Gelsenkirchen. Als Kind stand Maik Franz bei Schalke in der Kurve, später spielte er beim 1. FC Magdeburg. Ein Interview vor dem Duell beider Teams.

Bei Maik Franz, der am Samstagabend (20.30 Uhr) als Sport1-TV-Experte beim Zweitliga-Topspiel zwischen dem 1. FC Magdeburg und Schalke 04 im Einsatz ist, ist die Gänsehaut schon spürbar. „Ich blicke voller Euphorie auf dieses geile Spiel“, sagt der langjährige Bundesligaprofi, der als junger Spieler für den 1. FC Magdeburg auflief und später als Leiter Lizenz arbeitete. Auf Schalke stand er als Kind in der Kurve und erlebte in der Eurofighter-Saison 1996/97 mitreißende Uefa-Cup-Spiele gegen CD Teneriffa und Inter Mailand hautnah mit. Im WAZ-Interview verrät Franz, warum er sich Sorgen um Schalke macht und warum er Magdeburg über kurz oder lang in der Bundesliga erwartet.

Herr Franz, Sie hatten sich vor Saisonbeginn in einem Experten-Interview klar festgelegt, dass Schalke 04 in dieser Saison in die Bundesliga zurückkehrt…

Maik Franz: Stimmt. Zusammen mit Torsten Mattuschka habe ich Schalke ganz vorne gesehen. Ich habe Schalke auf Platz eins getippt. Daran sieht man, dass ich wahrscheinlich gar keine Ahnung habe (lacht). Dass du als Top-Mannschaft gar nicht einmal in diese Aufstiegsregion kommst, ist schon überraschend. Und das ist eigentlich auch gar nicht zu begreifen und nicht nachvollziehbar.

Gibt der Kader Ihrer Meinung nach denn mehr her?

Wenn man sich die einzelnen Spieler mal anschaut, auf jeden Fall. Abwehrspieler Timo Baumgartl ist Bundesliga-Spieler, Marcin Kaminski ist ein ordentlicher Verteidiger, der auch schon höherklassig gespielt hat. Linksfuß Thomas Ouwejan hat es im letzten Aufstiegsjahr der Schalker überragend gemacht. Kenan Karaman ist für die 2. Liga ein guter Offensivmann. Neuzugang Ron Schallenberg war bei Paderborn eine tragende Säule, Paul Seguin hat es bei Union Berlin okay gemacht. Und Lino Tempelmann ist eigentlich ein geiler Transfer, weil er noch ein junger, entwicklungsfähiger Spieler ist. Nach außen passt bei Schalke ganz viel zusammen, aber die Realität sieht dann anders aus.

„Die Leichtigkeit fehlt bei Schalke 04“

Wo liegen die Hauptprobleme für das schwache sportliche Abschneiden?

Da kommt einiges zusammen. Wenn man sich die Ergebnisse nach der Winterpause einmal ansieht: Da hilft es nicht, wenn du ein Spiel gewinnst und die nächste Begegnung wieder verlierst. Es geht nur mit Konstanz. 1:4-Niederlage in Kaiserslautern, knapper 1:0-Sieg gegen Braunschweig, 0:1-Niederlage in Kiel, wieder ein knapper 1:0-Sieg gegen Wehen Wiesbaden. Die Leichtigkeit fehlt bei Schalke 04. Der S04 hat einen erfahrenen Kader mit Profis, die schon alles erlebt haben und die mit gewissen Situationen umgehen können. Die Routiniers müssen diese Rolle dann auch annehmen. Das ist offensichtlich nicht der Fall.

Schalke hat in dieser Saison schon früh den Trainer gewechselt und auch sonst viele Schlagzeilen produziert.

Auch in diesem Punkt sieht man, dass die Konstanz fehlt. Karel Geraerts ist Belgier und hat sicherlich andere Ansichten als sein Vorgänger Thomas Reis. Aber Geraerts kannte die 2. Liga nicht, spricht zudem nicht fließend deutsch und fand eine verunsicherte Mannschaft vor. Das ist sicherlich kein Optimal-Zustand. Auch auf anderen wichtigen Positionen gab es bei Schalke viel Bewegung. Du brauchst in einem Profi-Verein einfach die nötige Kompetenz und Power. Nach Sportchef Rouven Schröder, der für mich greifbar und ein absoluter Fachmann auf Schalke war, hat Sportvorstand Peter Knäbel den Klub verlassen. André Hechelmann ist vom Chefscout zum Sportdirektor aufgerückt. Danach ist Eurofighter Marc Wilmots als Sportdirektor verpflichtet worden. Ich stand früher auf Schalke in einem Youri Mulder-Trikot in der Kurve und habe Wilmots zugejubelt. Wilmots ist einfach ein toller Name, mit dem man große S04-Zeiten verbindet.

