Gelsenkirchen. Axel Hefer ist seit anderthalb Jahren Aufsichtsrats-Vorsitzender von Schalke, in der Öffentlichkeit aber kaum präsent. Wir haben ihn getroffen.
Draußen ist es kalt, Zehntausende strömen zum Bundesliga-Spiel des FC Schalke 04 gegen den VfL Wolfsburg. Drinnen sitzt Axel Hefer (45), der Aufsichtsrats-Vorsitzende, im T-Shirt. In einem seiner seltenen Interviews spricht er über die Probleme der Königsblauen, die Zukunftsideen – und Führungsstile.
Sie haben zum Heimspiel gegen Köln Ende Januar alte und gegenwärtige Aufsichtsräte zu einem Treffen eingeladen. Wie war’s?
Axel Hefer: Es war ein schöner Nachmittag mit guten Gesprächen.
Was hat ihn so schön gemacht?
Hefer: Es haben fast alle zugesagt, und aus meiner Sicht herrschte eine angenehme Stimmung. Ein Sieg wäre natürlich besser gewesen als ein 0:0. (schmunzelt)
Clemens Tönnies war auch da. Wie ist Ihr Verhältnis? Saßen Sie an einem Tisch?
Hefer: Neutral. An einem Tisch saßen wir nicht.
Die vergangenen anderthalb Jahre unter Ihrer Leitung waren geprägt von einem neuen Führungsstil – Schalke hat keine schillernde, nahezu allein herrschende Persönlichkeit mehr an der Spitze wie eben Tönnies. Warum war das Ihrer Meinung nach nötig?
Hefer: Die Zeiten haben sich insgesamt geändert. Die Zeit der Patriarchen läuft in allen Bereichen der Wirtschaft und des gesellschaftlichen Lebens ab. Die Welt wird immer komplexer, man kann nicht mehr so wie früher von oben alles vorgeben und selbst machen. Man arbeitet in Teams – und das machen wir auch.
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Sind Sie sicher, dass Schalke diese Typen nicht mehr braucht? Der ehemalige Sportdirektor Rouven Schröder wurde nach dem Aufstieg 2022 hymnisch verehrt.
Hefer: Die Herausforderung, die jeder Sportverein hat, sind Emotionen. Um im Wettbewerb mit den Gegnern zu bestehen, darf man sich als Funktionär von diesen Emotionen nicht leiten lassen, sondern muss den Verein als hochprofessionelles Unternehmen führen. Das kann man am besten im Hintergrund.
Am Beispiel Rouven Schröder sieht man die Emotionen: Im Sommer wurde er gefeiert nach dem Aufstieg, jetzt gilt er als derjenige, der alles falsch gemacht hat. Wo liegt die Wahrheit?
Hefer: Die Wahrheit liegt wie so oft irgendwo dazwischen. Es ist nicht so, dass Rouven Schröder den Kader allein zusammengestellt hat. Das haben wir alle gemacht – vom Datenanalysten über das Scouting über ihn über den Vorstand über den Aufsichtsrat. Und dabei haben wir rückblickend als Team auch Fehler gemacht – das passiert! Wichtig ist, dass man aus den Fehlern lernt.
Ihr Job als Aufsichtsrat ist es unter anderem, die Vorstandsarbeit zu bewerten…
Hefer: Der Job ist schon ein bisschen umfangreicher. Der wichtigste Job ist es, eine gemeinsame Strategie zu verabschieden – und dann den Vorstand zu bestellen und die Umsetzung der Strategie zu überwachen. Unser Startpunkt 2021 war schwierig: katastrophaler Abstieg, viel zu teurer Kader, hohe Verbindlichkeiten und mehr. Wir haben gesagt, dass wir über die nächsten fünf bis sieben Jahre den Verein zurück nach Europa führen wollen und dass wir in einigen Bereichen strategischer und langfristiger vorgehen wollen. Wir haben jetzt anderthalb Jahre hinter uns und haben aus meiner Sicht eine ganze Reihe an Fortschritten gemacht. Wir haben aber auch noch einiges an Arbeit vor uns.
Sie haben gerade über neue Zeiten, neues Führungsverständnis geredet. Es fällt auf, dass Sie jemand sind, der sich eher zurückhalt, auch der Vorstandsvorsitzende Bernd Schröder haut nicht im Wochentakt Parolen raus. Wer steht denn aktuell für die Marke Schalke 04?
