Gelsenkirchen. Im Interview spricht Sepp van den Berg über seine verborgenen Talente, Höhepunkte auf Schalke und er vergleicht Thomas Reis mit Jürgen Klopp.

„Wir bleiben erstklassig!“ Dieser Slogan ist in Gelsenkirchen aktuell auf zahlreichen Plakaten zu lesen. Vor dem Heimspiel von Schalke 04 gegen Eintracht Frankfurt an diesem Samstag (15.30 Uhr/Sky) wurden die Plakate auch rund um die Arena erneuert – mit einem Foto, das Sepp van den Berg in Jubelpose zeigt.

Der 21 Jahre alte Niederländer zählte in den vergangenen Wochen zu den stärksten Profis von Schalke 04 und ist nach leichter Rippenverletzung fit für das Spiel gegen die Hessen, wie er der WAZ erzählt. Im Interview spricht van den Berg über seine verborgenen Talente, emotionale Höhepunkte auf Schalke und seine Erfahrungen beim FC Liverpool unter Jürgen Klopp.

Sepp van den Berg, Sie gelten als leidenschaftlicher Koch. Was ist Ihr bestes Gericht?

Sepp van den Berg: (grinst) Wenn meine Freundin zu Besuch ist, mache ich meistens Pasta. Wenn ich für mich koche, probiere ich jeden Tag etwas anderes aus. Sehr gut ist mein Steak mit Kartoffelpüree und Gemüse. Gern koche ich auch niederländische Gerichte.

Welches deutsche Gericht mögen Sie am liebsten?

Van den Berg: Das ist eine einfache Frage: Bratwurst! (lacht) Wirklich lecker.

Woher kommt Ihr Interesse am Kochen?

Van den Berg: Schon mit 17 Jahren bin ich nach England gezogen und habe allein gewohnt, musste mich selbstständig um Alltagsdinge wie Einkaufen, Waschen und Kochen kümmern. Ich hatte also keine andere Wahl, als mir mein Essen selbst zu machen – und es hat mir von Tag zu Tag mehr Spaß gemacht. Beim Kochen mache ich Musik an, singe mit, tanze ein bisschen und kann entspannen.

Haben Sie andere versteckte Talente?

Van den Berg: Wirklich gut bin ich nicht, aber vor zwei Jahren habe ich mir ein Keyboard gekauft und spiele immer mal wieder. Mit einer App habe ich mir das halbwegs selbst beigebracht. Als ich jünger war, habe ich Schlagzeug gespielt, irgendwann will ich auch lernen Gitarre zu spielen. Ansonsten probiere ich mich seit neustem als Golfer. An freien Tagen spiele ich manchmal mit meinem Vater.

Schalkes Innenverteidiger Sepp van den Berg im WAZ-Interview.
Schalkes Innenverteidiger Sepp van den Berg im WAZ-Interview. © Ingo Otto / FFS

Viele Dinge, um vom Fußball abzuschalten.

Van den Berg: Ich lebe den Fußball. Es ist mein Hobby und mein Beruf zugleich. Profi-Fußballer zu werden, war immer mein Traum und ich gebe alles dafür, mich als Fußballer zu verbessern. Ich bin oft schon früher auf dem Vereinsgelände. Aber wenn ich dann zu Hause bin, will ich auf andere Gedanken kommen – indem ich meinen Hobbies nachgehe oder auch mal mit meinem Bruder PlayStation spiele. So komme ich aus diesem Tunnel heraus, immer nur daran zu denken, wie wichtig es ist, das nächste Spiel zu gewinnen. Ich bin ein Kopfmensch und kann so mit dem Druck besser umgehen.

Das Heimspiel gegen Frankfurt am Samstag ist extrem wichtig für den Verein. Spüren Sie noch mehr Druck als ohnehin schon?

Van den Berg: Wir haben in der Kabine darüber gesprochen und sind uns einig, dass wir als Mannschaft zuletzt immer unter Druck standen. Auch die Spiele gegen Hertha BSC, Werder Bremen oder Mainz waren Endspiele für uns – diese Spiele mussten wir gewinnen, um dranzubleiben. Wir kennen uns also mit Drucksituationen aus und haben bewiesen, dass wir damit umgehen können.

