Gelsenkirchen. Auch im Spiel beim FC Bayern ist Tom Krauß bei Schalke 04 eine entscheidende Figur. Er spricht über Kimmich, Kindheit, seine Zukunft und mehr.

Schon als Kind war Tom Krauß Fan des FC Schalke 04. Jetzt ist er 21 Jahre alt und vor dem Auswärtsspiel beim FC Bayern München (15.30 Uhr/Sky) eine Symbolfigur für die gegenwärtige Situation der Gelsenkirchener. Er ist ein leidenschaftlicher Fußballer mit großem Herz, einer, den die Fans lieben. Aber er ist einer, dessen Zukunft erheblich von einer Frage abhängt: Schafft Schalke den Klassenerhalt oder kommt es zum erneuten Abstieg in die 2. Bundesliga? Im Interview spricht er über Schalke, die Bayern, Tränen, Ungewissheiten – und Kindheitserinnerungen...

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Als Schalke zuletzt in der Bundesliga und im DFB-Pokal in München gewann, waren Sie 8 und 10 Jahre alt. Wie hat der kleine Grundschul-Tom-Krauß das erlebt?

Tom Krauß: Das kann ich zumindest im Fall des Sieges im DFB-Pokal genau sagen. Das Spiel habe ich zu Hause geschaut mit der Familie, das habe ich quasi live miterlebt. (schmunzelt) Es ist verrückt, dass es so lange her ist. Irgendwann muss man Serien brechen. Es wird brutal schwer und sicher ist, dass wir einen Sahnetag brauchen.

Sie spielen zum ersten Mal in der Allianz-Arena. Ist der Respekt größer als vor anderen Stadien?

Krauß: Ich habe natürlich davon geträumt, irgendwann mal dort zu spielen. Es ist schön, aber das hemmt mich nicht oder macht mich nervös. Unsere Fans werden auch in München wieder zahlreich sein und Stimmung machen. Ich freue mich auch, weil Kumpels von mir aus vergangenen Nürnberger Zeiten vorbeikommen.

Schalke-Profi Tom Krauß (l.) mit Reporter Andreas Ernst.
Schalke-Profi Tom Krauß (l.) mit Reporter Andreas Ernst. © FFS

Sie werden oft mit Joshua Kimmich verglichen. Er hat wie Sie in Leipzig gespielt, spielt eine ähnliche Position – finden Sie den Vergleich zulässig?

Krauß: Einige sagen, ich sehe ein bisschen so aus wie er – das weiß ich nicht, es ist lediglich eine Einschätzung von Kollegen und Kumpels. (schmunzelt) Ich persönlich finde den Vergleich weit hergeholt. Ich habe noch viel Entwicklungspotenzial, während Joshua Kimmich einer der besten Sechser, Achter auf der Welt ist. Auch wenn sich unsere Mentalität ähneln mag, ist unsere Spielart unterschiedlich.

Haben Sie parallel in Leipzig gespielt?

Krauß: Ich war noch in der Jugend, während er in der 3. Liga für Leipzig gespielt hat. Wir haben nicht zusammen trainiert, seinen Weg habe ich aber verfolgt.

Hat Schalke in diesem Jahr mehr Chancen in München als in anderen Jahren?

Krauß: Wir haben einen guten Lauf, weil wir mit den Fans interagieren, weil wir unser Herz auf dem Platz lassen. Wir wollen die Klasse halten und dafür auch in München punkten.

Schalke Klassenerhalt, Dortmund Meister – den Deal würden Sie eingehen?

Krauß: Wenn wir etwas in München holen sollten und Dortmund würde dadurch am Ende Meister werden, dann ist das eben so.

Gibt es einen richtigen Zeitpunkt, um gegen den FC Bayern zu spielen?

Krauß: Nein, den gibt es nicht. Haben die Bayern einen Lauf, wird es immer schwierig. Ob es der richtige Zeitpunkt ist, kommt vor allem auf uns an. Es ist extrem wichtig, wie wir als Mannschaft auftreten. Dass wir nicht hinfahren und über die Anzahl der möglichen Gegentore nachdenken. Sondern dass wir vor allem nach den vergangenen beiden Spielen mit Selbstbewusstsein antreten und sagen: Wir wollen etwas mitnehmen, auch wenn es schwer wird.

