Hamburg. . Der FC Schalke 04 hatte das Spiel in St. Pauli bis zum vorzeitigen Ende mit 2:0 sicher in seinen Händen und wird die Punkte vom Sportgericht bekommen. Das erste Spiel unter Ralf Rangnick darf als gelungen bewertet werden.

Der Freitagabend in St. Pauli endete traurig und ärgerlich. Der Spielabbruch wegen eines Bierbecher-Wurfes auf den Schiedsrichter-Assistenten überlagerte alle sportlichen Diskussionen. Dabei war die Bundesligapartie, die der FC Schalke 04 bis zum vorzeitigen Ende mit 2:0 sicher in seinen Händen hatte, ohnehin schon bemerkenswert genug. Schalke wird die Punkte nun vom Sportgericht bekommen und dürfte sich damit zunächst einmal der gröbsten Sorgen entledigt haben. Wenn die Mannschaft diese Form konservieren kann, wird sie mit dem Abstiegskampf nichts mehr zu tun bekommen.

Hoher Einsatz, hohes Tempo, hohe Belohnung: Das erste Spiel unter dem neuen Trainer Ralf Rangnick darf aus Schalker Sicht als total gelungen bewertet werden. Ein Flutlichtspiel an einem Freitagabend am Kiez, das ist schließlich Hardrock-Fußball: laut, intensiv, schweißtreibend, emotionsgeladen. Genau die richtige Atmosphäre für einen Charaktertest. Die Schalker Mannschaft, der schon in mehreren Bundesligaspielen eine phlegmatische Haltung bescheinigt werden musste, wollte sich ihrem neuen Trainer beweisen. Sie bestand die Prüfung mit Bravour.

Altes System, verändertes Personal

Rangnick schickte sein Team mit dem alten System, aber verändertem Personal aufs Feld. Routinier Hans Sarpei durfte links verteidigen, der junge Kyriakos Papadopoulos spielte im defensiven Mittelfeld, und auf der linken Offensivseite erhielt der von Felix Magath bereits aussortierte Alexander Baumjohann eine neue Bewährungschance.

Der 24-Jährige, der auch in Mönchengladbach und München über den Talent-Status nie hinweggekommen war, stand gleich zu Anfang im Blickpunkt. Fabian Boll foulte ihn elfmeterreif, Schiedsrichter Deniz Aytekin aber verweigerte einen Pfiff. Das hätte beinahe schlimme Folgen für die Königsblauen gehabt. Denn im Gegenzug verpasste Charles Takyi nur ganz knapp eine scharfe Hereingabe von Gerald Asamoah, der im Herzen noch immer Schalker ist, als Vollprofi aber alles für seinen neuen Klub gab.

Rustikales Powerplay nach britischem Vorbild

Kurz nach dieser Szene, schon in Minute sieben, musste Rangnick auswechseln: Mario Gavranovic wurde mit einer Verletzung am Syndesmoseband verletzt vom Platz getragen, für ihn stürmte nun Edu. Auch der zeigte sich enorm engagiert. Nach einer halben Stunde schlug der Brasilianer einen Haken nach innen, er peilte mit links das lange Eck an, den feinen Drehschuss wehrte Torhüter Benedikt Pliquett zur Ecke ab. Den Eckball platzierte dann Jefferson Farfan genau auf Raul, und der Spanier lenkte den Ball per Kopf perfekt ins Netz.

Was danach kam, war zu erwarten: St. Pauli griff in der zweiten Halbzeit leidenschaftlich an, schoss aus allen Entfernungen. Die Braun-Weißen waren stark ersatzgeschwächt ins Spiel gegangen, doch sie leben ohnehin nicht von Namen, sondern vom Teamgeist. Sie zogen ein rustikales Powerplay nach britischem Vorbild auf. Schalke wurde stark zurückgedrängt, erledigte die anstrengende Abwehrarbeit aber trotz einiger Fehler mit großer Hingabe.

Höchst umstrittene Entscheidung

Und das Glück stand den Gästen auch noch zur Seite: Ein Freistoß von Max Kruse flog unberührt direkt ins Netz, Schiedsrichter Aytekin erkennte den Treffer dennoch wegen einer Abseitsstellung von Fabian Boll nicht an. Eine höchst umstrittene Entscheidung. Während Schalkes Trainer Ralf Rangnick der Ansicht war, dass Boll mit gestrecktem Bein Torwart Manuel Neuer irritiert habe und deshalb „aktiv ins Spielgeschehen eingegriffen“ habe, war St. Paulis Trainer Holger Stanislawski exakt der gegenteiligen Meinung.

Er ärgerte sich besonders darüber, dass seine Spieler noch lamentierten, als Schalke schon gedankenschnell umschaltete. Jefferson Farfan flankte von rechts, der zur Pause eingewechselte 17-jährige Julian Draxler hielt den Fuß rein – 2:0 für Schalke, ein erlösendes Tor zum richtigen Zeitpunkt.

St. Pauli beendete die Partie mit nur neun Spielern – es gab die Gelb-Rote Karte für Jan-Philipp Kalla nach zweitem Foulspiel und die Rote Karte für Fin Bartels nach einer groben Sense gegen den famosen Jefferson Farfan. „Beides berechtigt“, kommentierte Schalkes Manager Horst Heldt. Doch das Schiedsrichter-Gespann hatte auch durch diese Entscheidungen den Zorn des Publikums auf sich gezogen.

Schiedsrichter Deniz Aytekin
Schiedsrichter Deniz Aytekin © REUTERS

Die Stimmung schien dann dennoch am Ende wieder positiv zu werden, denn der größte der St.-Pauli-Fans stärkte dem abstiegsgefährdeten Team den Rücken und sang in den Schlussminuten schaurig-schön das unterstützende „You’ll never walk alone“. Einer aber ließ lieber seinen Aggressionen freien Lauf – und bestrafte damit alle anderen.

„Ich möchte darüber am liebsten gar nicht reden, weil man solchen Leuten dann auch noch eine Plattform bietet“, meinte Ralf Rangnick. Das unwürdige Ende trübte ein wenig den für ihn ansonsten wunderschönen Abend. „Meine Spieler haben einfach gut zusammen agiert und sich als Mannschaft präsentiert“, bilanzierte er hochzufrieden. Jetzt kann auch er beruhigt zum Champions-League-Viertelfinale nach Mailand fliegen. „Wir haben bei Inter nichts zu verlieren“, stellte Horst Heldt klar. Und Ralf Rangnick ergänzte: „Wir fahren mit Freude dorthin.“ Der Erfolg in St. Pauli hat auf Schalke eine Stimmung der Zuversicht erzeugt.