Die Fans planen am Samstag eine Choreografie in der ganzen Arena. Die Zuschauer im Oberrang werden blau tragen, der Unterrang weiß. Welchen Einfluss hat das auf die Mannschaft?

Van den Berg: In manchen Momenten können die Fans in der Arena wie ein zusätzlicher Spieler sein. Nehmen wir die Schlussphase im Spiel gegen Bremen, als wir lange 0:1 zurücklagen und dann doch noch gewonnen haben. Wir wurden extrem gepushed und für den Gegner wird es in solchen Situationen sehr schwer, weil der Druck enorm ist. Dieses Stadion ist unglaublich. Auch wegen der Fans sind wir zu Hause nur schwer zu schlagen.

Schalkes Innenverteidiger Sepp van den Berg im WAZ-Interview.
Schalkes Innenverteidiger Sepp van den Berg im WAZ-Interview. © Ingo Otto / FFS

Hätten Sie vor Ihrem Wechsel zu Schalke damit gerechnet, dass es hier derart emotional zugeht?

Van den Berg: Ich komme vom FC Liverpool, habe in Anfield gespielt, deshalb dachte ich: Mehr geht nicht, besser kann die Stimmung gar nicht sein. Aber dann bin ich auf Schalke gelandet, hier ist es noch einmal anders. Die Fans geben 90 Minuten lang alles, sind leidenschaftlich und leben den Verein. Selbst zu Auswärtsspielen begleiten uns jedes Mal Tausende – so etwas habe ich noch nie erlebt. Auch meine Freunde sind alle begeistert von der Stimmung in der Arena. Sie können gar nicht glauben, was hier abgeht.

Was war der emotionalste Moment Ihrer bisherigen Schalke-Zeit?

Van den Berg: Highlight war das Heimspiel gegen Bremen. Es war mein erstes Spiel nach der Verletzung, die in negativer Hinsicht ein emotionaler Moment war. Dann schieße ich kurz vor Schluss noch mein erstes Tor für Schalke. Diese Emotionen, die da aus mir herausgeplatzt sind, waren unglaublich. Auf den Fotos meines Jubels kann man ganz gut sehen, dass ich gar nicht realisieren konnte, was da passiert. Wenn ich sie sehe, muss ich jedes Mal über meinen Gesichtsausdruck lachen.

War es sogar der schönste Moment Ihrer bisherigen Karriere?

Van den Berg: Auf jeden Fall gehört das Tor zu den Highlights. Nie vergessen werde ich auch ein 5:5 im Pokalspiel mit Liverpool gegen Arsenal in Anfield. Erst nach Elfmeterschießen haben wir gewonnen – das als 17-Jähriger auf dem Platz mitzuerleben war besonders. Auch das Derby mit Schalke gegen Dortmund war ein Höhepunkt, es war das bisher bedeutendste Spiel meiner Karriere. Wichtig war aber natürlich auch mein Debüt für den FC Zwolle in der Eredivisie mit 16 Jahren.

Sie haben Ihre Knöchelverletzung erwähnt, wegen der Sie ein halbes Jahr pausieren mussten. Wie schwer war diese Zeit für Sie?

Van den Berg: Es war die erste große Verletzung meiner Karriere, es war fürchterlich. Ein paar Tage nach dem Augsburg-Spiel war mein Knöchel sehr dick. Trotzdem konnte ich anfangs nicht realisieren, dass ich monatelang ausfallen werde. Nach der Operation habe ich die Situation angenommen und dann hat mir die Reha sogar Spaß gemacht.

Schalke-Profi Sepp van den Berg (rechts) trifft WAZ-Reporter Robin Haack zum Interview in der Veltins-Arena.
Schalke-Profi Sepp van den Berg (rechts) trifft WAZ-Reporter Robin Haack zum Interview in der Veltins-Arena. © Ingo Otto /FFS

Warum?

Van den Berg: Ich habe jeden Tag hart gearbeitet, in der Reha alles gegeben und dann schnell Fortschritte gesehen. Mental sehr schwierig war dann aber als es nach einem ersten Einsatz für die U23 einen Rückschlag gab und ich wieder vier Wochen ausgefallen bin. Ich hatte mich so gut gefühlt und war dann nach einem Spiel schon wieder verletzt. Das war schrecklich. Doch das ist alles Vergangenheit. Ich bin froh, endlich wieder spielen zu können.

