Gelsenkirchen. Schalke-Trainer Thomas Reis bereitet die Mannschaft auf Aufstiegs- statt Abstiegskampf vor. In Mittersill wird das klare Ziel wiederholt.
Jeder Tag in Mittersill beginnt für Thomas Reis mit Applaus. Natürlich für ihn, den Trainer des FC Schalke 04, der sich in den Kitzbüheler Alpen mit der Profimannschaft bis Sonntag auf die Zweitliga-Saison vorbereitet. Aber er selbst applaudiert auch – in Richtung Tribüne, wo sich mal 150, mal 250, mal noch mehr Schalker aufhalten, die genau beobachten, wie Reis sein Team antreibt.
Für Schalke und Thomas Reis hat sich die Rolle geändert
„Ich hatte schon vorher gehört, dass viele Schalker traditionell ihre Mannschaft begleiten“, sagte Reis zu Beginn des Trainingslagers. „Diese Unterstützung ist gigantisch. Das zeigt, was während der Saison möglich ist.“ Reis ist seit neun Monaten im Job, für ihn hat sich die Rolle nun geändert. Schalke war in der Rückrunde der Bundesliga-Saison in der Rolle des Jägers, der nichts zu verlieren hatte, mit Reis in der Rolle des ehrlichen Anführers, den die Fans am letzten Spieltag im Moment des Abstiegs aufrichtig und respektvoll feierten.
Nun ist das für den 49 Jahre alten Trainer anders: Schalke ist der prominenteste Klub der Zweiten Liga, hat schon jetzt den Heimbereich in allen Hinrunde-Spielen in der Arena ausverkauft, selbst das gegen No-Name-Aufsteiger SV Elversberg. Das ist normalerweise großer Druck, Reis und sein Team werden zum Gejagten. Weil sie ihr klares Ziel formuliert haben – und in Mittersill wiederholen.
Verändert das Reis und seine Ansprache? Start der Spurensuche am Samstagabend, unmittelbar nach dem ersten Training: Es blitzte, donnerte, regnete, alles völlig überraschend – nicht einmal Einheimische hatten dieses große Unwetter kommen sehen. Ein passendes Bild für die Unruhen, die auch während der Saison mal drohen. Pitschnass kam Reis zu einer Medienrunde. „Wir können nicht sagen: Wir schauen mal. Wir wollen in die Erste Liga zurückkehren. Das wird kein Selbstläufer. Wenn du der Gejagte bist, gibt es viele Jäger, die gut dastehen wollen. Jeder will gegen Schalke gewinnen, du musst da einfach besser sein“, sagte Reis. Klartext. Da hat er sich nicht geändert.
Spurensuche, zweiter Teil, am Sonntagvormittag, am zweiten Tag des Trainingslagers, diesmal bei österreichischer Sommerhitze. Nachfrage bei Gerald Asamoah. „Thomas ist geblieben, wie er ist“, sagte der Leiter der Lizenzspieler-Abteilung.
Zalazar und Cissé fehlen Schalke noch
28 Spieler hat Reis mit nach Mittersill genommen, lediglich der stark umworbene Rodrigo Zalazar (Infekt) und Ibrahima Cissé (Sonderurlaub nach U23-Afrika-Cup), fehlen noch. Beide sollen noch nachreisen, bei Zalazar entscheidet an diesem Montag der Arzt nach einer Untersuchung. Einer der 28 Spieler ist Abwehr-Routinier Marcin Kaminski. Eine besondere Ansprache würde die Mannschaft gar nicht benötigen: „Jeder von uns weiß, was auf ihn zukommt.“
Noch einmal Spurensuche, diesmal am Sonntagnachmittag. Die Sonne brannte immer noch, Schattenplätze waren bei den mitgereisten Fans heiß begehrt – auch bei Sportdirektor André Hechelmann. „Thomas hat wie immer wahnsinnig Energie auf dem Feld. Wir sind jeden Tag im Austausch, versuchen, unsere Gedanken zu teilen“, erklärte Hechelmann. Über Zugänge beraten sie täglich, immer noch steht ein Innenverteidiger ganz oben auf der Liste. Sepp van den Berg (FC Liverpool) ist verletzt, das Interesse abgekühlt.
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Aber klar ist: Jäger, Gejagter – Reis persönlich ist das völlig egal. Und so sind es nur die Trainingsinhalte, die sich deutlich unterscheiden. Das sagt zum Beispiel Kaminski: „Es geht nicht mehr ums Verteidigen, es geht nicht mehr um Konter – sondern um Ballbesitz, um Konterabsicherung.“ Am Sonntagnachmittag bat Reis zum ersten Mal zu einem Trainingsspiel Elf gegen Elf, dirigierte und kommentierte die Aktionen der Spieler, beinahe am Mittelpunkt stehend: Spielaufbau über den Torwart, eine weit aufrückende Abwehrkette im Ballbesitz, kurze Pässe in die Spitze, schnelle Abschlüsse – das will Reis während der Saison sehen. Auch Asamoah fordert das: „Wenn man sieht, wie wir in der Rückrunde der Bundesliga aufgetreten sind, kann das nur der Maßstab sein. Da haben wir mit vielen Erstligisten mitgehalten. Du musst attackieren.“
Sätze wie diese empfindet Reis nicht als unnötigen Druck, sondern als Ansporn. Genau wie den täglichen Applaus.