Gelsenkirchen. . Den Rückzug von Schalke-Trainer Rangnick bewerten Sportpsychologen als wichtiges Signal für den Profifußball. Gleichzeitig appellieren sie an den Verein, den Coach weiter zu unterstützen. Rangnick dürfe nicht als Schwächling abgestempelt werden.

Wieder hat einer für kurze Zeit das wild rotierende Karrussel des Profifußballs angehalten - und ist einfach ausgestiegen. Schalke-Coach Ralf Rangnick zieht sich zurück. Öffentlich bekennt er den Grund: Burnout. „Das ist ein wichtiges Signal für den Profisport“, sagt Marion Sulprizio, Sportpsychologin an der Deutschen Sporthochschule in Köln. „Rangnick macht genau das Richtige. Er zieht die Reißleine, bevor es schlimmer wird.“ Ein Burnout-Syndrom könne schließlich die Vorstufe zu einer schweren Depression sein. „Rangnick ist ein Vorbild für andere Sportler“, sagt Sulprizio.

„Profifußballer gehören zu den gefährdeten Berufsgruppen für psychische Erkrankungen“, sagt Maite Iriarte Rego, Professorin für Sportpsychologie an der Hochschule für Gesundheit und Sport in Berlin. „Im Sport zählen in erster Linie nicht die Menschen sondern die Ergebnisse.“ Jeder Angestellte brauche jedoch einen Vertrauensrahmen und einen Spielraum, in dem er arbeiten könne. „Wenn ein Trainer bereits nach zwei, drei Misserfolgen fürchten muss, ausgetauscht zu werden, ist der Druck hoch.“ Sicher gebe es auch Trainer, die das locker wegstecken könnten. „Wie jemand auf diesen enormen Stress reagiert, hängt natürlich auch von der Persönlichkeit ab“, sagt Rego.

Der Tod Robert Enkes hat vieles verändert

Sportpsychologin Sulprizio nennt weitere belastende Faktoren: Der Anspruch an die eigenen Leistungen sei bei Profisportlern groß. Hinzu kämen häufige Reisen und Umzüge. „Das führt dazu, dass oft der soziale Rückhalt in der Familie fehlt, um Probleme abzufedern.“ Krankheitsfördernd kann laut Rego auch die hohe öffentliche Aufmerksamkeit wirken, der Trainer und Spieler permanent ausgesetzt sind.

Trotz allem sind die Experten überzeugt: Es hat sich einiges bewegt im Profifußball. „Seit demTod Robert Enkes ist die Sensibilität für das Thema Burn Out und Depressionen deutlich gestiegen“, sagt Michael Kellmann, Professor am Zentrum für Sportpsychologie der Ruhr-Universität Bochum. Die psychologische Betreuung im Profisport sei immer noch nicht optimal, dennoch würden viele Vereine inzwischen mit Therapeuten und Psychiatern zusammenarbeiten, bestätigt Sulprizio. Die Sportpsychologin betreut selbst Leistungssportler und ist Koordinatorin der recht jungen Initiative „Mental gestärkt“, die Spieler und Trainer für das Thema sensibilisieren soll. Finanziert wird sie unter anderem von der „Robert Enke Stiftung“.

„Verein sollte Rangnick nicht kündigen“

Es sei mutig, dass Ralf Rangnick sein Erschöpfungssyndrom nicht verheimlicht habe, sagt Sulprizio. Auch das sei unter Umständen ein Verdienst der Aufklärungsarbeit seit dem Fall Enke. „Früher wurden psychische Probleme im Profisport dagegen häufig unter den Teppich gekehrt“, sagt Sulprizio.

Sportpsychologe Kellmann appeliert an den Verein, Trainer Rangnick jetzt nicht fallen zu lassen. „Schalke sollte den Vertrag erst einmal beibehalten. Es ist wichtig, dass der Mann nicht als Schwächling abgestempelt wird.“ Therapeutin Suprizio ist sicher: Bei der richtigen Behandlung könnte Rangnick in wenigen Monaten wieder fit sein.