Schalkes Vorsprung auf die Abstiegsränge ist nicht groß

Als TV-Experte in den Stadien: Maik Franz.
Als TV-Experte in den Stadien: Maik Franz. © imago/Jan Huebner | IMAGO/Michael Taeger

Nur der Name Marc Wilmots wird Schalke allerdings nicht zur Wende reichen, oder?

Nein, man muss das schon realistisch sehen, zumal er den im Sommer zusammengestellten Kader nicht zu verantworten hat und jetzt erst einmal Basisarbeit leisten muss. Die Frage ist, ob Marc Wilmots seine Vorstellungen auf die Spieler projizieren kann. Der Vorsprung auf die Abstiegsplätze ist nach wie vor nicht groß. Wenn man die 2. Liga kennt, dann weiß man, wie tückisch sie ist. Ehrlich gesagt ist mir angst und bange um Schalke. Der Abstieg bleibt ein Thema.

Selbst gegen Wehen Wiesbaden kamen über 60.000 Fans in die Veltins-Arena. Müsste diese unfassbare Unterstützung nicht automatisch Flügel verleihen?

Man sieht ganz klar: Die Schalker Fans haben auch den zweiten Abstieg binnen kürzester Zeit verziehen. Die Hütte ist bei jedem Spiel knallvoll, die Anhänger stehen wie ein Fels zu ihrem Klub. Ich weiß nicht, wo es das in dieser Form sonst noch gibt. Aber: Aus Spielersicht kann ich auch nachvollziehen, dass du auch einen gewissen Rucksack aufhast. Die Erwartungshaltung ist riesig. Wenn du dann gegen Wehen Wiesbaden aufläufst, hast du im Kopf: Heute müssen wir die weghauen. Der Druck ist da. Das bringt das Schalke-Wappen und dieser große Verein mit sich. Das kann sich natürlich auch in die positive Richtung entladen. Ich war im Mai 2022 bei Schalkes 3:2-Sieg über St. Pauli live dabei. Das war unglaublich, was sich da für eine Energie in der Arena entwickelt hat.

Magdeburg - Schalke: Atmosphäre wie beim Bundesliga-Topspiel

Am Samstagabend trifft Ihr ehemaliger Verein 1. FC Magdeburg, bei dem Sie als Spieler und Funktionär tätig waren, auf Schalke 04. Was erwarten Sie von dem Duell?

Das wird der Hammer! Magdeburg hat lautstarke Anhänger. Schalke bringt viele Fans mit. Von der Atmosphäre her wird das wie ein Bundesliga-Topspiel. Von der Papierform sind die Schalker für mich besser besetzt, aber die Magdeburger sind in dem Spiel Favorit. Sie haben diese Leichtigkeit, sie erspielen sich viele Torchancen, gehen voll drauf und spielen einen geilen Fußball unter Trainer Christian Titz. Er ist ein absoluter Glücksgriff für den Verein. Die Spieler haben seine Idee komplett verinnerlicht. Bei Magdeburg ist ein klarer Plan erkennbar. Nur stimmt der Tabellenplatz nicht mit dem sportlichen Abschneiden überein.

„Schalke ist eine Nummer größer“, sagt Maik Franz, verweist aber auf eine „Riesen-Fanschar“ auch beim 1. FC Magdeburg.
„Schalke ist eine Nummer größer“, sagt Maik Franz, verweist aber auf eine „Riesen-Fanschar“ auch beim 1. FC Magdeburg. © WAZ

Der 1. FC Magdeburg hat im Mai 1974 als einziger ostdeutscher Klub den Europapokal gewonnen. Ist Magdeburg mit Schalke vergleichbar?

Schalke ist eine Nummer größer. Zwar ist Magdeburg im Osten neben Union Berlin, Dynamo Dresden und Hansa Rostock ein absoluter Riese, aber Schalke hat eine doppelt so große Stadionkapazität und zählt zu den mitgliederstärksten Vereinen der Welt. Beim 1. FC Magdeburg steht die ganze Region hinter dem Klub. Es gibt viele kleine Sponsoren und mit Intel einen großen US-Chiphersteller, der seine Giga-Fabrik in Magdeburg baut. Sollte Intel sein Engagement ausweiten und ernst machen, sehe ich den 1. FC Magdeburg mittelfristig auf dem Weg in die Bundesliga. Der 1. FCM hat eine Riesen-Fanschar. Wenn du in Magdeburg das Flutlicht anknipst, dann kommen schon 10.000 Leute, um zu schauen, was da los ist. Und das ist dann wieder vergleichbar mit Schalke (lacht).

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