Gelsenkirchen. .

Der FC Schalke 04 ist mit sich und der Vizemeisterschaft 2010 im Reinen und feiert voller Begeisterung einen Mann: Felix Magath.

Es gab dann doch noch die eine oder andere offene Frage. Zum Beispiel die, was Felix Magath am späten Nachmittag, sagen wir so zwischen 17.15 Uhr und 17.35 Uhr gemacht hat. „Ich habe mich“, sagte der Trainer des FC Schalke 04 nachher treuherzig, „sehr geärgert.“

Man hätte gerne mehr gewusst, aber Felix Magath sah nicht so aus, als wolle er noch etwas hinzufügen, und die Vorstellung war ja auch so faszinierend genug: Während draußen niemand die Schalker Arena verlässt und über 60 000 Fans eine Vizemeisterschaft besingen und feiern, sitzt drinnen im Bauch des Stadions der Mann, dem die Dankbarkeit und die Bewunderung dieser Menschenmasse in Königsblau entgegenbrandet und ärgert sich schwarz über den verpassten Meistertitel.

Schalke-Trainer Felix Magath bei seiner Ehrenrunde.
Schalke-Trainer Felix Magath bei seiner Ehrenrunde. © Bongarts/Getty Images

Nach 20 Minuten ist Magath dann doch noch aus dem Dunkel des Stadions zurückgekehrt ins Licht. In seinem Gesicht war abzulesen, dass er mit Platz zwei und der Art, wie nach seinem Empfinden beim 0:2 gegen Werder Bremen die Meisterschaft an die Bayern gegangen ist, noch nicht im Reinen war. Aber Magath machte sich auf seine Ehrenrunde durchs Stadion, alle 50 Meter zelebrierte er mit den Fans die Welle, und dabei ist er einem solchen Ausmaß an Begeisterung und Beifall wohl noch nie begegnet. Nicht in München nach zwei Jahren mit zwei Meisterschaften und zwei Pokalsiegen, und sicher nicht im vergleichsweise blutarmen Wolfsburg, wo Magath vor einem Jahr um diese Zeit einen sensationell anmutenden Meistercoup gefeiert hatte.

Denn Schalke ist nun einmal ein Fall für sich.

Es begann noch während des Spiels, genau: nach 65 Minuten. Bremen hatte das 2:0 erzielt, der Schalker Traum von der Meisterschaft war geplatzt, wieder einmal. Es würde Platz zwei, wieder einmal. Unmittelbar danach setzte in der Nordkurve die Welle ein, wie zum Trotz, wie um zu zeigen: Zweiter zu sein mit dieser Mannschaft ist eine Leistung, die gar nicht hoch genug zu bewerten ist. Es war eine Initialzündung für einen Nachmittag der großen Gefühle, vielleicht auch der großen Illusionen.

Kevin Kuranyi etwa, den die Fans so heftig feierten wie sie ihn in den Jahren zuvor immer wieder ausgepfiffen haben, verlor irgendwann seinen Kampf mit den Tränen und weinte vor der Nordkurve – es sah für jedermann klar erkennbar nach einem Abschied für immer aus, und daran wird auch Kuranyis Aussage nichts ändern, Momente wie diesen, voller Gänsehaut und Emotionen, könne ihm kein anderer Verein so leicht geben.

Oder Marcelo Bordon. Der Brasilianer, der vor Tagen noch geknurrt hatte, weil Magath mit Christoph Metzelder einen Innenverteidiger verpflichtet hatte, brachte seine Kinder mit in die Kurve.

So wie Gerald Asamoah, der auf Schalke zum Inventar gehört wie kaum ein anderer, der seinen ganz eigenen Platz bei den Fans hat, obwohl ihn Magath seit Monaten nicht mehr benötigt, der sich selber aber auch zum Schweigen verurteilt hat, um nichts sagen zu müssen über eine glanzlos austrudelnde Karriere.

Kevin Kuranyi verlor seinen Kampf mit den Tränen.
Kevin Kuranyi verlor seinen Kampf mit den Tränen. © Bongarts/Getty Images

Egal, weggewischt von einem Meer voller Zuneigung, Stolz und Dankbarkeit. Schalke ist, nach langen Jahren, mit sich und mit dieser Vizemeisterschaft im Reinen.

Das ist das große Verdienst von Felix Magath, der mit einer Mannschaft die Bayern bis zum 33. Spieltag geärgert hat, die an Talent vielleicht halb so reich gesegnet ist wie die Münchener, ja nicht einmal so reich ist wie Bremen oder Leverkusen. Schalke hat mit Manuel Neuer einen Keeper, der Großes verspricht, der einmal der Beste werden kann. Es hat eine erfahrene Innenverteidigung, es hatte in diesem Jahr Jefferson Farfan und Kevin Kuranyi im Angriff, aber dazu nicht viel mehr als viele disziplinierte und leidenschaftlich arbeitende Spieler.

Das ist nicht gerade die ideale Basis, um Bayern in jedem Jahr Konkurrenz machen zu können. Aber das Vertrauen in Magath wirkt wie eine Urgewalt. Sein Aufsichtsratsvorsitzender Clemens Tönnies schickte zu später Stunde noch eine SMS: „Leider, leider. Aber die Ziele bleiben. Glückauf, Clemens.“