Essen. Timon Wellenreuther kann mit Feyenoord Rotterdam noch alle drei Titel gewinnen. Der ehemalige Schalker drückt seinem Ex-Klub noch die Daumen.
Nick van Crooij hätte Sparta im Stadtderby von Rotterdam am vergangenen Sonntag in Führung bringen können, doch Timon Wellenreuther hatte etwas dagegen: Der ehemalige Schalke-Torhüter parierte beim Stand von 1:1 einen Strafstoß unmittelbar vor der Pause. Im zweiten Durchgang erzielte Feyenoord zwei Treffer, gewann 3:1 und baute den Vorsprung in der Eredivisie auf acht Punkte vor dem Zweitplatzierten Ajax Amsterdam aus.
Sieben Spieltage vor dem Saisonende steuert der Arbeiterverein aus der niederländischen Hafenstadt auf die erst zweite Meisterschaft in diesem Jahrtausend zu. Doch das muss es noch gar nicht gewesen sein: Im Pokal-Halbfinale spielt Feyenoord heute Abend (20 Uhr) im „Klassieker“ gegen Rivale Ajax, in der Europa League geht es im Viertelfinale gegen die von José Mourinho trainierte AS Rom. Greift Feyenoord etwa nach dem Triple?
„Wir wollen nicht träumen“, sagt Wellenreuther im Gespräch mit dieser Redaktion. Dennoch: Eine derartige Saison hat der 27-Jährige in seiner Karriere auch noch nicht erlebt, als „einzigartig“ bezeichnet er den Lauf des Teams – an dem er mittlerweile großen Anteil hat. Als der gebürtige Karlsruher im Sommer auf Leihbasis vom RSC Anderlecht zu Feyenoord wechselte, war sein Status als Nummer zwei klar. Stammkraft Justin Bijlow (25) gehört zu den besten Torhütern der Niederlande, stand bei der WM in Katar im Kader des damaligen Bondscoachs Louis van Gaal.
Stammtorwart Justin Bijlow fehlt wochenlang
Aufgrund eines gebrochenen Handgelenks fehlt Bijlow allerdings seit Anfang Februar. Wellenreuther rückte zwischen die Pfosten, in der Zeit holte der Klub in zwölf Pflichtspielen bemerkenswerte zehn Siege und zwei Unentschieden. Weil Bijlow auch in den Vorjahren regelmäßig verletzt ausgefallen war, hatte Wellenreuther bei seinem Wechsel „ein bisschen geschielt“, dass er im Laufe der Saison seine Chance erhält. „Der Plan ist aufgegangen“, sagt er. Bijlow ist inzwischen wieder im Training – wann er wieder zwischen die Pfosten rückt, ist aber noch unklar. Wellenreuther will sich weiterhin seriös vorbereiten.
Spätestens seit dem spektakulären Liga-Spiel bei Ajax vor knapp drei Wochen hat sich Wellenreuther auch in die Herzen der Feyenoord-Fans gespielt. Mit einer fantastischen Parade hielt er sein Team kurz vor Schluss beim Stand von 2:2 im Spiel – quasi im Gegenzug traf Feyenoord zum 3:2-Sieg. In Rotterdam brachen alle Dämme, Feuerwerkskörper erhellten den Himmel und sorgten für eine große Party. „Der Verein hat eine riesige Wucht“, weiß Wellenreuther, der 2013 mit 17 Jahren vom Karlsruher SC in die Schalker Knappenschmiede kam.
Im Frühjahr 2015 geriet Wellenreuther plötzlich ins Rampenlicht, denn nachdem sich zunächst Ralf Fährmann und dann Fabian Giefer verletzt hatten, stand der Youngster wochenlang im Schalke-Tor. Sein Bundesliga-Debüt feierte er ausgerechnet beim FC Bayern München, Arjen Robben erzielte die Führung, doch Benedikt Höwedes sicherte den Königsblauen einen Punkt.
Spiel gegen Real Madrid als Höhepunkt von Wellenreuthers Schalke-Zeit
Kurz darauf ging es in der Champions League gegen Real Madrid, Wellenreuther avancierte zum jüngsten deutschen Torhüter der Königsklassen-Historie. Der 4:3-Sieg im Bernabeu ist bis heute eines der spektakulärsten Spiele der Schalker Vereinsgeschichte, auch wenn es nicht zum Weiterkommen reichte. „Das waren krasse sechs Wochen mit dem Real-Spiel als Höhepunkt“, sagt Wellenreuther. Er macht keinen Hehl daraus, auch heute noch auf die Partien von Schalke zu achten. „Ich schaue viele Spiele, da fühlt man automatisch mit. Ich hoffe, dass Schalke drin bleibt und drücke die Daumen.“
In der folgenden Saison wechselte er zum ersten Mal ins Ausland, auf Leihbasis zum spanischen Zweitligisten RCD Mallorca. Nach seiner Rückkehr lief Wellenreuther nur noch in der Regionalliga-Reserve auf und entschloss sich deshalb 2017 zum Wechsel in die Niederlande zu Willem II in Tilburg. Drei Jahre später folgte der Schritt zu Anderlecht. Nach der ersten Saison als Stammkraft ging es 2021 auf Leihbasis erneut zu Willem II, doch am Ende der vergangenen Spielzeit stieg der Klub aus der Eredivisie ab. „Extrem bitter“ nennt Wellenreuther die Erfahrung – umso mehr lässt sich der derzeitige Lauf in Rotterdam genießen.
Eine Rückkehr in die Bundesliga ist für Timon Wellenreuther vorstellbar
Unklar ist, wie es für den Torwart am Saisonende weitergeht. Sein Vertrag in Anderlecht läuft noch bis 2024, auf die Bank wird sich Wellenreuther dort aber nicht setzen wollen. Gespräche bezüglich seiner Zukunft sollen bald beginnen, eine Rückkehr in die Bundesliga kann sich Wellenreuther auch vorstellen. „Es war eigentlich gar nicht mein Plan, so lange im Ausland zu spielen“, gibt er zu. Vorerst ist das Thema aber noch Zukunftsmusik – mindestens ein Titel mit Feyenoord soll her, es wäre der erste für Wellenreuther als Profi. „Es wird Zeit, etwas zu gewinnen“, sagt er lachend.