Gelsenkirchen. . Schalke-Verteidiger Marcin Kaminski ist nach langer Leidenszeit wieder gefragt bei den Königsblauen. Im Interview spricht er über seine Zukunft.
Besser hätte sich Marcin Kaminski in der Bundesliga nicht zurückmelden können. Beim 5:2-Sieg von Schalke 04 gegen Hertha BSC stand der 31 Jahre alte Pole erstmals seit August 2022 wieder in der S04-Startelf – und er lieferte ab: mit guter Leistung und Freistoßtor.Im WAZ-Interview erklärt der Innenverteidiger des FC Schalke 04 seine Freistoßtechnik und spricht über seine lange Leidenszeit, den Abstiegskampf mit Schalke sowie über seine schwierige Zukunftsplanung.
Marcin Kaminski, wer ist für Sie der beste Freistoßschütze der Geschichte?
Marcin Kaminski: Juninho Perambucano. Er hat so viele Tore gemacht, gefühlt war bei ihm fast jeder Freistoß gefährlich. Seine Schusstechnik war genial.
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Haben Sie sich an Juninhos Technik orientiert?
Kaminski: Ich habe meine eigene Technik. Als ich jung war, habe ich erst versucht, Freistöße mit der Innenseite zu schießen wie David Beckham oder Ronaldinho, aber das lag mir nicht so. Besser hat es bei mir mit Flatterbällen geklappt – ein bisschen wie Cristiano Ronaldo oder Gareth Bale mit dem linken Fuß. Ziel dabei ist, dass der Ball sich stark senkt, nachdem er über die Mauer geflogen ist. Beim VfB Stuttgart im Training haben die Jungs gesagt, ich schieße wie Bale. (lacht)
Gegen Hertha BSC haben Sie erstmals in der Bundesliga per Freistoß getroffen. Was ging in Ihnen vor, als Sie gemerkt haben, dass der Ball tatsächlich reingeht?
Kaminski: Vor dem Spiel gegen Hoffenheim haben Bülti und ich aus genau dieser Position heraus Freistöße trainiert und gegen Hertha habe ich ihm sofort gesagt: „Den Ball nehme ich“. Ich hatte das Gefühl, dass es klappen kann, und es lief perfekt. Es war mein erstes Bundesligator, zuvor habe ich lange nicht gespielt, daher war es ein ganz besonderer Moment für mich.
Wie oft haben Sie sich Ihr Tor seitdem angeschaut?
Kaminski: Oft – da bin ich ehrlich. (lacht) Viele Fans haben mir Videos von meinem Tor geschickt, die sie im Stadion aus verschiedenen Winkeln aufgenommen haben – und ich habe sie alle geschaut.
Sie haben getroffen und ein gutes Spiel gemacht. Viel besser hätten Sie sich in der Bundesliga nicht zurückmelden können.
Kaminski: Das war wichtig für mein Selbstvertrauen. Seit August habe ich nicht mehr in der Startelf gestanden, hatte erst eine langwierige Verletzung und dann nach der Winter-Vorbereitung gesundheitliche Probleme, die mich zurückgeworfen haben. Die komplette Saison hatte ich keinen Rhythmus, habe aber auf meine Chance gehofft – und jetzt konnte ich zum Glück zeigen, dass ich da bin, wenn man mich braucht.
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Wegen einer Schnittwunde am Unterschenkel haben Sie fast die komplette Hinrunde verpasst. Was genau ist da passiert?
Kaminski: Darüber möchte ich nicht mehr sprechen – es ist einfach blöd gelaufen. Als der Unfall passiert ist, dachten wir alle, ich wäre vielleicht zwei, drei Wochen raus. Doch es hat leider viel länger gedauert.
Wie schwer war diese Zeit mental für Sie?
Kaminski: Es war eine schwere Zeit, denn die Verletzung passierte fast zeitgleich mit dem Wechsel von Malick Thiaw zum AC Mailand. Ich hätte also die Chance gehabt, in der Bundesliga zu spielen – doch ich war verletzt. Die Verletzung hat mich auch die Teilnahme an der Weltmeisterschaft gekostet. Die Chance, mit Polen zur WM zu fahren, war da. Das tut noch immer weh. Das alles zu verarbeiten, ist nicht einfach. Aber auch das gehört zum Fußball.
Als Sie während der Hinrunde verletzt waren, mussten Sie mit ansehen, wie Schalke reihenweise Spiele verloren hat.
Kaminski: In solch schwierigen Phasen nicht helfen zu können, ist für einen Fußballer ein Albtraum.
Jetzt können Sie wieder mithelfen – doch gut sind die Aussichten in der Bundesliga trotzdem nicht. Was stimmt Sie optimistisch, dass Schalke der Klassenerhalt noch gelingt?
