Gelsenkirchen. Timo Hildebrand ist seit den verletzungsbegingten Ausfällen von Ralf Fährmann und Lars Unnerstall der Rückhalt des FC Schalke 04. Endlich wieder regelmäßig zwischen den Pfosten zu stehen ist ein besonderes Gefühl ihn - auf eine Kampfansage an seine Kollegen verzichtet er trotzdem.
Schalke 04 und seine Torhüter – das ist in der Saison 2011/2012 eine höchst ungewöhnliche Geschichte. Denn mit Timo Hildebrand steht bereits die dritte Nummer eins zwischen den Pfosten der Gelsenkirchener. Bei keinem anderen Bundesligisten herrscht eine so große Fluktuation, die jedoch nicht mit mangelndem Vertrauen in das Torhüterpersonal zu tun hat, sondern hauptsächlich am außergewöhnlich großen Verletzungspech liegt.
Als Stammtorwart war Ralf Fährmann in die Saison gegangen. Doch darüber konnte sich der 23-Jährige nur kurz freuen, da er bei der 1:2-Heimniederlage am 15. Oktober 2011 gegen Kaiserslautern einen Innenbandriss und einen Anriss des vorderen Kreuzbandes im linken Knie erlitt. Nach der Reha in Donaustauf steht Fährmann nun bald vor der Rückkehr ins Mannschaftstraining. "Ralf macht Fortschritte. Sein Ziel ist es, noch in dieser Saison wieder zu spielen", sagt Schalke-Manager Horst Heldt.
Hildebrand wartete bei Schalke lange auf seine Chance
Vertreten wurde Fährmann von Lars Unnerstall, der nach Fährmanns schwerer Verletzung die Gelegenheit beim Schopf fasste und zur Nummer eins wurde. Das hatten ihm nur wenige zugetraut, doch Unnerstall präsentierte sich nervenstark, als er seine ersten Bundesligaspiele bestritt und sich das mediale Interesse plötzlich auf ihn richtete. Auch Fehler wie beim 0:3 in Mönchengladbach konnten den 20-Jährigen nicht aus der Ruhe bringen.
Doch am 19. Februar 2012 im Heimspiel gegen Wolfsburg zog sich Unnerstall eine schwere Schulterverletzung zu, die ihn seitdem zum Zuschauen verurteilt. Deshalb rückte Timo Hildebrand in den Kasten, der Torhüter Nummer drei, den Heldt im Oktober 2011 nach der Verletzung von Fährmann verpflichtet hatte. Hildebrand musste fast zwei Jahre auf diesen Moment warten. Zur Halbzeit eingewechselt, zeigte der Routinier eine starke Leistung.
Hildebrand sagt heute: "Ich bin ein Stück demütiger geworden"
"Das war ein besonderes Gefühl für mich, nach so langer Zeit mal wieder zu spielen. Die Anspannung war groß. Wahrscheinlich war es ganz gut, dass ich keine große Zeit zum Nachdenken hatte", sagte Hildebrand nach dem geglückten Comeback in der Bundesliga. Zuvor war der gebürtige Wormser in einem Pflichtspiel nur in der Europa League in Haifa zum Einsatz gekommen, als die Qualifikation für die nächste Runde schon feststand. Seitdem macht der 32-Jährige, der im Januar zum ersten Mal Vater wurde, seine Sache sehr ordentlich.
Eine Kampfansage in Richtung seiner verletzten Konkurrenten ist von Hildebrand jedoch nicht zu hören. Weil er die Unwägbarkeiten des Profifußballs am eigenen Leib erfahren hat, als er vom gefeierten Nationaltorhüter zum arbeitslosen Schlussmann ohne Zukunftsperspektive wurde, bevorzugt er die leisen, nachdenklichen Töne. "Ich bin ein Stück demütiger geworden", sagt Hildebrand.
Fortuna Düsseldorf zeigt Interesse am Schalker Schlussmann
Natürlich ist er entschlossen, seine vielleicht letzte Chance im Profifußball zu nutzen und über einen längeren Zeitraum sein Können zu beweisen. Nur damit kann er seine berufliche Zukunft sichern. Zweitligist Fortuna Düsseldorf hat bereits angefragt, denn sein Vertrag läuft am Saisonende aus. Er ist dankbar für die Chance, die Schalke ihm gewährte: "Ich hatte eine schwierige Phase, bevor ich hierherkam." Er habe sich schon Gedanken gemacht, "ob ich überhaupt wieder auf höchstem Niveau spielen kann und darf, weil Plätze besetzt und viele junge Torhüter nachgekommen sind."
Sein Scheitern in Valencia und Lissabon hat er abgehakt. "Ich möchte nicht mehr so viel in die Vergangenheit blicken, sondern meine Karriere fortsetzen und gute Leistungen bringen", erklärt Hildebrand. Heldt deutete bisher nur an, dass er weiter beschäftigt werden könnte. "Er hat bisher so gehalten, als ob er nie weg gewesen wäre. Timo gehört nach wie vor zu den besten spielenden Torwarten." Doch sicher ist ein neuer Vertrag keineswegs. Auch im Europa-League-Spiel gegen Twente Enschede kämpft Hildebrand um einen Job nach dem 30. Juni. (dapd)