Gelsenkirchen. . Schalke besiegt Nürnberg 4:0 und weiß doch genau, dass es sich im Derby steigern muss, um bestehen zu können

Es ist nicht so, als schmiede Lewis Holtby für die nächsten paar Abende große Pläne. Am Mittwoch wird sich der Mittelfeldspieler des FC Schalke 04 das Champions-League-Spiel des ungeliebten Nachbarn Borussia Dortmund bei Arsenal London anschauen. „Das ist doch ein Leckerbissen“ sagt Holtby fast entschuldigend. Da setzt sich, Borussia hin oder her, der Fußballer gegen den Schalker durch. An allen anderen Abenden möchte Holtby vor allem eins: früh im Bett liegen. Am Samstag tritt Schalke zum Derby beim BVB an, da wäre ein ausgeschlafener Junge in der Zentrale des Spiels schon ganz hilfreich. Denn dieses Spiel bei der Borussia, das wird ein anderes Kaliber als der 4:0 (2:0)-Spaziergang gegen den 1. FC Nürnberg.

Im Grunde ist seit Jahren so gut wie alles über das Derby gesagt. In dieser Saison kommt jedoch wieder einmal hinzu, dass beide Mannschaften in der Tabelle ganz oben mitmischen, das heizt die Stimmung an, das beflügelt die Träume, hüben und drüben. „Nicht ohne Grund“, findet Lewis Holtby.

Trotzdem gibt es da im Moment einen kleinen Unterschied beim Qualitätsvergleich zwischen den Rivalen. Während beim Meister aus Dortmund nach dem 1:0 bei Bayern München auch die schönste Perspektive solide unterfüttert zu sein scheint, bot Schalke trotz des deutlichen Sieges in der Partie gegen Nürnberg eher wenig, das Holtbys These stützen würde.

„Stelle mir im eigenen Stadion etwas anderes vor.“

Als Kronzeuge bot sich nach dem 4:0 erstaunlicherweise zuerst Trainer Huub Stevens an. Nach der Partie ging ein Raunen durch die Reihen älterer Journalisten, denen Stevens’ erste Amtszeit auf Schalke noch in guter und mitunter auch unguter Erinnerung ist. Damals, so tuschelte man am Samstag, hätten nach einem Sieg schon dezent kritische Anmerkungen zum Auftritt der Mannschaft genügt, um sich von Stevens bissige Kommentare einzuhandeln. Im Jahr 2011 schritt dagegen der Trainer höchstselbst zur Tat: „Ich bin nicht hundertprozentig zufrieden. Ich stelle mir im eigenen Stadion etwas anderes vor.“

Das überrascht nach einem 4:0 vielleicht, aber Schalkes Coach hat gute Gründe, sich nicht vom Ergebnis blenden zu lassen: Sein Team verlegt sich viel zu oft aufs Reagieren. Darin hat es große Qualitäten entwickelt, so gewann es vollkommen verdient – schließlich schoss Schalke seine Tore immer zur richtigen Zeit. Und doch wurde man Eindruck nicht los, dass sogar die kriselnden Nürnberger auf dem Weg, ein Spiel aufziehen und gestalten zu können, weiter sind als die ambitionierten Schalker. Was dem „Club“ vollkommen abgeht, ist der Biss, ohne den es in der Liga schwer wird. „Es geht nicht, dass man nur ein bisschen das Füßchen hinstellt und sonst mitschwimmt“, schimpfte Trainer Dieter Hecking – acht Spiele ohne Sieg haben auch bei ihm Spuren hinterlassen: „Das war zu einfach, zu billig – nicht bundesligareif.“

Dreimal ausgekontert

So fiel es Schalke leicht, das Spiel durch die beiden Treffer von Klaas-Jan Huntelaar und die Tore von Raúl und Holtby zu entscheiden. Bezeichnend war: drei Treffer fingen sich die Gäste durch Konter ein, einen nach eigenem Eckball.

Die Frage aber, die Schalke seit dem Schlusspfiff beschäftigt, ist die, ob so eine Leistung am Samstag in Dortmund reichen wird. Die Antwort lieferten die meisten Blau-weißen gleich mit: nein. „Wir haben“, nickte Manager Horst Heldt, „die allerdicksten Nürnberger Einladungen angenommen, und das war effektiv. Aber in Dortmund brauchen wir eine deutliche Leistungssteigerung, um dort bestehen zu können.“ Es ehrt die Schalker, dass niemand über die Ausfälle von Kapitän Benedikt Höwedes und Wirbelwind Jefferson Farfan sprach. Aber die Probleme, die sich in der dünnen Gipfelluft an der Spitze der Liga auftun, sind eine Mentalitäts- und keine Personalfrage.

Hinter Bayern, hat Trainer Huub Stevens unlängst gesagt, sei einiges möglich. Vielleicht muss man ergänzen: hinter Bayern und dem BVB. Diese Einschätzung hört kein Schalker gern. Am Samstag lässt sich etwas dagegen tun, mit einem prima Spiel. Und ein paar ausgeschlafenen Jungs.