Gelsenkirchen. Interview mit Boris Liebing, dem Frauenfußball-Chef des FC Schalke 04 und Trainer des Hallenkreismeisters: „Professionelle Strukturen aufbauen.“

„Ich will noch mehr Frauen- und Mädchen-Fußball im Kreis Gelsenkirchen. Lasst uns gemeinsam noch viel, viel weitermachen“, hat Kreisvorsitzender Christian Fischer am vergangenen Sonntag nach der Hallenkreismeisterschaft in der Schürenkamp-Halle gesagt. Wir haben mit Boris Liebing gesprochen, der Trainer des TitelträgersFC Schalke 04 II und Frauenfußball-Abteilungsleiter der Königsblauen in Personalunion ist.

Die Tabelle liest sich für Sie aktuell gut. Beide Frauenteams stehen in ihren Ligen auf Rang eins. Wie zufrieden sind Sie mit der bisherigen Saison?

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Boris Liebing: Erst einmal möchte ich betonen, dass wir inzwischen insgesamt fünf Teams haben und sportlich gesehen mit allen sehr zufrieden sind. Team Blau (1. Frauenmannschaft, Anm. d. R.) steht in der Bezirksliga auf Platz eins, Team Weiß (2. Mannschaft, Anm. d. R.) ist Erster in der Kreisliga. Darüber hinaus haben wir inzwischen eine U 21, die in dieser Saison noch außer Wertung spielt. Wir wollten dadurch einen Übergang zwischen den Frauenteams und den B-Juniorinnen schaffen. Die Entwicklung der Mannschaft stimmt. Auch die B-Juniorinnen sind in ihrer Liga Tabellenführer. Unsere U 11 liegt auf Platz zwei, ist aber punktgleich mit dem Tabellenführer und hat ein Spiel weniger absolviert. Von daher haben bisher alle Teams einen guten Job gemacht.

Schalkes Frauenfußball-Chef Boris Liebing: „Natürlich wollen wir aufsteigen“

Von Vereinsseite heißt es, Aufstiege seien kein Muss. Wie sehen Sie das?

Auch wenn Aufstiege kein Muss sind, wollen wir natürlich aufsteigen. Da müssen wir gar nicht drum herumreden, wir wollen die Rückrunde genauso gestalten wie die Hinrunde und dann mit beiden Frauenteams und der U 17 aufsteigen.

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Die Frauenfußball-Abteilung ist jetzt in ihrer zweiten Saison. Wie zufrieden sind Sie mit der Entwicklung?

Kreismeister in der Halle: die Fußballerinnen des FC Schalke 04 II.
Kreismeister in der Halle: die Fußballerinnen des FC Schalke 04 II. © Heinrich Jung

Wir hatten wegen der Pandemie einen schwierigen Start. Unsere erste Saison wurde direkt abgebrochen; sonst wären wir wohl schon eine Liga weiter. Unabhängig davon sind wir mit der Gesamtentwicklung aber sehr zufrieden. Wir haben hier sehr gute Bedingungen, die immer weiter angepasst werden. Wir sind mit allen Teams auf dem Trainingsgelände am Berger Feld und wurden gut in den Verein integriert. Wir haben einen Videoraum und können den Athletikraum der Profis mitbenutzen. Daran merkt man, dass der Verein wirklich hinter uns steht.

Solange es geht, will Schalke keine Spielerinnen von außerhalb einkaufen

Dortmund hat bei Gründung der Frauen-Abteilung einen Zehn-Jahres-Plan aufgestellt, um in die Bundesliga zu kommen. Schalke hat das offiziell nicht, wo wollen Sie in zehn Jahren spielen?

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Den Gedanken an die Bundesliga verschwende ich ehrlich gesagt nicht. Je höher es geht, desto mehr qualifizierte Spielerinnen brauchen wir, und die wollen wir – so lange wie möglich – nicht von außerhalb einkaufen. Mein Traum ist es, dass wir irgendwann in den oberen Ligen mitspielen und in unserer Mannschaft dann sieben oder acht Spielerinnen aus Gelsenkirchen und Umgebung stammen. Möglich ist das und in unseren Augen deutlich wichtiger, als jetzt Pläne für die Bundesliga aufzustellen.

Wie wollen Sie das möglich machen?