Hefer: Aus meiner Sicht standen auch in den letzten 20 Jahren eher Stadion und Zuschauer für die Marke Schalke 04 als Einzelpersonen.
Aber einer wie Rudi Assauer zahlt auf die Marke ja ein.
Hefer: Das ist so. Rudi hat sehr gut zu Schalke gepasst. Für die Marke selbst stehen die Schalke-Fans, die Atmosphäre im Stadion oder bei Auswärtsspielen. Das zahlt auf die Marke Schalke ein und nicht, ob Axel Hefer ein schmissiges Interview gibt.
Hat Bernd Schröder schon die Akzente im Marketing und bei den Sponsoren setzen können, die Sie sich erhofft haben?
Hefer: Auf jeden Fall. Bernd hat im Januar 2022 angefangen, im Februar erlebten wir den russischen Einmarsch in der Ukraine. Da hat er gemeinsam mit den anderen Vorstandsmitgliedern hervorragend reagiert. Er hat schnell ein lokales Unternehmen als Hauptsponsor gewinnen können, das uns in dieser schwierigen Phase unterstützt hat. Und nur wenige Monate später einen neuen Partner für die neue Saison. So etwas passiert normalerweise mit sechs bis zwölf Monaten Vorlauf. In seiner Rolle als Vorsitzender des Vorstands hat er federführend die Entwicklung des Unternehmenszwecks und der Unternehmensziele vorangetrieben, um dem Klub langfristige Orientierung in allen Bereich zu geben.
Peter Knäbel ist aktuell das Vorstandsmitglied mit der kürzesten Vertragsdauer. Neue Verträge werden im Fußball nicht ein, zwei Monate im Voraus verhandelt – sondern lange zuvor. Dieser auch?
Hefer: Bei Peter ist es wie bei allen Vorständen: Wir schauen, wie gut das umgesetzt wird, was mit dem Aufsichtsrat besprochen wurde, wie zufrieden wir sind. Und dann entscheiden wir über eine weitere Zusammenarbeit. Auf der sportlichen Seite ist das Wesentliche, dass wir unsere eigenen Spieler fördern, besser machen und systematisch Wert schaffen.
Spricht das für eine weitere Zusammenarbeit mit Peter Knäbel?
Hefer: Wir haben eine ganze Reihe von Spielern gut entwickelt in den vergangenen zwei Jahren. Ich bin überzeugt davon, dass wir einige richtig gute Jahrgänge in der Knappenschmiede haben. Den echten, nachhaltigen Wert der Arbeit wird man in den kommenden ein, zwei Jahren sehen können, wenn mehr Spieler aus der Knappenschmiede zu den Profis kommen.
Knäbel ist als Sportvorstand auch für den aktuellen Kader zuständig, der Letzter ist. Haben Sie Angst vor dem Abstieg?
Hefer: Nein. Ich bin zuversichtlich, dass wir den Klassenerhalt schaffen. Wir werden aber etwas Glück brauchen.
Würde sich mit einem erneuten Abstieg der große FC Schalke 04 noch mehr verzwergen?
Hefer: Nein, nicht grundsätzlich. Wir haben vor anderthalb Jahren gesagt: Wir wollen in den kommenden drei Jahren aufsteigen, das war Teil des mehrjährigen Plans. Wir haben es im ersten Jahr geschafft. Wenn wir jetzt noch einmal ein oder zwei Jahre 2. Bundesliga spielen, bringt uns das von unserem langfristigen Weg nicht ab.
Wie passt dieser langfristige Weg mit aktuell minus 108 Millionen Euro Eigenkapital mit dem Ziel einer Rückkehr nach Europa zusammen?
Hefer: Es immer wieder Beispiele dafür, wie es mit systematischer und geduldiger Arbeit ganz nach oben in der Tabelle gehen kann, siehe aktuell SC Freiburg, Union Berlin und Eintracht Frankfurt. Wichtig ist, dass man sich langfristig weiterentwickelt – und das gilt nicht nur für die Profis, sondern auch für die Jugendmannschaften. Man muss nicht nur die Kaderplanung für die aktuelle Saison machen, man muss auch die Auswirkungen für die kommende mitbedenken. Und mit Blick auf das negative Eigenkapital: Im Gegensatz zu anderen Vereinen gehört uns außerdem noch alles: Stadion, Vermarktung, Cateringrechte.
