Gelsenkirchen. Schalke 04 erkämpft sich im Derby gegen den BVB einen Punkt. Zu den gefeierten S04-Spielern gehört der wiedererstarkte Stürmer Marius Bülter.
Glücklich legte Gerald Asamoah seinen Kopf in den Nacken, schloss die Augen und sang inbrünstig in Richtung Nordkurve des FC Schalke 04: „Eine Liebe, die niemals endet!“ 44 Jahre alt ist Asamoah inzwischen, er hat viel erlebt in seiner langen Fußball-Karriere auf und abseits des Rasens – doch dieser Moment war ein besonderer selbst für ihn. „Nach dem Spiel muss man einfach feiern“, sagte Asamoah, inzwischen Lizenz-Leiter, und sprach der tobenden Außer-Rand-und-Band-Menge aus der Seele. 2:2 (0:1) endete das Revierderby gegen Borussia Dortmund, Gelsenkirchen hatte einmal mehr einen wilden Abend erlebt.
Schalke 04 seit sieben Spielen unbesiegt
Einen Abend, den noch vor sieben Wochen niemand vorhergesehen hätte. Mit 1:6 hatte Schalke gegen RB Leipzig verloren, war abgeschlagen Letzter. Seitdem ist Königsblau aber in sieben Spielen unbesiegt geblieben. Sollte der Klassenerhalt gelingen, dürfte die Party nicht viel üppiger ausfallen als nach dem Derby-Punkt. „Besonders in den letzten Minuten des Spiels hat man noch mal gemerkt, was für eine Stimmung in der Arena ist, das saugt man auf“, sagte Stürmer Marius Bülter.
Schalkes Trainer Thomas Reis bemühte sich darum, die Leidenschaft, die Emotionen einzufangen: „Gefühlter Sieg – damit tue ich mich schwer. Heute sind wir froh, aber wir müssen auf dem Boden der Tatsachen und demütig bleiben. Wir stehen immer noch auf einem Tabellenplatz, auf dem wir am Ende der Saison nicht stehen wollen“, sagte der Trainer. Worte, die nach dem Derby verhallten.
Schalke mit Leidenschaft, Einsatz und Glück
Der Übermacht des BVB standgehalten zu haben, das machte die Schalker stolz – der Marktwert allein von Jude Bellingham (110 Millionen Euro) übersteigt den der ganzen Schalker Mannschaft um 50 Millionen Euro. Mit spielerischen Mitteln hielt Schalke nicht dagegen, aber mit Leidenschaft, Emotionen, Einsatz – und ein bisschen Glück.
In der Defensive ging das wundersame Comeback von Torwart Ralf Fährmann weiter – er rettete sein Team mit etlichen Paraden. Die nicht immer sattelfeste, dafür aber widerstandsfähige Abwehr produzierte mit Henning Matriciani ein Symbol für die Derby-Gegenwehr. Und die Offensive trifft wieder – zum dritten Mal in Folge zweimal, diesmal zweimal nach einem Rückstand. Marius Bülter (50.) staubte zum 1:1 ab, er war in allen drei Spielen erfolgreich. Das 2:2 (79.) erzielte Kenan Karaman, der nach den Feierlichkeiten leise sagte: „Ich kann das selbst noch gar nicht glauben.“ Zum ersten Mal überhaupt hatte er für Schalke getroffen – vom Flop des Jahres bis zum umjubelten Helden. Das geht schnell auf Schalke.
Mit Stimmungsumschwüngen kennen sie sich auch in Dortmund aus: Die „bislang wichtigste Woche der Saison“ hatte Trainer Edin Terzic ausgerufen – an deren Ende stehen zwei Enttäuschungen: eine 0:2-Niederlage gegen den FC Chelsea und damit das Aus in der Champions League sowie eine gefühlte Niederlage gegen den FC Schalke.
BVB-Profi Jude Bellingham gibt gegen Schalke Rätsel auf
Bei aller Schalker Freude über eigene Fortschritte war dieser Rückschlag aus Dortmunder Sicht komplett selbstverschuldet – das sah auch BVB-Sportdirektor Sebastian Kehl so. Nach konzentrierter erster Halbzeit war eine gehörige Portion Lässigkeit ins Dortmunder Spiel eingezogen. So konnten die verdiente 1:0-Führung durch Nico Schlotterbeck (38.) und auch das 2:1 durch Raphael Guerreiro (60.) ausgeglichen werden – durch Treffer, bei denen die zuletzt so stabile BVB-Abwehr nicht gut aussah. Das wirkte auf erschreckende Weise wie ein Rückfall in überwunden geglaubte Zeiten, in denen die BVB-Abwehr ähnlich widerstandsfähig wie Wackelpudding war – und als die Mannschaft sich verlässlich umwehen ließ, wenn der Gegenwind stärker wurde, als man sich immer wieder von unterlegenen Gegnern den Schneid abkaufen ließ.
Auch die Einwechselspieler konnten keine Impulse setzen, was nicht zuletzt daran lag, dass das Aufgebot wegen vieler Verletzter stark ausgedünnt war. „Jeder, der reinkommt, muss sich reinknallen, alles geben und die Chance nutzen“, forderte Kehl. „Ob das heute geklappt hat, muss jeder selbst beantworten.“
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Hatte es nicht, und deshalb war Marius Wolf kurz nach Abpfiff und noch bebend vor Zorn vor die Journalisten getreten. Er reduzierte das Unentschieden immer wieder auf einen Grund: „Wir haben zu wenig Tore geschossen.“
BVB vergab beste Chancen
Und da mochte ihm niemand widersprechen, der BVB hatte beste Chancen – Schalke aber einen glänzend aufgelegten Ralf Fährmann im Tor. „Wir sind mehr gelaufen, hatten mehr Ballbesitz und Zweikampf, alle Daten sprechen für uns“, haderte Sebastian Kehl.
Nur bei der relevantesten Statistik stand es am Ende 2:2, zwei Punkte beträgt auch der Rückstand auf Tabellenführer Bayern München. Für Schalke war es ein gewonnener, für Dortmund zwei verlorene Punkte. Kein Wunder also, dass Kehl, anders als Asamoah, so gar nicht zum Singen aufgelegt war.