Gelsenkirchen.

Gestorben ist gottlob niemand – aber die Nachricht vom Rücktritt des Schalker Fußballtrainers Ralf Rangnick, der aus scheinbar heiterem Himmel erfolgte, weckte spontan Erinnerungen an die Tragödie um Robert Enke. Während der gerade 32 Jahre alt gewordene frühere deutsche Nationaltorwart keinen Ausweg mehr sah, hat der 53-jährige Coach in seiner im Profifußball beispiellosen Entscheidung offenbar die letzte Chance gesehen, dem drohenden Teufelskreis zu entkommen.

Respekt ist ein fast zu schwaches Wort für diesen Schritt. Der ja immer noch mutig ist, obwohl psychische Erkrankungen eine steigende Akzeptanz in unserer vom Leistungsdruck geprägten Gesellschaft erfahren und die Beschreibung einer tiefen persönlichen Krise als „Burn out“, auf deutsch: „Erschöpfungssyndrom“, den Umgang damit leichter macht. Löst doch jede Form der „Überarbeitung“ mehr Anteil aus als eine diagnostizierte „Depression“, die selbst vielen Betroffenen immer noch als Makel gilt.

Ralf Rangnick, darin ist zu erinnern, hatte Symptome seiner Erkrankung offenbar frühzeitig erkannt, wollte deshalb nach dem Ende seines Engagements in Hoffenheim ein halbes Jahr Pause „zur Regeneration“ machen. Dass er sich nach Felix Magaths Entlassung überreden ließ, doch schon früher als geplant auf Schalke anzufangen, wird er sich im Nachhinein wohl als Fehler ankreiden.

Andererseits: Hatte er ernsthaft eine Wahl angesichts des Drucks seines neuen Arbeitgebers? Im vorherrschenden Bild eines Trainers sind Schwächen, zu denen Krankheiten gerade im Verständnis vieler Führungskräfte leider immer noch zählen, nicht vorgesehen. Ein Coach, der sich wegen einer hartnäckigen Grippe krank schreiben lässt? Schon das ist unvorstellbar. Erst Recht also eine aus psychischen Gründen womöglich zwingende Auszeit von mehreren Wochen.

Welche Konsequenzen sind zu erwarten? Keine!

Wie im tragischen Fall Enke wird auch nach Rangnicks Rücktritt die Frage gestellt werden, welche Konsequenzen daraus in der Szene zu erwarten sind. Die Antwort lautet damals wie heute: Keine. Schließlich: Was sollte sich im Profifußball ändern? Dass der Druck gemindert wird? Vereinsbosse und Fans zu der Erkenntnis kommen: Der Titel ist nicht alles, ein Abstieg doch gar nicht so schlimm, die zweite Liga auch ganz schön?

Weil in der Branche zwar Rangnicks Verhalten, definitiv aber nicht seine Erkrankung die Ausnahme darstellt, ist in einem Punkt dennoch Hoffnung angesagt: Der offensive Umgang eines Stars mit den Folgen seiner Überforderung erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sich künftig auch andere leichter damit tun, sich ihrer Gefährdung zu stellen und der Tretmühle zumindest vorübergehend zu entfliehen. Es könnte im Extremfall eine lebensrettende Maßnahme sein.