Ist denn bei einem Abstieg die Gefahr groß, dass Sie dieses Tafelsilber verkaufen müssen?
Hefer: Wir können nicht dauerhaft Zweite Liga spielen, ohne dass es Veränderungen im Verein geben würde. Das haben wir immer gesagt.
Auffällig ist, dass das Umfeld dazugelernt hat, die Ansprüche nicht in den Himmel schießen, die Fans aktuell sehr wohlwollend sind. Glauben Sie, dass diese Geduld grenzenlos ist?
Hefer: Keine Geduld ist grenzenlos. Wir brauchen Erfolg. Dafür machen wir das alles – damit Schalke erfolgreich sein kann.
Sie reden viel über Langfristigkeit. Im Sommer endet Ihr Mandat im Aufsichtsrat. Treten Sie erneut zur Wahl an?
Hefer: Der Vorstand und der fast komplett neu gewählte Aufsichtsrat sind vor anderthalb Jahren angetreten und haben gesagt: Das ist kein Ein-, Zwei-, Dreijahresprojekt, sondern wird mindestens fünf Jahre dauern. Das haben wir versprochen. und daran halte ich mich. Natürlich gehe ich bei allen Kollegen davon aus, dass sie sich an das Versprechen halten.
Sie und weitere Mitglieder aus Aufsichtsrat und Wahlausschuss haben gute Kontakte zur aktiven Fanszene – bei Clemens Tönnies war das nicht so. Wird Schalke aktuell von der aktiven Fanszene regiert?
Hefer: Schalke wird so regiert, wie es die Satzung vorschreibt: demokratisch. Es kann jeder für den Aufsichtsrat und den Wahlausschuss kandidieren, es werden normalerweise die mit der besten Rede gewählt. Man muss sich dazu vor 10.000 Leute stellen, was gar nicht so einfach ist (lacht).
Clemens Tönnies hätte nicht wie Sie dem Fanklubmagazin der Ultras Gelsenkirchen ein Interview gegeben.
Hefer: Alle Fans machen Schalke aus. Nicht nur diejenigen, die in der Loge sitzen, sondern auch diejenigen, die auf den Stehplätzen stehen, zum Auswärtsspiel mitfahren, in Fanklubs organisiert sind. Ich rede mit allen, war zum Beispiel auch beim Bezirksleitertreffen des SFCV.
Sie haben sehr viel aufgezählt, worin die Kraft von Schalke steckt: Mitglieder, Fans, Stadion, begeistertes Umfeld, das sind unfassbare Pfunde. Wann kann Schalke die Kraft wieder auf die Straße bringen? Minus 108 Millionen Euro Eigenkapital sind wie ein Mühlstein.
Hefer: Wir sind der größte Verein im größten Ballungsraum der Europäischen Union. Und wir sind der emotionalste Verein in Deutschland. Das ist eine super Ausgangslage. Der Abstieg 2021 inmitten der Corona-Pandemie hat einen maximalen Schaden angerichtet. Wir glauben, dass wir über die nächsten fünf bis sieben Jahre in eine Situation kommen, wo wir die Altlasten zu einem Maß abgebaut haben, wie es nötig ist, um dann von der Kraft in vollem Ausmaß profitieren zu können.
Macht Ihnen das Beispiel HSV Sorgen?
Hefer: Überhaupt nicht. Das einzige, was mir Sorgen machen würde ist, wenn wir die Nerven verlieren würden.
Bei aller Langfristigkeit Ihrer Ideen: Wenn Schalke einige Jahre in der Zweiten Liga hängen bleibt: Würden Sie finanzielle Angebote von Clemens Tönnies immer ablehnen?
Hefer: Das ist sehr unkonkret. Was für ein Angebot meinen Sie?
Wenn das Geld ausgeht, wäre ein Anruf in Rheda-Wiedenbrück eine Möglichkeit.
Hefer: Das Szenario sehe ich nicht. Unser Ziel ist es, aus eigener Kraft erfolgreich zu sein. Das heißt auch, dass wir aktuell nicht darüber nachdenken, die Struktur zu verändern, um Anteile am Verein verkaufen. zu können. Wenn Clemens Tönnies hingegen mit seinen Firmen sein Sponsoring ausbauen möchte, kann er das jederzeit mit dem Vorstand besprechen.