Gelsenkirchen. Nach nur einer Woche ist der langjährige Bochumer Thomas Reis ein Gesicht des FC Schalke 04. Eine Analyse seiner ersten Tage.
Wie schnelllebig das Fußballgeschäft ist, zeigt das Beispiel Thomas Reis. Es ist nicht einmal zweieinhalb Monate her, da sagte Reis als Trainer des VfL Bochum: „Wenn ich kein Bochumer bin, wer dann?“ Nur wenig später wurde er freigestellt, und seit inzwischen einer Woche trainiert er 20 Kilometer entfernt den FC Schalke 04. Geht das? Klappt es, innerhalb so kurzer Zeit glaubhaft zwischen zwei Revier-Vereinen zu springen?
Reis versucht den Spagat. Es scheint ihm zu gelingen. Und das ganz einfach mit Authentizität. Reis habe sich in den ersten Tagen auf Schalke nicht anders gegeben als in Bochum, sagen Experten, die ihn lange beobachten. Den Trainer ärgert es inzwischen sehr, dass er den Flirt mit Schalke zu VfL-Zeiten noch leugnete. Nun brachte Reis sogar eigenes Geld mit, um auf Schalke anzufangen, steuerte rund 70.000 Euro zur Ablöse bei, die Schalke an den VfL bezahlen musste. Der große Verein reizte ihn, aber auch das Ruhrgebiet.
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Geboren und aufgewachsen ist er in Wertheim, das liegt zwischen Frankfurt und Nürnberg, den ostfränkischen Dialekt ist er nicht losgeworden. Und doch spricht aus ihm das Ruhrgebiet. Seine Sprache ist ehrlich, direkt, einfach. „Ich fühle mich im Ruhrgebiet sauwohl, habe bewiesen, dass ich hierhin passe“, sagte er. Seine drei Töchter, alle inzwischen erwachsen, wuchsen in Bochum auf. Mit seiner zweiten Frau Carina wohnt er weiter in der Nachbarstadt, er könnte mit der Straßenbahn zum Training fahren. Dass er nicht umziehen müsse, sei natürlich ein Vorteil, sagt er.
Drei Spiele für Schalke in acht Tagen
Schalkes Fans nehmen Reis die Bochumer Vergangenheit gar nicht übel – umgekehrt ist das anders. Viele Schalker schätzen sehr, dass Reis sogar investierte, um beim Liga-Schlusslicht die aktuell unmöglich scheinende Mission Klassenerhalt anzugehen. Erst einmal, und Reis wird nicht müde das zu betonen, gehe es ihm um die drei Spiele, die innerhalb von acht Tagen anstehen – am Samstag bei Werder Bremen (18.30 Uhr/Sky), dann gegen Mainz 05 (9. November, 20.30 Uhr) und Bayern München (12. November, 18.30 Uhr). „Am wichtigsten ist es aktuell, sich mit dem Hier und Jetzt zu beschäftigen“, sagt er stets. Und doch hat er bereits sichtbare Veränderungen vorgenommen.
Auch welche, die sich auf Schalke nicht jeder getraut hätte. Kam zum Beispiel Ex-Trainer Frank Kramer ohne eigenen Assistenten, brachte Reis Markus Gellhaus mit. Während seiner Premiere gegen den SC Freiburg am Sonntagabend (0:2) zeigte Reis, dass nur Gellhaus zu seinem engsten Kreis gehört – er platzierte zwei Stühle zwei Meter vor der Trainerbank. „Ich habe klar gesagt, dass ich ihn mitnehmen will, da wir in Bochum sehr vertrauensvoll zusammengearbeitet haben“, sagte Reis. Sein Trainerteam ist größer – Matthias Kreutzer, Mike Büskens und Beniamino Molinari sitzen ebenso während der Spiele auf der Bank wie Torwarttrainer Simon Henzler und Gerald Asamoah, der Leiter der Lizenzspieler-Abteilung. Zu viele? „Das werden wir alles in Ruhe besprechen“, erklärt Reis. Klar ist: Die Schalke-Idole Büskens und Asamoah scheinen bei ihm keine prominente Rolle mehr zu spielen. So etwas hätten sich nicht alle Kandidaten getraut.
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Auch die Spieler merken, dass Thomas Reis Leidenschaft vorlebt. „Er macht einen super ersten Eindruck“, sagte Stürmer Marius Bülter. „Ein neuer Trainer bringt neuen Schwung mit, eine andere Ansprache, es ist eine andere Stimmung da. Außerdem macht er schon ein paar Dinge anders.“ Damit meint Bülter vor allem Trainingsinhalte: „Wir trainieren zum Beispiel vorwärts zu verteidigen, was wir in letzter Zeit nicht gemacht haben. Außerdem geht es um Umschaltsituationen, da haben wir Verbesserungsbedarf.“ Reis kennt die Schwächen seines Teams schon länger, am 3. September bereitete er seinen Ex-Klub Bochum noch auf ein Spiel auf Schalke vor. Und Zeichen setzte Reis auch schon: Gegen Freiburg saß Torjäger Simon Terodde auf der Bank. Mutig. Im Winter, wenn der Kader umgestaltet wird, spielt Reis’ Meinung die entscheidende Rolle.
So ist der Neue schon nach einer Woche ein Gesicht von Schalke 04. Geht es? Klappt das? Die Chance dafür ist da. Denn Reis hat schon registriert, dass 20 Kilometer von Bochum entfernt alles etwas größer und emotionaler ist.