Kaminski: Wir haben die nötige Qualität und auch Mentalität, um in der Bundesliga zu bestehen. Nach der 1:6-Niederlage in Leipzig hat fast niemand mehr an uns geglaubt, aber wir haben uns zurückgekämpft. Jetzt haben wir es selbst in der Hand, die Klasse zu halten – es liegt nur an uns Spielern. Alles ist möglich.
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Wie viele Punkte brauchen Sie noch, um in der Liga zu bleiben?
Kaminski: (überlegt) Der Kampf um den Klassenerhalt ist in dieser Saison so verrückt. Einige Mannschaften stecken noch unten drin, da ist es unmöglich vorherzusagen, wie viele Punkte wir noch brauchen. Klar ist aber: Wir müssen noch Spiele gewinnen und Punkte holen, am besten schon in Freiburg.
Gegen Hertha BSC standen sieben Aufstiegshelden in der Startelf. Wie wichtig ist diese Erfahrung in der entscheidenden Saisonphase?
Kaminski: Der Trainer hat sich bewusst dafür entschieden, in dem Spiel auf die erfahrenen Spieler zu setzen – und wir haben einen Teil der Verantwortung übernommen. Jungs wie Danny, Simon oder ich haben gezeigt, dass wir bereit sind, obwohl wir zuletzt nicht so viel gespielt haben. Es hat uns gutgetan, dass wir Spieler auf dem Platz hatten, die auch auf Schalke schon durch schwierige Phasen gehen mussten – denn auch in der 2. Bundesliga sah es für uns zwischenzeitlich nicht so gut aus. Aber trotzdem haben wir den Aufstieg geschafft. Vielleicht war es für uns deshalb ein bisschen einfacher, mit dem Druck umzugehen.
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Obwohl Sie Leistungsträger in der Aufstiegsmannschaft waren, wurde schon vor der Saison wenig über Sie gesprochen. Haben Sie manchmal das Gefühl, auf Schalke unterschätzt zu werden?
Kaminski: Manchmal schon, da bin ich ehrlich. Ich habe mich schon bei Stuttgart und Düsseldorf in der Bundesliga bewiesen. Trotzdem hieß es immer wieder, ich sei zu langsam. Es gibt in der Bundesliga nicht nur Top-Sprinter. Klar, ich bin nicht so dynamisch wie andere, doch das ist im Fußball nicht alles. Auch Stellungsspiel, Erfahrung und Cleverness sind für einen Verteidiger wichtig. Gegen Hertha habe ich gezeigt, dass ich in der Bundesliga mithalten kann.
Ihr Vertrag läuft im Sommer aus. Haben Sie das Gefühl, sich jetzt besonders zeigen zu müssen?
Kaminski: Klar denke ich auch über meine Zukunft nach, aber an erster Stelle steht der Klassenerhalt mit Schalke 04 – das ist das große Ziel von uns allen. Für mich ist es wichtig, dass ich jetzt wieder spielen darf und mich zeigen kann. Nur so kann ich die Verantwortlichen von meinen Qualitäten überzeugen.
Sie sind verheiratet und haben zwei Kinder. Wie sehr belastet Ihre komplette Familie die unklare Zukunft?
Kaminski: Natürlich fragt meine Familie, ob wir bleiben können oder noch einmal umziehen müssen. Aber meine Frau wusste, worauf sie sich einlässt, als sie mich geheiratet hat. (grinst) Keine Planungssicherheit zu haben, ist eine Schattenseite des Lebens als Profifußballer. Auch für meine Kinder ist das nicht immer einfach. Es wäre super, Gewissheit zu haben, aber ich war lange verletzt, da kann ich es verstehen, dass der Verein die Entscheidung erst später trifft.
Aber Sie würden gern auf Schalke bleiben?
Kaminski: Auf jeden Fall, meine Familie und ich fühlen uns total wohl. Meine Tochter geht hier in den Kindergarten, spricht Deutsch und hat Freunde gefunden, auch mein Sohn versteht inzwischen schon vieles. Sehr gern würden wir alle hierbleiben.
Sie sind jetzt 31 Jahre alt. Welche Träume wollen Sie sich in Ihrer Profikarriere noch verwirklichen?
Kaminski: Ich will gesund bleiben – und mit meiner Familie glücklich sein, dort wo ich bin. Ich hatte schon genug Verletzungen in meiner Karriere, und jetzt will ich nur noch spielen.
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In Polen hoffen einige Fans darauf, dass Sie noch einmal zu Lech Posen zurückkehren. Ist das realistisch?
Kaminski: Bei Lech Posen wird aktuell viel spekuliert, weil Innenverteidiger Bartosz Salamon einen positiven Dopingtest hatte und jetzt nicht mehr spielen darf. Von einigen Experten wurde ich als ein möglicher Ersatz genannt, mehr steckt nicht dahinter. Ich persönlich habe das Gefühl, meine Zeit in Deutschland ist noch nicht vorbei