Gelsenkirchen. Schalke will den Abstieg mit aller Macht vermeiden. Sechs Spieler wurden im Winter geholt. Im Interview spricht bezieht Bernd Schröder Stellung.
Die weiße Fahne hissen? Kommt für Bernd Schröder nicht infrage. Klar, Schalke 04 ist auch nach dem torlosen Unentschieden gegen den 1. FC Köln, dem ersten Spieltag der Rückrunde, Letzter der Fußball-Bundesliga. Mit dem möglichen Abstieg in die 2. Liga beschäftigt sich der 56-Jährige, der seit dem 1. Januar 2022 Vorstandsvorsitzender auf Schalke ist, natürlich. Aber: Schröder beteuert im Interview seine Zuversicht bezüglich einer Rettung – und hofft, dass die Königsblauen wieder dort landen werden, wo sie nach dem eigenen Verständnis hingehören.
Herr Schröder, hätten Sie als junger Fußballer Schalke 04 weiterbringen können?
Bernd Schröder: Auf gar keinen Fall. (lacht)
So ein kategorisches Nein?
Absolut. Ich habe bei Germania Mauritz in Münster gespielt und damals das 1:0 gegen Westbevern geschossen. Danach habe ich gesagt: Das ist der Höhepunkt meiner Karriere, jetzt höre ich auf. Ich war damals ein laufstarker Mittelfeldspieler – heute laufe ich die Gegner aber nur noch beim Tennis in Grund und Boden (lacht). Ich kämpfe, bis es nicht mehr geht.
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So etwas sieht man auch auf Schalke gerne.
Gegen Köln konnte man ganz anders als im Spiel gegen Leipzig die typischen Schalker Attribute sehen. Die kommen bei den Fans gut an und werden honoriert. Leider haben wir uns gegen Köln für den hohen Aufwand nicht mit zwei weiteren Punkten belohnt. Deswegen fühlte es sich auch ein wenig moll an, auch wenn es ein Schritt in die richtige Richtung war. Daran wollen wir gegen Gladbach anknüpfen.
Ein Schritt, der das Tabellen-Schlusslicht Schalke aber nicht gravierend näher gebracht hat an die Konkurrenten.
Ja, aber das Grundgefühl war positiv. Rodrigo Zalazar stand wieder auf dem Platz, Alex Kral hat wieder gespielt. Moritz Jenz hat bei seinem Debüt eine gute Leistung gebracht. Die Mannschaft hat einen Fußball gespielt, hat gekämpft – ich kann mir jetzt sehr gut vorstellen, wie der Rest der Saison aussieht.
Lassen Sie uns daran teilhaben.
Es wurde sichtbar, wie Thomas Reis‘ Bild vom Schalker Fußball aussieht – der zu Schalke passt. Er passt mit seiner Art, seiner Konsequenz zu dem Verein. Man sieht einen Qualitätsunterschied zum Saisonbeginn.
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Wenn Sie jetzt nicht als Vorstands-Chef auf die Situation schauen, sondern als gelernter Wirtschaftsmathematiker: Wie sieht die Rechnung aus, bei der am Ende genügend Punkte auf der Haben-Seite stehen, um den Klassenerhalt zu schaffen?
Der Abstand zu den Nichtabstiegsplätzen ist das Entscheidende. Weil wir gegen all diese Mannschaften unmittelbar vor uns noch spielen, ist da ganz viel möglich. Das Beispiel VfL Bochum hat gezeigt: Mit drei Siegen in Serie ergibt sich ein ganz anderer Blick auf das Thema Kampf um den Klassenerhalt. Das muss uns auch gelingen. Das, was ich Sonntag gesehen habe, stimmt mich grundsätzlich optimistisch. Es bleibt eine Wahrscheinlichkeit, dass wir den Klassenerhalt schaffen und nicht absteigen. Daran glaube ich zutiefst.
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Sie sind seit gut einem Jahr Vorstandsvorsitzender. Als Fußballer waren Sie laufstark – welche Ihrer Qualitäten als Führungskraft sind bei Schalke besonders gefordert?
Schalke ist ein unglaublich emotionales Umfeld mit ganz vielen Meinungen, Stimmungen und auch Schwankungen. Diese große Emotionalität ist das Pfund von Schalke. Im Gegensatz dazu braucht es eine Professionalität und Nüchternheit auf der Geschäftsstelle – dafür bin ich geholt worden. Auch ich liebe den Fußball und seine Emotionen. Aber manchmal machen es einem die gefühlt 15.000 Meinungen auch schwieriger.
Manchen Fans sind Sie als Zahlenmensch zu nüchtern, weil – so überspitzt formuliert der Vorwurf – Sie den sportlichen Erfolg kaputtsparen.
Das ordne ich komplett anders ein. Jemand, der das behauptet, ist herzlich eingeladen, vielleicht mal unter vier Augen mit mir durch die Zahlen zu gehen.
Dafür wird man viel Zeit benötigen.
