Belek. 34 Jahre und noch kein bisschen müde: Simon Terodde ist eine Führungsfigur beim FC Schalke 04. Im Interview spricht er auch über seine Zukunft.

Wie viele Trainingslager Simon Terodde in seiner Karriere schon hinter sich gebracht hat, weiß der Stürmer von Schalke 04 gar nicht mehr. Es waren zu viele, denn seit über 15 Jahren ist er bereits mittendrin im Profigeschäft. Doch auch mit 34 Jahren brennt Terodde noch vor Ehrgeiz – das wird in jeder Trainingseinheit, in Testspielen, aber auch im Interview mit dieser Redaktion deutlich. Ans Aufhören denkt er noch nicht.

Herr Terodde, können Sie sich noch an Ihr erstes Trainingslager im Profibereich erinnern?

Simon Terodde: (überlegt) Es war ein Sommer-Trainingslager in Österreich mit dem MSV Duisburg. 2007 müsste es gewesen sein, als der MSV noch in der Bundesliga gespielt hat. Mit dabei waren damals Haudegen wie Ailton, Ivo Grlic, Björn Schlicke oder Youssef Mokhtari (lacht). Als junger Spieler habe ich mich damals kaum getraut, etwas zu sagen. Ich habe die Klappe gehalten und nur trainiert. Heute sieht das ganz anders aus.

Inwiefern?

Damals waren wir jungen Spieler stark in der Unterzahl, da waren wir froh, wenn das Training zu Ende war und wir uns aufs Zimmer verkriechen konnten. (lacht) Inzwischen werden die Jungen oft schon viel früher eingebunden und sind besser ins Team integriert.

Heute werden alle Trainingseinheiten gefilmt, die Spieler digital überwacht und auch neben dem Platz bestmöglich betreut – von Physiotherapeuten, Psychologen und Ernährungsberatern. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?

Die Entwicklung in diesen Bereichen ist gigantisch. Zu meiner Anfangszeit wurde sich auf die subjektiven Einschätzungen des Cheftrainers verlassen. Er allein hat entschieden, wie viel wir laufen. Die Herzfrequenz der Spieler hat da keine Rolle gespielt – das war ganz normal. Auch diese Zeit möchte ich nicht missen. Wenn ich hier mit Marius Bülter oder Michael Langer beim Essen sitze, kommen solche Anekdoten bei uns immer wieder auf den Tisch.

Was ist Ihre Lieblings-Trainingslager-Geschichte?

Erst heute haben wir uns über unseren Berglauf unter Dimitrios Grammozis in Mittersill unterhalten. Von dem Lauf wurden wir damals überrascht und es war extrem hart. Gut erinnere ich mich auch an das MSV-Trainingslager unter Rudi Bommer. In den Bergen haben wir damals eine sehr harte Wanderung bis zum Gipfel gemacht, doch wir wussten, dass in der Hütte oben das Weizenbier auf uns wartet. (lacht) Während der Wanderung sind wir über die Schmerzgrenze gegangen, und hatten dann doch noch einen schönen Abend. Das schweißt zusammen.

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Wie beurteilen Sie das diesjährige Trainingslager in Belek?

Generell sind die Bedingungen hier sehr gut. Die Plätze, das Hotel, das Wetter – alles ist top. Auch hier gab es schon einige harte Einheiten. Dass am Sonntag, am Tag nach einem Testspiel, die harten Steigerungsläufe auf dem Programm standen, hat viele von uns überrascht. Ein paar Jungs mussten wir als Gruppe mitziehen, aber am Ende schweißt auch so etwas zusammen.

Wie beschäftigen Sie sich am Abend oder zwischen den Trainingseinheiten in Ihrer Freizeit?

Es ist vor allem Ausruhen angesagt. Ich habe spezielle Recovery Boots dabei, die bei der Regeneration helfen. Auf meinem Hotelzimmer telefoniere ich dann mit der Familie, lese oder schaue Videos.

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Was schauen oder lesen Sie aktuell?

Meistens geht es um Fußball oder zumindest Sport. Ich bin kein Film-Junkie, sondern schaue lieber Dokumentationen, um mir da ein bisschen Input zu holen. Ich bin so fußballverrückt, dass ich mich auch in meiner Freizeit am liebsten damit beschäftige. Zuletzt habe ich die Dokumentationen über Louis van Gaal und Ronaldo angeschaut.

In den Trainingseinheiten ist die Stimmung trotz der schlechten Tabellensituation erstaunlich gut. Wie schaffen Sie das?

Im Moment haben wir alle durchweg ein gutes Gefühl, was die Trainingsbelastung und den fußballerischen Ansatz angeht. Die Spiele gegen Mainz und Bremen haben uns allen gezeigt, dass wir mithalten können. Das macht Mut, denn vor einigen Monaten sah es deutlich schlechter aus. In der Phase rund um das Pokalspiel gegen Hoffenheim schienen wir fast ohnmächtig. Das Trainerteam hat es geschafft, uns den Glauben zurückzugeben.

Wie ist das gelungen?

Großen Einfluss hat unsere neue Spielweise. Im Zentrum agieren wir mannorientiert, wollen viele Zweikämpfe führen – und gegen Mainz hat man gesehen, was die 60.000 Fans in der Arena bewirken können. Wenn wir Zweikämpfe gewinnen und schnell umschalten, sind die Zuschauer da. Wichtig ist, dass wir weiter an unsere Stärken glauben. Da ist es mir egal, ob RB Leipzig kommt oder wir in Frankfurt spielen.

In der Hinrunde haben Sie auf Schalke die ganze Bandbreite der Emotionen erlebt. Ist das Dasein als Schalke-Profi schwieriger als anderswo?

