Essen. Schalke, Bochum, BVB: Neun Thesen zum Bundesliga-Saisonabschluss – mal todsicher zutreffend, aber auch mal mit einem Augenzwinkern.

Der letzte Spieltag der Fußball-Bundesliga ist spannend wie lange nicht. Im Meisterrennen entscheidet es sich zwischen dem BVB und dem FC Bayern, im Abstiegskampf kebbeln sich Schalke, Bochum und Stuttgart. Dazwischen geht es um den Europapokal und eine Kanone. Neun Thesen zum Bundesliga-Saisonabschluss – mal mit einem Augenzwinkern und mal ganz sachlich.

Den Elfer vergibt der BVB nicht mehr

Als Fan von Borussia Dortmund war man in den vergangenen Jahren gleichermaßen erfolgsverwöhnt (ständig Champions League!) wie gepeinigt: Wenn da mal die Chance auf den ganz großen Wurf, auf die Meisterschaft war, wurde sie verstolpert. Meist aus eigener Tollpatschigkeit, manchmal kamen Pech oder wundersame Schiedsrichterentscheidungen hinzu. Mal reichten neun Punkte Vorsprung nicht zum Titel, mal reichte eine Zwei-Tore-Führung in der Nachspielzeit nicht zum Sieg. Gegen Mainz aber wird nichts schiefgehen.

Trifft er auch im entscheidenden Spiel für den BVB? Sebastian Haller.
Trifft er auch im entscheidenden Spiel für den BVB? Sebastian Haller. © firo

Zu Hause ist der BVB eine Macht, die Mannschaft hat in den letzten Wochen bewiesen, wie sehr sie sich entwickelt hat. Sie spielt konstant ihr Spiel, bricht selten in Hektik aus, hält dem äußeren Druck stand. Dazu kommt: Mainz spielt schon seit Wochen, als sei die Saison vorbei – alles spricht für einen Heimsieg. (Sebastian Weßling)

Bayern schäumen: Frust als Antrieb

Der FC Bayern ist ganz unten. Zugegeben, wir reden am Ende über den zweiten Platz, aber für die Münchener wird sich der Blick auf feiernde Dortmunder anfühlen wie für andere der Abstieg. Jeder, der sich ein bisschen Meister-Abwechslung gewünscht hatte, sollte diesen Moment genießen – denn er wird so schnell nicht wiederkommen. Die Bayern sind verunsichert, angeschlagen, wütend – und daraus werden sie die Motivation ziehen, in den kommenden Jahren wieder zu dominieren. Blicken wir nur zurück auf das Jahr 2012: ebenfalls ein titelloses.

Doch statt des Einläutens einer Zeitenwende sah es im Folgejahr Münchener Tripple-Sieger und bis heute eine Bundesliga-Dominanz mit zehn Meisterschaften in Folge. Aus dem Jahr der schlimmsten Niederlagen erwuchs die erfolgreichste Dekade der Klubgeschichte. Damals musste Sportdirektor Christian Nerlinger gehen, für ihn kam Matthias Sammer. Vielleicht erwischt es nun Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic. Eins aber ist sicher: Wenn Dortmund feiert, wird in München für kommende Titel-Partys geplant. (Björn Goldmann)

Bayern-Profi Joshua Kimmich ist frustriert - erwächst aus diesem Frust eine neue Dominanz.
Bayern-Profi Joshua Kimmich ist frustriert - erwächst aus diesem Frust eine neue Dominanz. © Getty

BVB jubelt gegen Mainz - und in Köln wird noch gespielt?

Abpfiff, 2:2 gegen Mainz, reicht für die Borussia. Platzsturm, sogar Wolff-Christoph Fuss und Frank Buschmann rennen von ihren Kommentatorenplätzen hinunter und stehen nun zur Deutschen Meisterschaft im Brüllen auf Dortmunds Rasen. „Es ist zu Ende in Köln, der BVB ist Meister“, schreien sie Hans-Joachim Watzke an, der für einen Moment nicht mehr wegen des geplatzten DFL-Investoreneinstiegs traurig ist. Champion ist nur der BVB, elf Jahre nach Kloppo knuddelt Aki nun Edin ab. Doch: In Köln wird noch gespielt? 1:1 beim FC gegen die Bayern.