Wir wissen um die 140 Millionen an Finanzverbindlichkeiten, die auf Schalke lasten. Die schränken die Handlungsfähigkeit nicht ein, setzen aber Leitplanken. Eine davon ist, die Lizenz zu bekommen – für die Bundesliga oder die 2. Liga, denn die Gefahr abzusteigen besteht ja. Wir möchten nicht in der 2. Liga spielen, müssen aber nachweisen, dass eine Saison dort durchfinanziert wäre. Ich bin extrem optimistisch, dass wir die Lizenz bekommen, die Entscheidung ist natürlich der DFL vorbehalten.
Durch einen Abstieg würde dem Verein viel Geld entgehen.
Stimmt, aber oberstes Credo bleibt für uns: Wir setzen die Wirtschaftlichkeit des Vereins nicht aufs Spiel. Wir im Vorstand – also Christina Rühl-Hamers, Peter Knäbel und ich – gehen wirklich bis an die Grenze, wenn es um notwendige und wichtige Investitionen geht. Da sind wir mutig, gehen die Schritte. Wir puffern nicht noch hier und da 5 Millionen Euro, damit wir ein bisschen mehr Geld haben. Das wird draußen von dem einen oder anderen anders wahrgenommen, ist aber nicht der Fall. Wir haben durch den Aufstieg mehr TV-Gelder bekommen, mussten im Sommer aber auch Verbindlichkeiten zurückzahlen: zum Beispiel ein Teil des Corona-Darlehens oder Zahlungen für Spieler, die vor Jahren verpflichtet worden waren und noch bezahlt werden mussten. Wir zahlten allein im Jahr 2021 über 7 Millionen Euro an Zinsen. Das Geld, das übriggeblieben ist, haben wir in den Kader investiert.
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In mehrere Spieler, wohl bemerkt.
Wir hätten das Geld auch komplett in eine Verpflichtung von Ko Itakura stecken können. Das ist ja auch eine Mär, dass der Transfer nicht möglich gewesen wäre. Das war er – aber eben dann auch nur als einzige Verpflichtung. Wir haben uns bewusst dafür entschieden, den Kader auf eine breite Basis zu stellen. Wir sind beim Risiko bis an unsere Grenzen gegangen. Das Geld fällt ja nicht vom Himmel. Und noch mehr Fremdkapital wollen und werden wir nicht aufnehmen. Das wäre unvernünftig.
Es gab in der Winterpause fünf Transfers, insgesamt sind nun 33 Spieler im Kader. Zeigt das, dass im Sommer Geld falsch ausgegeben wurde?
Wir haben im Sommer-Transferfenster nicht alles richtig gemacht, ein ganz klares Ja. Aber wir haben das analysiert, Schlussfolgerungen gezogen und im Winter anders gearbeitet. Und ich glaube, wir haben einige Defizite beheben können. Noch ist das Transferfenster offen, es kann noch was passieren. Aber ich muss schon jetzt sagen: Da ist von Peter Knäbel und seinem Team um André Hechelmann und René Grotus sehr intelligent gewirtschaftet worden mit einer Mischung aus ausgeliehenen und verliehenen Spielern, sodass man in Summe gar nicht so ganz viel Geld brauchte, um jetzt diese entscheidende Verbesserung in unserem 28er Kader hinzukriegen.
Und das Ganze ohne Rouven Schröder, der Ende Oktober seinen Posten nach eigener Aussage auch niedergelegt hatte, weil er erschöpft war. Sind Sie da überrascht, dass er nach so kurzer Zeit mit RB Leipzig anbandelt?
Uns liegt bislang keinerlei Anfrage vor, deswegen möchte ich mich nicht an Spekulationen beteiligen. Es ist bekannt, dass Rouvens Vertrag auf Schalke ruht. Wenn ihn also jemand einstellen wollte, müsste er bei uns anrufen. Und das hat bislang niemand gemacht.
Und der Interessent müsste etwas Geld überweisen.
Auch darüber wird dann zu reden sein, absolut.
Die sportliche und wirtschaftliche Situation auf Schalke ist nicht einfach, dazu kommt die große Emotionalität rund um den Verein. Ist das gesund für Verantwortliche?
(Lacht) Schalke ist fordernd. Das berühmte Assauer-Zitat hat jeder im Kopf...
Entweder ich schaffe Schalke oder Schalke schafft mich.
Genau. Schalke gibt und nimmt in seiner Emotionalität, und es gibt unendlich schöne Momente. Vergangenen Samstag hatten wir hier die Einweihung des Flutlichtmastes im Parkstadion. Da haben die Fans knapp 225.000 Euro gesammelt, um dieses Symbol zu retten. Und dann kommen nicht 500, sondern knapp 3000 Menschen. Und das war eine grandiose Stimmung, mit Gesängen und Leuchtmitteln. Wahnsinn, da bekomme ich jetzt schon wieder Gänsehaut. Da gibt einem Schalke ganz viel. Und dann gibt es natürlich Situationen, da leidet man, da nimmt Schalke auch wieder etwas.
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Sie haben kürzlich gesagt, dass Schalke grundlegend große finanzielle Möglichkeiten hat. Wann lassen sich diese denn tatsächlich auch mal wieder realisieren?