(grinst) Ich mag das und brauche diese extremen Emotionen. Eine Niederlage kann ich nicht mal eben so abhaken. Bei einem Traditionsverein wie Schalke wird man mit den Ergebnissen ständig konfrontiert – von den Medien, von Mitarbeitern oder von Fans auf der Straße. Das ist mit zusätzlichem Druck verbunden, doch ich brauche das. Das war schon immer so, selbst in meiner Kindheit, bei Turnieren mit der Schulmannschaft. Auch da wollte ich meine Klassenkameraden nicht enttäuschen.

Simon Terodde im Gespräch mit Redakteur Robin Haack.
Simon Terodde im Gespräch mit Redakteur Robin Haack. © Tim Rehbein

Ihr Ehrgeiz ist auffällig. Selbst in Trainingseinheiten oder Testspielen jubeln Sie lautstark oder fluchen.

Von den Jungs höre ich oft, dass ich zwei Persönlichkeiten habe – eine neben dem Platz, eine auf dem Platz. (lacht) Ich bin froh, dass ich mich noch über jedes Tor in Testspielen freuen kann. Wenn das nicht mehr der Fall wäre, kann ich auch aufhören. Stürmer und Torhüter müssen in dieser Hinsicht ein bisschen bekloppt sein. Tore sind mir wichtig, ich nehme jede Bude im Training und in Testspielen mit. Mein Ziel ist es, immer an meine Grenzen zu gehen. Mit meiner Art versuche ich, voranzugehen und ein Vorbild zu sein.

Wie zufrieden sind Sie mit Ihren Leistungen in der Hinrunde?

Ich hätte das eine oder andere Tor mehr schießen müssen. Drei Tore in 15 Spielen sind mir zu wenig. Noch immer ärgert mich das Spiel in Wolfsburg, wo ich zwei Elfmeter liegen gelassen habe.

"Es war ein großer Kindheitstraum, es ins Sportstudio zu schaffen"

Wie gehen Sie mit solch negativen Erlebnissen um?

In solchen Momenten bin ich niemand, der sich einsperrt. Ich setze mich sofort damit auseinander. Die Elfmeter habe ich mir noch mehrfach angeschaut und analysiert, was ich besser machen kann. Ich bin generell jemand, der sich nach Niederlagen stellt, auch wenn es mal unangenehme Fragen gibt. Am Abend des Wolfsburg-Spiels war ich dann sogar zu Gast im Aktuellen Sportstudio. Es war ein großer Kindheitstraum, es dort mal hinzuschaffen. Dass ich dort ausgerechnet nach zwei verschossenen Elfmetern auf dem Stuhl saß, hatte etwas Ironisches.

Ihr Vertrag läuft im Sommer aus. Gab es schon Gespräche über eine Verlängerung auf Schalke?

Aktuell geht es für den Verein logischerweise eher um Winter-Transfers. Außerdem gibt es mit Blick auf den Abstiegskampf noch keine Planungssicherheit, was die Ligazugehörigkeit angeht. Klarheit wird erst im Mai herrschen. Doch ich spüre die Wertschätzung der Verantwortlichen und würde gern auf Schalke bleiben.

Würden Sie auch im Abstiegsfall bleiben?

Ich beschäftige mich noch nicht mit der 2. Liga. Wir sind Bundesligist und werden alles geben, dass das auch so bleibt.

Würde Sie das Ausland reizen?

Es kamen immer mal wieder exotische Anfragen rein. Doch bislang konnte ich darüber nur schmunzeln, weil ich denke: Die Bundesliga ist einfach geil. Ich verfolge die Premier League gar nicht mehr so intensiv, könnte nicht mehr ganz genau sagen, wer alles bei Chelsea oder Arsenal kickt. Dafür kann ich in Deutschland bis in die 3. Liga bei fast allen Teams die Aufstellung herunterbeten. Das war für mich immer spannender.

Mit 34 Jahren sind Sie im fortgeschrittenen Fußballer-Alter. Welche Ziele haben Sie für den Rest Ihrer Karriere noch?

Es ist ein typisch deutsches Thema, immer wieder über das Alter zu sprechen. Die WM war doch ein Paradebeispiel dafür, wie wichtig Erfahrung sein kann. Lionel Messi war dort mit 35 Jahren der beste Spieler, Luka Modric hat mit 37 noch dominiert. Auch bei Olivier Giroud spricht niemand von seinem Alter, sondern die Fans hoffen, dass er seinen Vertrag beim AC Mailand verlängert. Ich fände es gut, wenn viele dieser großen Spieler dem Fußball noch lange erhalten bleiben.

Fühlt sich auch mit 34 Jahren noch topfit: Schalke-Stürmer Simon Terodde.
Fühlt sich auch mit 34 Jahren noch topfit: Schalke-Stürmer Simon Terodde. © Tim Rehbein

Gilt das auch für Sie?

Solange ich mich fit fühle und gesund bin, möchte ich weiter Fußball spielen. Ich brenne noch immer für den Sport. Als Stürmer profitiere ich enorm von meiner Erfahrung. Ich war ohnehin nie der Schnellste, sondern eher handlungsschnell. Das möchte ich noch so lange wie möglich zeigen. Ich setze mir da keine Grenzen.

Werden Sie die Reisen ins Trainingslager vermissen, wenn Sie Ihre Karriere irgendwann beenden?

Viele Spieler sagen, dass sie die Trainingslager nicht vermissen werden. Generell ist man lieber zu Hause bei seiner Familie. Aber gerade die ersten Tage im Trainingslager sind spannend. Es sind Erlebnisse, die man irgendwann auch vermissen wird.