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Dann das: Video-Assistent, ein Foul an Thomas Müller? Münchens perfider Meisterplan: Brazzo Salihamidzic hat Uli Hoeneß eine falsche Anfahrtsbeschreibung gegeben, statt in Müngersdorf sitzt der FCB-Patron im Kölner Keller den Video-Schiedsrichtern im Nacken. Zeitlupen in Endlosschleifen, ein Hoeneß’sches Großpaket Bratwürstchen bringt die Entscheidung: Elfmeter, 2:1. Schalke war Vier-Minuten-Meister, der BVB ist Neun-Minuten-Meister. Mitgefühl, echte Liebe für die Meister der Schmerzen? Nicht bei Hoeneß: „Eure Scheiß-Meisterschaft, da seid ihr doch für verantwortlich und nicht wir.“ (Andreas Berten)

Streich krönt mit Freiburg sein Lebenswerk

Historisches wird am letzten Bundesliga-Spieltag geschehen, denn entweder Union Berlin oder der SC Freiburg ziehen in die Champions League ein. Ein Novum wäre es für beide Klubs. Punktgleich sind sie, doch die Köpenicker haben den leichten Vorteil der vier Tore besseren Differenz im Vergleich zum Sportclub. Beide Klubs eint, dass sie seit einigen Jahren arrivierten Bundesligisten zeigen, wie erfolgreiche Arbeit funktionieren kann.

Freiburg-Trainer Christian Streich (links) mit seinem Stürmer Nils Petersen, der sein letztes Spiel für Freiburg bestreiten wird.
Freiburg-Trainer Christian Streich (links) mit seinem Stürmer Nils Petersen, der sein letztes Spiel für Freiburg bestreiten wird. © dpa

Kontinuität ist das Stichwort, in Berlin ist Urs Fischer seit fast fünf Jahren am Werk, Christian Streich hält in Freiburg die Zügel gar seit mehr als elf Jahren in der Hand. Am Samstag wird er sein Lebenswerk vorerst krönen – Union stolpert gegen Bremen, Freiburg gewinnt derweil bei der Frankfurter Eintracht, die mit dem Kopf schon im Pokalfinale ist. Und im Herbst sucht dann der FC Barcelona die Dreisam auf der Landkarte. (Hendrik Niebuhr)

Von Retorte zu Retorte: Leverkusen hofft auf Leipzig

Aus eigener Kraft kann sich Bayer Leverkusen am letzten Spieltag nicht mehr für die Europa League qualifizieren. Neun Punkte liegt die Werkself hinter dem fünften Tabellenrang zurück. Hoffnungen des VfL Bochum auf einen milde gestimmten Gegner am Samstag sind allerdings vergebens, denn es gibt ein Hintertürchen für Leverkusen: Sollte RB Leipzig das DFB-Pokalfinale gewinnen, würde auch Bayers aktuelle Position zur Teilnahme an dem Wettbewerb berechtigen.

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Daher wird Leverkusen alles dafür tun, den sechsten Platz vor dem VfL Wolfsburg und Eintracht Frankfurt zu verteidigen und gegen die abstiegsbedrohten Bochumer sicher nicht in den Schongang schalten. Danach heißt es Daumen drücken für Leipzig im Pokal – vielleicht hilft ja ein Retortenklub dem anderen… (Erik Asmussen)

Die Kanone geht nach Bremen

Alles auf Lücke, heißt es am Samstag bei Werder Bremen. Die Mannschaft bringt bei Union Berlin so viele Bälle wie möglich auf Niclas Füllkrug, damit der Nationalstürmer mit der markanten Zahnlücke seine Führung in der Torjägerliste ins Ziel und die Kanone an die Weser bringen kann. Ein Treffer gelingt ihm zwar nicht mehr, Torschützenkönig ist er dennoch. 16 Tore (fünf davon durch verwandelte Elfmeter) hat er dann in dieser Saison geschossen – noch nie hat ein Spieler mit so wenigen Treffern gewonnen.