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Sie haben die beiden Last-Second-Siege angesprochen. Wie oft haben Sie sich das Video vom 3:2-Sieg in Mainz angeschaut?

Krauß: Sehr oft. Vor allem den Jubel nach den Toren, bei denen unsere Fans ausrasten. Das sind Momente, die habe ich in meiner Karriere noch nicht oft erlebt, ich habe sie zwei, drei Tage sehr genossen. Jetzt sind die Videos aber wieder auf Stand-by.

Sie haben ihr zweites Saisontor erzielt, zwischen den Treffern lagen sieben Monate. Sie haben da einige Chancen vergeben…

Krauß: Ich habe mit vielen Leuten geredet und angesprochen, dass ich torgefährlicher werden will. Ich habe zum Beispiel in den vergangenen Wochen viel Torschusstraining gemacht. Unser Co-Trainer Matthias Kreutzer hat mir Szenen gezeigt, wie ich treffen könnte. Das hat mich weitergebracht.

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Eine Woche vor dem Sieg in Mainz hat Sie der Jubel nach dem 2:1 gegen Bremen zu Tränen gerührt. Diese Bilder gingen durch Deutschland, weil sie die Leidenschaft, die Aufholjagd symbolisieren. Können Sie erklären, warum Sie geweint haben?

Krauß: Ich habe mir auch gedacht: Warum weinst Du jetzt? Es war für mich sehr ungewohnt. Es waren die extremen Emotionen. Wenn wir unentschieden gespielt oder verloren hätten, wäre es sehr schwer geworden im Kampf um den Klassenerhalt. Dann gewinnen wir, die Fans rasten aus, ich schaue hoch zu meiner Familie auf der Tribüne. Da kriege ich auch jetzt im Interview wieder Gänsehaut, wenn ich daran denke. Ich wollte als Kind immer Profifußballer werden – jetzt kann ich vor der Nordkurve spielen und Siege miterleben wie diesen. Ich kenne alle Lieder. Da kamen die Tränen. Und ich habe ihnen freien Lauf gelassen.

Ist Ihre Familie Stammgast im Stadion?

Krauß: Fast bei jedem Heimspiel, auch wenn das eine ordentliche Fahrt ist – sie wohnt schließlich in Leipzig. Sie bucht dann von Freitag bis Sonntag ein Hotel oder schläft bei mir. Es gibt mir Kraft, wenn meine Freundin und meine Familie im Stadion sind. Das ist für mich Gold wert.

Selbstbewusst: Schalke-Profi Tom Krauß.
Selbstbewusst: Schalke-Profi Tom Krauß. © Ingo Otto / FUNKE Foto Services

Sie saßen vor drei Wochen zum einzigen Mal bisher in dieser Saison auf der Bank – sagten aber später, die Pause hätte ihnen gut getan…

Krauß: Ich sitze nicht auf der Bank und sage dann: Super, dass ich draußen bin. Aber es war ein guter Zeitpunkt, denn bis dahin hatte ich alle Spiele von Beginn an gemacht, dazu kamen die U21-Länderspiele und Sprunggelenksprobleme. In dieser Phase habe ich ein, zwei Einheiten pro Woche weggelassen und bin in ein kleines Loch geraten. Das hat man vielleicht gemerkt. Danach habe ich dem Trainer gezeigt: Ich bin wieder da.

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Wie sind Sie mit Ihrer Saisonleistung zufrieden?

Krauß: Ich will das gar nicht selbst bewerten, das Wichtigste ist, was die Trainer sagen. Fußball ist ein Teamsport. Da kommt es nicht auf die Saisonleistung einzelner Spieler an, sondern die der Mannschaft.

Haben sich denn Ihre Erwartungen erfüllt? Schalke stand überwiegend auf einem Abstiegsplatz.