Indem wir unseren Fokus auf die Juniorinnen legen. Da wollen wir in den kommenden Jahren jeweils ei­ne Mannschaft dazunehmen, um alle Altersstufen abzudecken. Nächstes Jahr gründen wir also eine U 13. Wir müssen uns in der Jugend breit aufstellen, damit am Ende möglichst viele den Sprung an die Spitze schaffen.

Wann rechnen Sie damit, dass Ihr Ansatz erste Früchte trägt?

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Unsere U 11 hat viel Potenzial. In sechs Jahren kommen diese Mädchen in die U 17. Dann wird es darauf ankommen, Bedingungen zu haben, unter denen sie sich wohlfühlen und weiterentwickeln können.

Boris Liebing wünscht sich noch mehr Kooperationen

Was meinen Sie damit?

Im Fußball ist es häufig immer noch so, dass die Mädchen gar nicht selbst entscheiden können, ob sie mit den Jungs in einer Mannschaft spielen wollen oder lieber in einer reinen Mädchenmannschaft, weil es davon je nach Altersklasse einfach nicht genug gibt. Wenn dann die Pubertät dazukommt und ein Mädchen alleine in einer Jungenmannschaft spielt, wird es mitunter kompliziert. Dann gibt es keine zwei Umkleidekabinen, und das Mädchen kann sich dadurch als Einziges nicht am Platz umziehen, das ist bezeichnend. Diese Entscheidung, in welcher Mannschaftskonstellation sie spielen wollen, sollte den Mädchen einfach nicht durch fehlende Strukturen abgenommen werden.

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Inwiefern lassen sich solche Strukturen aufbrechen?

Ich beschäftige mich dafür viel mit Kitas und Schulen. Fußball ist für alle da, den Gedanken wollen wir den Mädchen früh mitgeben. Mit den Gesamtschulen Erle und Berger Feld haben wir bereits Kooperationen, in deren Rahmen Fußball für Mädchen angeboten wird. Und wir sind an weiteren Kooperationen interessiert.

Peter Knäbel hat angekündigt, eine „Direktion Fußball Frauen“ aufzubauen. Mit welchem Ziel?

Der wichtigste Schritt der Direktion ist es, ein Fundament zu bauen und für permanenten Nachwuchs zu sorgen. Das ist in Gelsenkirchen eine Herausforderung, die auch der Fußballkreis erkannt hat. Wir brauchen mehr Vereine, die sich einbringen. Schalke kann mit seiner Strahlkraft dafür sorgen, dass das Thema einen Schub kriegt.

Professionelle Strukturen sollen auf Schalke bestmögliche Bedingungen bieten

Was entgegnen Sie denen, die kritisieren, Schalke würde mit seiner Teilnahme in den unteren Ligen genau das Gegenteil tun und dem Breitensport schaden?

Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir unseren Kreis schützen wollen. Zugleich bekommen wir regelmäßig Post von Spielerinnen, die gerne zu uns kommen möchten. Falls diese interessant für uns sind, treten wir dann erst mit deren Vereinen in Kontakt. Wir haben uns als Verein für den sportlichen Weg entschieden. Hätten wir den Startplatz eines anderen Teams eingenommen, wäre wahrscheinlich auch Kritik aufgekommen. Manche sagen aber auch, dass die Spiele gegen uns Highlights sind, zu denen auch schon mal der eine oder andere Zuschauer mehr kommt. Von daher stehen wir voll hinter unserer Herangehensweise.

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Wenn Sie sagen, dass Sie Ihren Kreis schützen wollen: Wären Sie bereit, Vereine mit Ihrer Expertise beim Aufbau von Mädchenmannschaften zu unterstützen?

Ja, sehr gern. Dazu sind wir jederzeit bereit. Ich fände es schön, wenn es ebenso wie bei den Männern irgendwann auch bei den Frauen eine Kreisliga gäbe, in der nur Teams aus unserem Kreis spielen. Und das geht nur, wenn sich mehr Vereine beteiligen. Da haben wir in Gelsenkirchen viele, die mit aufspringen könnten.

Also liegt Ihr Fokus vorerst weiter auf dem Breitensport?

Unser Ziel ist es, in den nächsten Jahren professionelle Strukturen aufzubauen, um den Mädchen und Frauen bestmögliche Bedingungen zu bieten. Schritt für Schritt wollen wir diesen ganzheitlichen Ansatz detailliert umsetzen.