Schalke-Trainer Stevens hält Teamgeist für unverzichtbar
•
Lesezeit: 6 Minuten
Gelsenkirchen. Schalkes Trainer Huub Stevens will ein Realist bleiben. Deshalb verspricht er den Fans der Königsblauen nicht zu viel. Das hat Stevens uns im großen Interview verraten. Für Schalke beginnt die Saison 2012/2013 am Sonntag im Pokalspiel beim 1. FC Saarbrücken.
Dem erst kürzlich operierten Knie dürfte es ruhig etwas besser gehen, aber Huub Stevens jammert nicht. Er macht, was sich machen lässt, so arbeitet der Niederländer auch. Schalke 04 hat den Weggang von Raúl zu verkraften – na und? Schalke 04 hat derzeit nicht die wirtschaftliche Kraft für teure Neuzugänge – na und? Der Trainer stellt sich der neuen Lage. Im Interview vor dem Saisonstart am Sonntag im DFB-Pokal beim Drittligisten 1. FC Saarbrücken (Sonntag, 16 Uhr, live im DerWesten-Ticker) erklärt der 58-Jährige, warum Teamgeist ganz wichtig ist – und was er als Chef dazu beitragen kann.
Herr Stevens, wann sind Sie als Trainer zufrieden?
Huub Stevens: Das ist eine ganz schwere Frage. – Zufrieden ist man, wenn man sieht, dass die ganze Mannschaft alles tut. Du kannst nach perfektem Fußball streben, aber den wirst du nie spielen. Es wird immer etwas geben, an dem du doch noch etwas auszusetzen hast.
Ein Trainer kann das Gefühl haben, vorher alles getan zu haben – aber im Spiel können Zufälle entscheiden, auf die er keinen Einfluss hat.
Stevens: Das bringt dieser Beruf mit sich. Du arbeitest die ganze Woche lang intensiv, aber du bist abhängig von Menschen, die deine Vorstellungen ausführen müssen. Sie sind keine Roboter, sie können auch mal einen schlechten Tag haben. Haben mehrere gleichzeitig einen schlechten Tag, stehst du draußen und kannst kaum noch etwas ausrichten.
Täuscht der Eindruck, oder sind Sie beim Training häufiger als früher eher ein stiller Beobachter, der selten direkt eingreift?
Stevens: Ich rede mit den Spielern vorher und nachher. Manchmal musst du dich zurückhalten und das Geschehen aus der Ferne analysieren, um den Überblick zu behalten.
Und im Spiel? Wie wichtig ist eigentlich Coaching? Ein Mann wie Jürgen Klopp arbeitet an der Linie sehr engagiert und aufgeregt...
Stevens:(lacht) Er ist noch jung, oder?
... während der spanische Welt- und Europameistertrainer Vicente del Bosque scheinbar teilnahmslos auf seinem Stuhl bleibt.
Stevens: Entscheidend ist, dass man als Trainer so auftritt, wie man sich auch die ganze Woche über gibt.
Es geht also vorrangig darum, authentisch zu bleiben, um die Spieler erreichen zu können.
Stevens: Ja, Show ist nicht nötig. Ich habe vieles gelernt in all den Jahren im Trainergeschäft. Erfahrung ist ein Reichtum.
Sie haben kürzlich gesagt, dass Sie hoffen, dass sich in Ihrer Mannschaft eine neue Hierarchie entwickelt. Warum?
Stevens: Weil mehrere erfahrene Spieler nicht mehr da sind. Aber auch hier gilt: Wenn ein Spieler jetzt nur eine Show abzieht, läuft er gegen die Wand. Die Entwicklung muss sich auf natürliche Weise ergeben.
Stevens: Was ist ein Führungsspieler? Einer, der Verantwortung übernimmt. Und ich sage: Jeder muss Verantwortung tragen. Dadurch kann auch eine ganz flache Hierarchie entstehen.
Es gab Trainer auf Schalke, die mit Spielern aus der zweiten oder dritten Reihe kaum gesprochen haben. Sie dagegen betonen regelmäßig, wie wichtig jeder ist.
Stevens: Weil du über die gesamte Saison jeden brauchst. Wenn ich einen Spieler monatelang nicht beachte und ihn dann für ein Spiel brauche, kann ich doch nichts erwarten.
Teamgeist kann Punkte holen.
Stevens: Ja, und das wollen wir hinbekommen. Wissen Sie, was mir gefallen hat? Wie die Italiener bei der EM vor dem Spiel gegen Deutschland ihre Hymne gesungen haben. Man schaut in ihre Augen und sieht ihre Leidenschaft. Mir geht es gar nicht darum, ob ein deutscher oder niederländischer Spieler die Hymne mitsingt, die Diskussion ist lächerlich. Es geht darum, dass die Italiener gezeigt haben, wie viel Feuer in ihnen steckt. Sie haben es allerdings auch leichter, in Ihrer Hymne steckt schon musikalische Power.
Wenn alle optimal mitziehen, müssen Sie Entscheidungen gegen Jungs treffen, die Sie mögen.
Stevens: Das ist nicht einfach, aber es ist mein Job. Ich muss ehrlich sein, ich will in den Spiegel schauen können.
Manche Trainer fordern Verstärkungen und haben dann ein Alibi, wenn es nicht läuft. Sie haben klar gesagt: Unser Aufgebot ist stark genug.
Stevens: Erstens habe ich Vertrauen in den Kader, und zweitens weiß ich, dass wir auf Schalke nicht mehr alles machen können. Die Fans haben mich gefragt: Wann werden wir denn mal Meister? Denen habe ich gesagt: Das würde ich auch gerne erleben. Aber man muss doch realistisch bleiben. Die Konkurrenz ist groß, und den Titel werden Bayern und Dortmund unter sich ausmachen.
Was macht Huub Stevens, dessen Vertrag zum Saisonende ausläuft, eigentlich in genau einem Jahr?
Stevens: Ach, das ist doch so weit weg. Bis dahin gibt es noch genug zu tun, meine Arbeit auf Schalke macht mir noch viel Spaß.
Stevens: Da hatte ich auch Spaß – nur nicht daran, wie am Schluss die Entscheidung fiel.
Schalke im Trainingslager
1/13
Sie sind auf dem Trainingsplatz entlassen worden.
Stevens: Ja, da kommt ein Anwalt auf den Rasen und fragt, ob ich mal fünf Minuten Zeit hätte. Ich sage: Nein, ich muss trainieren, warum denn? Und er sagt: Wir wollen Sie entlassen. Ich frage: Am Ende der Saison? Da sagt er: Nein, sofort. Etwas später habe ich versucht, Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz anzurufen, den ich sonst direkt am Telefon hatte, aber er ist bei fünf Versuchen nicht dran gegangen. Dabei wollte ich mich nur für die Zusammenarbeit bedanken. Das Menschliche darf doch nie auf der Strecke bleiben.
Sie haben vermutlich einen Ad-Blocker aktiviert. Aus diesem Grund können die Funktionen des Podcast-Players eingeschränkt sein. Bitte deaktivieren Sie den Ad-Blocker,
um den Podcast hören zu können.