Gelsenkirchen. Schalke überzeugt beim 3:1-Sieg gegen Hoffenheim, sieht sich aber deswegen nicht in der Rolle des Bayern-Verfolgers. Für den Titel komme nur der Rekordmeister in Frage, betonte S04-Trainer Huub Stevens.

Horst Heldt zog die Schnute zusammen – er wusste, dass von seinem Trainer jetzt Contenance gefragt war. Denn Huub Stevens lässt sich nicht gerne in eine Rolle drängen, die er nicht selbst vorgegeben hat. Und so war Obacht geboten, als auf Schalke plötzlich das B-Wort fiel. B – wie Bayern-Jäger.

Die Allergie auf alles, was irgendetwas mit M wie Meisterschaft zu tun hat, hat ihre Ursachen in der Vergangenheit. Auf Schalke haben sie stets schlechte Erfahrungen damit gemacht, wenn man sich von hohen Zielen treiben lässt und der ganze Verein deswegen auf einmal Herzrasen bekommt. Sogar Manager Horst Heldt kennt das schon, obwohl er erst seit eineinhalb Jahren Teil des Ganzen ist. Als rheinische Frohnatur drückt er es so aus: „Dieser Verein kann mit Euphorie gut umgehen – er findet manchmal nur nicht das richtige Maß.“

Vor dem Spiel gegen Hoffenheim hatte sich Heldt deswegen fest vorgenommen, im Falle eines weiteren Sieges „alles in Schutt und Asche zu reden“, um die Begeisterung in die richtigen Bahnen zu lenken. Doch als es dann soweit war, Schalke mit 3:1 gewonnen hatte und damit auf Platz zwei der Bundesliga-Tabelle geklettert war, da hielt es auch Heldt nicht mehr bei seiner Schutt-und-Asche-Taktik: „Weil wir so gut gespielt haben.“

Hoffenheimer Phantom-Überlegenheit

Es war nicht so, dass Schalke ein Feuerwerk abgebrannt hätte. Aber es war eine reife Leistung, taktisch clever und abgezockt. Eine Vorstellung, bei der man deutlich die Handschrift von Trainer Huub Stevens erkennen konnte. Der hatte nach der 1:2-Niederlage vor zwei Wochen gegen Kaiserslautern Korrekturen in der Defensive vorgenommen, und seitdem hat Schalke in vier Spielen viermal gewonnen und nur noch ein Gegentor kassiert. Schalke spielt nun kompakter und stabiler als unter Ralf Rangnick, der die Siege im Hurra-Stil einfahren wollte. Gegen Hoffenheim hatten die „Blauen“ laut Statistik nur 39 Prozent Ballbesitz, aber die daraus resultierende Phantom-Überlegenheit der Gäste nannte selbst ihr Trainer Holger Stanislawski „für die Katz’“.

Auch die erste Hoffenheimer Aufregung um das Schalker 1:0 durch Raúl in der 28. Minute hatte sich schnell gelegt. Raúl hatte sich den Ball nach einer Flanke des starken Julian Draxler selbst gegen die Hand geschossen – von da prallte die Kugel ins Tor. Weil Schiedsrichter Tobias Welz das Tor gab, obwohl er den Spanier sofort dazu befragte, schimpfte TSG-Torwart Tom Starke zunächst: „Selbst so ein Sportsmann hat es nötig zu lügen.“ Dabei machte Raúl gar keinen Hehl daraus, dass er den Ball mit der Hand berührt hatte: „Aber es war keine Absicht. Da ist es egal, ob der Ball ans Knie, an die Brust oder an die Hand springt.“ Auch Schiedsrichter-Lehrwart Lutz Wagner betonte, alles sei korrekt gewesen: „Die Hand ging nicht aktiv zum Ball. Das war keine Absicht.“ Schalkes Sieg hatte also Hand und Fuß – nachdem Klaas-Jan Huntelaar mit einem Doppelschlag (73., Elfmeter und 76.) seine Liga-Tore Nummer neun und zehn dieser Saison erzielt hatte.

Stevens will Realist bleiben

Selbst nach dem 1:1 durch Vedad Ibisevic (63.) verlor Schalke diesmal nicht die Linie. „Wir haben clever gespielt und Stabilität gezeigt“, lobte Stevens – und befand nach dieser Leistung wieder, dass in dieser Saison für Schalke sehr viel möglich sei. Aber eben hinter Bayern – für den Titel komme nur der Rekordmeister in Frage. Das hatte er schon einige Male betont, weshalb nun Obacht geboten war, als Stevens erneut in die Rolle des Bayern-Jägers gedrängt wurde.

In früheren Zeiten hat der Niederländer bei solchen Gelegenheiten Journalisten auch schon mal gefragt, ob sie Kroketten auf den Ohren hätten, weil sie ihn offenbar nicht verstehen würden. Dagegen war seine Antwort diesmal fast schon tiefenentspannt: „Man muss auch realistisch sein. Bayern ist Schalke meilenweit voraus“, sagte er. Jeder Sieg würde das Selbstvertrauen weiter stärken, „aber bitte keine Überheblichkeit – denn die passt nicht zu Schalke.“

Stevens hatte die Contenance bewahrt. Alles war gut.