Sie sind noch bis Saisonende vom FC Liverpool ausgeliehen. Wie eng ist der Kontakt nach England aktuell?

Van den Berg: Ich bekomme regelmäßig Nachrichten. Besonders viele gab es nach den Spielen gegen Bremen und Mainz. Auch Co-Trainer Pepijn Lijnders hat mir gratuliert. Aber ich stehe jetzt nicht täglich mit Verantwortlichen aus Liverpool in Kontakt. In der Premier League geht es für den Club nach tollem Comeback noch um die Qualifikation für die Champions League.

Schalkes Innenverteidiger Sepp van den Berg.
Schalkes Innenverteidiger Sepp van den Berg.

Noch in der Saisonvorbereitung haben Sie unter Jürgen Klopp in Liverpool trainiert. Was haben Klopp und Ihr aktueller Trainer Thomas Reis gemeinsam?

Van den Berg: (überlegt lange) Wenn du einen deutschen Trainer hast, kannst du dir sicher sein, dass du in der Vorbereitung sehr viel laufen musst. Hier sind sich Thomas Reis und Jürgen Klopp sehr ähnlich. Beide sind streng mit ihren Spielern, aber sehr fair.

Klopp und Reis gelten beide als emotionale Trainer.

Van den Berg: Das ist doch toll. Sie leben ihre Leidenschaft für den Fußball und ihre Vereine offen aus. Das kann für eine enge Verbindung zwischen Trainer und Spielern sorgen. Jürgen Klopp umarmt seine Spieler immer wieder, ist für sie da, hat ein offenes Ohr. Deshalb wird er von all seinen Spielern gemocht.

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In Liverpool haben Sie auch mit Virgil van Dijk trainiert – Ihrem Landsmann und einem der besten Innenverteidiger überhaupt. Welche Ratschläge hat er Ihnen gegeben?

Van den Berg: Wenn du als 17-Jähriger plötzlich mit Virgil van Dijk, Joel Matip, Joe Gomez und Dejan Lovren trainierst, lernst du schon vom Zuschauen. Gut erinnere ich mich an ein Gespräch mit Mo Salah während meiner ersten Saison. Damals habe ich regelmäßig mit den Profis trainiert, war aber natürlich noch ein großes Stück von der Premier League entfernt. Salah sagte mir: „Du musst geduldig und fleißig bleiben, aber deine Zeit wird kommen. Wenn du weiter hart arbeitest, wirst du Chancen bekommen – die musst du nutzen.“ Genau das versuche ich. Geduld ist für einen jungen Spieler oftmals der Schlüssel.

Ihr Leihvertrag läuft zum Saisonende aus. Sie sagten bereits, dass Sie sich gut vorstellen könnten, ein weiteres Jahr auf Schalke zu bleiben. Warum passen Sie so gut hierher?

Van den Berg: Ich bin ein familiärer Typ und auf Schalke wurde ich sofort aufgenommen wie ein Familienmitglied. Das hat dafür gesorgt, dass ich mich schnell heimisch gefühlt habe. Ich komme hier mit jedem gut zurecht. Auch spielerisch passe ich gut hierher, das will ich in den letzten beiden Ligaspielen noch einmal beweisen.

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Wäre sogar ein Verbleib in der 2. Bundesliga vorstellbar?

Van den Berg: Mit den Verantwortlichen gab es schon erste Gespräche über einen Verbleib auf Schalke. Aber wir müssen abwarten. Am wichtigsten sind jetzt unsere letzten beiden Spiele. Im Sommer hoffe ich dann, bei der U21-Europameisterschaft dabei zu sein. Erst danach wird sich wohl entscheiden, wo ich in der kommenden Saison spiele – ähnlich lief es schon in den vergangenen drei Jahren.

Wie belastend ist diese Ungewissheit?

Van den Berg: In manchen Momenten ist es schwer und belastend, nicht zu wissen, in welchem Land ich in ein paar Monaten leben werde. Man möchte gern an einem Ort sesshaft werden. Wenn mein Stammverein Liverpool mir eines Tages sagen würde, ich könne bleiben und werde auch meine Einsätze bekommen, wäre es großartig, aber jetzt bin ich auf Schalke und möchte mit der Mannschaft unser Ziel erreichen, den Klassenerhalt. Nach Saisonende werde ich noch einmal in Liverpool sein, um über die nahe Zukunft zu sprechen.