Wird er Torschützenkönig? Bremens Niclas Füllkrug.
Wird er Torschützenkönig? Bremens Niclas Füllkrug. © dpa

Der 30-Jährige hat Glück, dass er nicht noch auf den letzten Metern von Serge Gnabry (15) abgefangen wird – denn für die Bayern trifft beim 1:1 in Köln nur Thomas Müller. So unterbietet Füllkrug den bisherigen Negativrekord von Fredi Bobic (1995/96) sowie Roland Wohlfahrth und Thomas Allofs (1988/89), die mit jeweils 17 Treffern gewonnen hatten. Wehmütig geht der Blick zu Sebastien Haller. In 18 Spielen erzielte der Dortmunder neun Tore. Mit wie vielen Treffern er wohl Niclas Füllkrug hinter sich gelassen hätte, wenn ihn nicht Anfang der Saison eine Krebserkrankung aus dem Spiel genommen hätte? (Melanie Meyer)

Matarazzo lacht sich ins Fäustchen

Der VfB Stuttgart wog sich nach dem letztwöchigen 4:1 in Mainz eigentlich schon in Sicherheit. Doch da haben die Schwaben die Rechnung ohne Schalke, Bochum und ihren Ex-Trainer Pellegrino Matarazzo gemacht. Denn das 0:1 des VfB gegen die TSG Hoffenheim wird eine sehr, sehr bittere Niederlage für Stuttgart werden. Nach den Siegen von Schalke (1:0 in Leipzig) und der Nullnummer des VfL Bochum gegen Bayer Leverkusen muss Stuttgart mal wieder – das dritte Mal in sechs Jahren – in die 2. Bundesliga runter.

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Ausgerechnet Matarazzo, der nach knapp drei Jahren Ende 2019 als VfB-Trainer entlassen wurde, wechselt den Hoffenheimer Sieg in der 90. Minute ein. Ihlas Bebou schießt das 1:0 für die TSG und den VfB in die 2. Liga. Matarazzo wird sich wohl denken: Rache ist süß. Krystian Wozniak

Riemann wird der Retter des VfL Bochum

Herzschlag-Finale beim VfL Bochum: Das bislang torlose Spiel gegen Leverkusen ist am Samstag um 17.25 Uhr noch nicht vorbei. Stuttgart? Gerettet. Augsburg? Bleibt auch in der Bundesliga. Und Schalke? Hat 1:1 in Leipzig gespielt. Bochum muss noch um Platz 16 bangen. Denn ein mögliches Handspiel im VfL-Strafraum wird minutenlang am Bildschirm überprüft. Dann die Entscheidung: Strafstoß! Bochum zittert, ein Gegentor würde den direkten Abstieg bedeuten. Exequiel Palacios schießt, Torwart Manuel Riemann hält − und wird zum Helden. Schalke muss runter, Bochum bekommt noch eine Chance in der Relegation.

Gehalten: Torwart Manuel Riemann soll den VfL Bochum retten.
Gehalten: Torwart Manuel Riemann soll den VfL Bochum retten. © firo

Am 5. Juni kommt es dann in Hamburg nach Verlängerung zum Elfmeter-Showdown. Riemann pariert drei. Sichert Bochum die Klasse. Schreibt damit VfL-Geschichte. Wäre doch alles so denkbar, oder? (Nils Balke-Barton)

Ein Torwart als schalkiger Held

Ein Begriff ist in Gelsenkirchen vor ein paar Jahren zum Modewort geworden: Immer wenn jemand unerwartet scheitert, etwas eigentlich komplett Unmögliches oder Wahnwitziges schafft, ist das „schalkig“. Vor allem, natürlich, wenn es um den FC Schalke 04 selbst geht. Was wäre denn das schalkigste Saison-Finale mit einem Happy End in Königsblau? Der Spieltag würde beginnen mit zwei schnellen Toren – die Konkurrenten Stuttgart (gegen Hoffenheim) und Bochum (gegen Leverkusen) führen früh mit 1:0, beide Tore fallen nach Innenpfosten-Schüssen.

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Zudem erhalten die Gegner früh je zwei Platzverweise. Schalke aber vergibt Chance um Chance um Chance. Dann, in der jeweils zwölften Minute der Nachspielzeit, fällt zuerst in Stuttgart der Ausgleich, dann in Bochum – nach umstrittenem Videobeweis. Und in Leipzig stürmt S04-Torwart Ralf Fährmann mit nach vorn und köpft das Tor zum Klassenerhalt. (Andreas Ernst)