Krauß: Was die persönliche Spielzeit betrifft: Auf jeden Fall. Mein Ziel war es, so viel wie möglich zu spielen. Wenn mir einer vor der Saison gesagt hätte: Du machst von 30 Spielen 29 von Beginn an und kommst einmal rein, hätte ich gesagt: Ich unterschreibe, wo ist das Papier? Ich habe hier außerdem andere Emotionen als bei anderen Clubs, Schalke ist nun einmal mein Lieblingsverein. Es war auch deshalb der richtige Schritt für mich. Aus meiner Sicht ist wichtig, dass die Fans sagen: Er hat alles für unsere Farben getan. Wenn ich das erreicht habe, bin ich zufrieden. Als Teil dieser Mannschaft habe ich aber noch ein größeres Ziel: den Klassenerhalt.

Schalke war im Abstiegskampf über viele Monate der Jäger, als Mannschaft haben Sie oft gesagt: Es gibt nichts mehr zu verlieren. Jetzt sind Sie als Tabellen-15. der Gejagte. Hat sich in Ihrem Empfinden etwas geändert?

Krauß: Wir haben eine große Aufholjagd gepackt, waren nach der Hinrunde schon abgeschrieben. Hätte da jemand gesagt, Schalke hat 30 Punkte nach 31 Spieltagen und ist noch im Rennen, hätten das nicht viele geglaubt. Die Chance, die wir jetzt haben, wollen wir nutzen. Wir haben etwas Großes zu gewinnen.

Szene aus dem Hinspiel: Der Schalker Tom Krauß (rechts) versucht, Bayerns Leroy Sané mit allen Mitteln zu stoppen.
Szene aus dem Hinspiel: Der Schalker Tom Krauß (rechts) versucht, Bayerns Leroy Sané mit allen Mitteln zu stoppen. © firo

Das letzte Saisonspiel steht in zwei Wochen in Ihrer Heimatstadt Leipzig bei Ihrem Heimatverein RB an. Haben Sie dafür schon Karten-Anfragen von Familie und Freunden?

Krauß: Klar. Das ist eine sehr besondere Situation. Gegen Leipzig kann sich alles entscheiden, hoffentlich in die Richtung, dass wir die Klasse halten. Ich hoffe, dass wir eine Party feiern können – so wie nach dem Aufstieg vor einem Jahr. Die habe ich damals als Spieler des 1. FC Nürnberg miterlebt.

Wenn es schief geht, stehen Sie ab 1. Juli wieder in Leipzig unter Vertrag, weil die Schalker Kaufpflicht nur im Falle des Klassenerhalts greift. Gibt es da Kontakte?

Krauß: Ich habe derzeit keinen Kontakt. Ich will in der kommenden Saison mit Schalke in der Bundesliga spielen.

Ihre Zukunft ist oft Bestandteil vieler Transfer-Updates aller Medien in Deutschland. Was macht das mit Ihnen? Können Sie es sich erlauben, nicht mit anderen Klubs zu reden?

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Krauß: Ich kriege das mit, aber es ist mir egal. Ich bin im Hier und Jetzt. Nach der Saison kann ich mich um alles Weitere kümmern.

Haben Sie sich mit 21 Jahren schon an dieses Profigeschäft gewöhnt? Sie spielen einerseits für Ihren Lieblingsverein, auf der anderen Seite können Sie das vielleicht bald nicht mehr.

Krauß: Eine solche Situation will ich nicht oft erleben, das habe ich auch meiner Familie gesagt. Umso wichtiger ist, dass auch meine Familie die Lage wie ich einschätzt und mir immer sagt, ich solle alles drumherum vergessen. Sonst könnte ich nur 80 Prozent geben. Für mein Spiel brauche ich aber 100.

Sie haben die Party aus dem Vorjahr nach dem vollbrachten Aufstieg angesprochen – einen Aufstiegsheld haben Sie kürzlich bei einem Konzert kennengelernt. Haben Sie mit Darko Churlinov, dessen Rückkehr im Gespräch ist, gesprochen?

Krauß: Ehrlich gesagt nicht. Wir waren mit mehreren Leuten bei einem Konzert und haben das genossen. Bin ich auf Schalke, rede ich nur über Fußball. Bin ich bei einem Konzert oder mit meiner Freundin und der Familie zusammen, gibt es andere Themen.

Churlinov und Krauß zusammen auf Schalke in der Bundesliga…

Krauß: … da würde ich nicht Nein sagen. Ein cooler und verrückter Typ ist er auf jeden Fall. Aber das ist die Sache des Vereins.