Gelsenkirchen. Schalke tritt am Sonntag in Freiburg an. Der einst kleine Klub ist S04 inzwischen enteilt. Bezeichnend ist ein Blick auf das Eigenkapital.
Allein dieser Satz wäre so vor wenigen Jahren nicht gefallen. „Ich habe keinerlei Bedenken, dass einer denkt, das könnte einfach werden.“ Gesagt hat das Christian Streich, der Trainer des SC Freiburg. Vor einem Spiel gegen den FC Schalke 04 (Sonntag, 15.30 Uhr/DAZN). Es gab viele Jahre, sogar Jahrzehnte, in denen nur Königsblaue so etwas formuliert hätten – vom Vorstand bis zum Fan. Jetzt ist Freiburg Fünfter und Schalke Vorletzter. Doch wie konnte das passieren? Wie konnte sich das Bild in so kurzer Zeit so umkehren?
Schalke: Peter Knäbel kennt sich in Freiburg aus
Die Spurensuche beginnt bei Peter Knäbel. Schalkes Sportvorstand kennt sich in Freiburg bestens aus – seinen Hauptwohnsitz hat Knäbel immer noch in Solothurn in der Schweiz, von dort sind es nur 135 Kilometer bis nach Freiburg. Während seiner Zeit beim FC Basel schaute Knäbel oft beim deutschen Nachbarn vorbei.
Als Knäbel neulich über die Nachfolge des zurückgetretenen Sportdirektors Rouven Schröder sprach, sagte er: „Kontinuität brauchen wir unbedingt. Am Beispiel SC Freiburg sieht man ja, wo man hinkommt, wenn man das über ein paar Jahre seriös macht.“ Die Spurensuche geht weiter bei Axel Hefer, dem Aufsichtsrats-Vorsitzenden der Schalker, hauptberuflich Chef des Reiseunternehmens Trivago. Hefer äußerte sich ähnlich, fast schon neidisch: „Es immer wieder Beispiele dafür, wie es mit systematischer und geduldiger Arbeit ganz nach oben in der Tabelle gehen kann.“ Ein Beispiel laut Hefer: der SC Freiburg.
Doch ist das so?
Der einfachste Blick ist der auf den Cheftrainer. Seit dem 2. Januar 2012 ist Christian Streich Trainer des SC Freiburg, da war S04 Champions-League-Dauergast. Selbst bei einem zwischenzeitlichen Abstieg in die Zweite Liga (2014/15) wurde Streich nicht infrage gestellt – als Meister kehrte der SC direkt in die Bundesliga zurück. „Ich schätze ihn ohne Ende“, sagte Thomas Reis über seinen Kollegen. Reis ist übrigens in dieser Zeitspanne bereits der 13. Schalke-Cheftrainer – dazu kommen drei Interimstrainer. Im Kontinuitätsvergleich: 1:0 für Freiburg.
Und der Kader? Zehn Spieler stehen in Freiburg unter Vertrag, die seit mindestens Juli 2019 das SC-Trikot tragen. Schalke hat zwei Langzeitbeschäftigte: die Torhüter Ralf Fährmann und Michael Langer. Klare Sache: 2:0 für Freiburg.
Weit über dem Strich: Wo Schalke in der "Reis-Tabelle" steht
Im Vorstand hat beim SC Freiburg seit Oktober 2014 Jochen Saier das Sagen – er verrichtet seine Arbeit so unaufgeregt, dass er ein Spiel in der Nordkurve verfolgen könnte, ohne erkannt zu werden. Achteinhalb Jahre macht Saier seinen Job – Schalke verschliss in dieser Zeit Horst Heldt, Christian Heidel und Jochen Schneider. Knäbel ist der vierte Sportvorstand, der sich an ein wenig Kontinuität versucht. Klarer 3:0-Sieg für den SC Freiburg.
Schalke hat einen Schuldenberg, SC Freiburg viel Eigenkapital
Die Freiburger haben inzwischen 95 Millionen Euro Eigenkapital – die Schalker 108 Millionen Euro negatives Eigenkapital. Trennten die Klubs 2012 im Gesamtumsatz noch 140,8 Millionen Euro, sind es elf Jahre später nur noch rund 42 Millionen Euro. „Wenn du jetzt vom SC weggehst – als Spieler, der viel spielt – dann muss was Besonderes passieren. Sportlich gibt’s nicht so viele Argumente“, sagt Streich. Kontinuierliche Arbeit, ein sehr guter Trainer – nicht nur diese beiden Gründe werden auf Schalke angeführt, wenn es um die Unterschiede geht. Es gebe keinen medialen Druck in Freiburg, heißt es häufig, auch das Umfeld würde nicht so schnell verrückt spielen.
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„Sie sind über Jahre gewachsen“, lautet Reis’ Erklärung für den Unterschied. „Man sagt immer: Das beschauliche Freiburg, alles ist toll. Die 90 Minuten sind nicht immer toll.“ Verspricht auch Streich: „Wir werden alles reinhauen. Da kann sich jeder drauf verlassen