Wir haben einen Fünfjahresplan gemacht, um von unseren Verbindlichkeiten herunterzukommen. Es schenkt uns niemand einfach so 50 Millionen, die er dann nicht wiederhaben will. Es kommen jede Menge Leute, die uns Geld leihen wollen. Aber dann steigt die Zinslast wieder, und man verkauft man wieder ein Stück der Zukunft. Das ergibt keinen Sinn. Wir müssen das aus eigener Kraft schaffen, und das werden wir auch schaffen.
Auch wenn Schalke absteigen sollte?
Es geht natürlich schneller, wenn man in der ersten Liga ist. Wenn man ein Jahr in der 2. Liga machen muss, wirft das nicht alles über den Haufen, dann verschiebt sich der Plan ein bisschen. Schalke ist groß, Schalke hat eine große Kraft. Wir haben alle Logen und alle Sponsorenpakete verkauft. Und das wird auch in der 2. Liga so sein, da bin ich sicher. Wenn wir erst einmal wieder auf ganz gesunden Füßen stehen, wird die Kraft noch größer werden. Aber das dauert noch ein bisschen, erst einmal müssen wir die Schulden abtragen. Das geht nicht von Heute auf Morgen.
Ein Abstieg wäre dieses Mal also leichter zu stemmen als vor zwei Jahren?
Von leicht möchte ich nicht sprechen. Der große Unterschied zu vor zwei Jahren ist: Damals sind wir mit einer Champions-League-Mannschaft in die 2. Liga gerauscht, alles musste einmal umgedreht werden, wir mussten einen riesigen Wertverlust verkraften. Diesmal haben wir jetzt schon einen Kader von Spielern, die auch Verträge für die 2. Liga haben. Es müsste also keinen großen Umbruch geben. Und wir haben einen Trainer, der hundertprozentig zu Schalke passt, weshalb ich mit Thomas Reis auch in die 2. Liga gehen würde, das ist die klare Haltung des Vorstands. Und das ist eine ganz andere Voraussetzung als noch vor zwei Jahren, das spricht für viel mehr Kontinuität, für viel mehr Ruhe und dementsprechend auch eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass man im Abstiegsfall danach eine erfolgreiche Saison spielt.
Sie haben gesagt: ein Jahr 2. Liga. Kann Schalke auch mehr überstehen?
Wenn es dann länger dauern sollte, müsste man Schalke natürlich ein Stück weit neu denken, das haben wir immer offen gesagt. Wir sind ein Verein mit Strukturen, die für die Bundesliga oder sogar für europäische Wettbewerbe ausgelegt sind. Die Knappenschmiede, die Mitarbeiter, das Stadion – das ist alles auf Top Drei bis Sechs ausgelegt.
Die Top Sechs haben sie mittelfristig als Ziel ausgegeben. Wie lang genau dauert mittelfristig?
Vorweg: Aktuell liegt unser Fokus zu 99 Prozent auf der aktuellen Situation und dem Klassenerhalt. Nichtsdestotrotz ist es meine Aufgabe als Vorstandsvorsitzender, auch langfristig zu denken. Schalke mit seiner Größe und seiner Kraft kann ich nicht anders denken als in den Top Sechs. Das mag fünf Jahre dauern oder zehn, vielleicht auch mehr, vielleicht weniger. In die Zukunft kann ich leider nicht schauen. Aber ich muss Schalke ja so denken, wie ich es für richtig halte. Und Schalke kann ich nicht klein denken. Die Perspektive kann nicht sein: Wir spielen in den nächsten zehn Jahren um Platz 10 bis 15.
Aber wie kann das gelingen? Aktuell sind die Abstände nach oben in jeder Hinsicht gewaltig.
Indem man eine langfristige Strategie formuliert und sie auch durchhält. Die Beispiele Freiburg und Union Berlin zeigen ja, was mit kontinuierlicher guter Arbeit möglich ist. Und dann müssen wir auch mal über TV-Gelder reden: Wenn wir auf die Quoten schauen, gibt es vor allem drei Vereine, die die Zuschauer interessieren, nämlich Bayern, Dortmund, Schalke – und zwar in der Reihenfolge. Danach kommt erst einmal eine große Lücke.
Die TV-Gelder müssten also anders verteilt werden?
Ja! Die TV-Gelder kommen ja von Unternehmen, die Abos verkaufen. Die Spiele, die am meisten Zuschauer locken, sind für die Unternehmen also am wertvollsten, das ist doch eine einfache Logik.
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Es gibt auch immer wieder die Forderung, Clemens Tönnies mit seiner wirtschaftlichen Kraft wieder stärker einzubinden.
Clemens Tönnies ist über sein Sponsoring bereits wirtschaftlich sehr stark eingebunden. Wenn er das noch ausbauen will, ist er herzlich willkommen, wie jeder andere auch. Aber Geld leihen und damit noch mehr Fremdkapital aufnehmen – das wollen wir nicht. Sondern Verbindlichkeiten abbauen und die Zukunft nicht mit noch mehr Schulden belasten. Das erhöht den Spielraum für Investitionen, auch in den Sport.