel?

Draxler: Ich war mit meinen Gedanken größtenteils nur beim Fußball. Aber es hat gut getan, sich mit anderen Jungs über ganz normale Themen zu unterhalten. Und den Kopf mal anzustrengen, hat sicher auch nicht geschadet.

Werden Sie sich jetzt ganz auf den Fußball konzentrieren?

Draxler: Mal sehen, ob jetzt Langeweile aufkommt. Ich glaube aber eher nicht. Auf jeden Fall will ich noch die eine oder andere Sprache lernen: Englisch und Französisch vertiefen, Spanisch lernen – die Weltsprachen eben. Damit hätte ich ja auch erstmal zu tun.

Draxlers ersten Schritte als A-Nationalspieler 

Kurz vor der Europameisterschaft haben Sie den nächsten Sprung gemacht. Wie fühlt man sich als A-Nationalspieler?

Draxler: Für mich kam das völlig unerwartet. Eines Tages hatte ich auf meiner Mailbox eine Nachricht vom Bundestrainer: Er wolle mir mitteilen, dass ich im Kader für die Vorbereitung zur Europameisterschaft stehe und dass ich ihn zurückrufen solle. Ich hätte mir das verdient, weil ich eine gute Saison gespielt habe und weil er viel Potenzial in mir sehe. Erst dachte ich, dass sich jemand einen Scherz mit mir erlaubt. Aber als ich zurückgerufen habe, war er es tatsächlich.

War es dennoch eine Enttäuschung, dass Sie nicht in den endgültigen EM-Kader berufen worden sind?

Draxler: Ja, kurzzeitig schon. Ich habe gemerkt, dass ich im Training gut mitgehalten habe. Das Spiel gegen die Schweiz war von meiner Seite auch nicht schlecht. Aber natürlich ist die Konkurrenz in der Nationalmannschaft riesig. Die Nichtnominierung war ja keine große Überraschung, schließlich bin ich eh als Underdog dorthin gefahren. Es war eine tolle Erfahrung, dabei gewesen zu sein. Ich habe da super Typen kennen gelernt und viel dazu gelernt.

Inzwischen sind Sie zumindest auf Schalke kein Underdog mehr. Spüren Sie, dass sich die Erwartungshaltung geändert hat?

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Draxler: Ja, auf jeden Fall. Als Nationalspieler hat man auch im Verein eine ganz andere Verantwortung. Im letzten Jahr habe ich teilweise gute, teilweise schlechte Spiele gemacht, für meinen Geschmack auch zu wenig Tore geschossen. Dieses Jahr will ich mich steigern und mehr Verantwortung übernehmen. Und ich möchte die eine oder andere entscheidende Aktion mehr haben – wenn der Trainer mich aufstellt.

Wie gehen Sie mit den gestiegenen Erwartungen um?

Draxler: Natürlich entsteht ein bisschen Druck, aber ich bin immer noch relativ unbekümmert. Ich mache mir selbst überhaupt keinen Stress. Auch wenn ich jetzt knapp zwei Jahre dabei bin, bin ich immer noch erst 18. Ich habe noch sehr viel Zeit, mich zu entwickeln. Aber je früher ich ein hohes Level erreiche, desto besser.

Inwiefern haben Sie sich in den vergangenen anderthalb Jahren verändert?

Draxler: Ich musste ein bisschen schneller erwachsen werden. Wenn man sich im Profigeschäft durchbeißen will, muss man auch vom Kopf her klar sein und wissen, worauf es ankommt. Aber wenn ich zu Hause bin oder zusammen mit Kumpels, bin ich immer noch ziemlich jugendlich und mache Quatsch mit denen. Aber das gehört auch dazu.

Hat sich auch Ihre Position innerhalb der Mannschaft geändert?

Draxler: Ich wurde zwangsläufig selbstbewusster und lasse mir nicht mehr alles im Training gefallen. Mittlerweile kann ich auch selbst mal ungemütlich werden, obwohl ich eigentlich ein eher ruhiger Typ bin. Ich bin ja immer noch jung und nehme mir immer noch den Rat von älteren Spielern an. Aber wenn mir mal irgendetwas nicht passt, mache ich jetzt auch meinen Mund auf.

Was mussten Sie sich im Training gefallen lassen?

Draxler: Die eine oder andere Grätsche von Jermaine Jones musste ich schon über mich ergehen lassen, ohne dass ich etwas sagen konnte (lacht). Aber wirklich schlimm war es nicht.

Draxlers Anfänge als Schalke-Fan 

Sind Sie eigentlich Schalke-Fan?

Draxler: Ja, auf jeden Fall. Ich bin im Ruhrgebiet groß geworden, da hat man eigentlich Schalker zu sein. Mein Vater ist S04-Fan, meine gesamte Verwandtschaft auch. Da blieb es nicht aus, dass auch ich die blau-weißen Gene bekommen habe. Mein Vater hatte immer zwei Dauerkarten und ich durfte ihn im Wechsel mit meinem großen Bruder Patrick zu den Heimspielen begleiten.

Hatten Sie Vorbilder?

Draxler: Es gab viele gute Spieler. Olaf Thon war der erste, später dann Lincoln, Ebbe Sand und Emile Mpenza. Das sind meine Favoriten.

Was ist es für ein Gefühl, nun selbst ein Vorbild zu sein?

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Draxler: Ich finde das schön. Zu wissen, dass viele Kinder den selben Weg einschlagen wollen wie ich, ist ein gutes Gefühl. Aber ich darf dabei nicht vergessen, dass ich noch lange nicht fertig bin. Ich habe mich noch sehr viel weiterzuentwickeln, um das Leistungsniveau zu halten.

Inzwischen verfügt Schalkes A-Jugend in Max Meyer über ein neues Supertalent. Schauen Sie schon nach, welche Konkurrenz Ihnen von unten erwächst?

Draxler: Ich habe von ihm gehört, aber ich habe ihn noch nicht so oft gesehen, dass ich ihn beurteilen kann. Generell befasse ich mich mit der U19, weil ich mich mit dem Trainer Norbert Elgert super verstanden habe. Aber es ist nicht so, dass ich vor irgendeinem A-Jugendlichen zittere (lacht).