Mittersill. Schalkes neuer Abwehrchef Maya Yoshida spricht im großen Interview über seinen neuen Klub, seine Ziele und berühmte japanische Vorgänger.

Er sei nicht der interessanteste Spieler auf Schalke, sagt Maya Yoshida, als er zum Interview mit dieser Zeitung die Terrasse im Schloss Mittersill betritt. Der neue Abwehrchef des Fußball-Bundesligisten FC Schalke 04 deutet mit seinem Zeigefinger auf den Nebentisch, da sitzt Torjäger Simon Terodde. „Er ist das“, sagt Yoshida, lacht und setzt sich. Es beginnt ein Gespräch über seine Karriere, seine Ziele und berühmte japanische Vorgänger bei den Königsblauen.

Was haben Sie gedacht, als Sie erfahren haben, dass Schalke 04 Interesse hat?

Maya Yoshida: Mein Vertrag in Genua war ausgelaufen. Als ich am 1. Juli aufgewacht bin, fühlte ich mich ein wenig komisch. Ich stand bei keinem Verein unter Vertrag und wusste nicht, wie lange das anhält.

Schalke-Zugang Yoshida: Es ging alles sehr schnell

Zum ersten Mal in Ihrer Karriere?

Yoshida: Ja, zum ersten Mal. Ich habe am 1. Juli vormittags nur für mich trainiert. Als ich fertig war, nahm ich mein Telefon und sah, dass mein Berater mir eine Kurznachricht geschickt hatte. Der Inhalt: Schalke möchte mit Dir reden. Ich habe noch in der Nacht mit Sportdirektor Rouven Schröder telefoniert, danach mit meiner Frau gesprochen, die in Tokio lebt, und anschließend ,Ja‘ gesagt. Schon am 5. Juli bin ich zum Medizincheck nach Düsseldorf geflogen. Es ging alles ganz schnell.

Maya Yoshida (r.) im Gespräch mit Schalke-Reporter Andreas Ernst.
Maya Yoshida (r.) im Gespräch mit Schalke-Reporter Andreas Ernst. © Tim Rehbein / FUNKE Foto Services | Unbekannt

Es heißt, Sie wären oft auf Schalke zu Gast gewesen, als Atsuto Uchida von 2010 bis 2017 dort spielte. Stimmt das?

Yoshida: Ja, ich habe von 2010 bis 2012 bei VVV Venlo gespielt. Ich bin oft zu den Spielen gefahren, war bei ihm in seinem Haus zu Gast, wir sind regelmäßig in Düsseldorf japanisch essen gegangen. Es war eine gute Zeit. Deshalb kenne ich die Atmosphäre im Stadion. Damals habe ich gedacht: Ich möchte auch mal Champions League oder generell in so einem großen Stadion spielen. Nun ist der Traum wahr geworden.

Wie war Ihr Kontakt zu Uchida genau, nachdem Sie von Schalkes Interesse erfahren hatten?

Yoshida: Nachdem ich mit Rouven zum ersten Mal gesprochen hatte, habe ich ihn kontaktiert und gesagt: Ich werde vielleicht zu Schalke gehen. Seine erste Reaktion: Brillant. Für ihn ist das auch gut, denn er ist TV-Experte für DAZN in Japan, und DAZN hat die Bundesliga-Rechte (lacht).

Ist Uchida immer noch populär in Japan?

Yoshida: Oh ja. Sehr sogar.

Damals waren regelmäßig 10 bis 20 japanische Journalisten bei Schalke-Spielen. Wird das wieder so sein?

Yoshida: Ich denke nicht. Denn die Zeiten haben sich geändert: Damals waren nur wenige japanische Spieler in Europa unter Vertrag. Jetzt gibt es viele, ob in Frankreich, England, Deutschland oder woanders.

Uchida ist auf Schalke immer noch sehr beliebt. Aber auch Ko Itakura hat sich in die Herzen der Fans gespielt. Kennen Sie ihn gut?

Yoshida: Sehr gut sogar. Wir haben sehr viel Zeit gemeinsam während der Olympischen Spiele in Japan verbracht. Danach ist er Nationalspieler geworden. Wir haben oft zusammengesessen und über Fußball, den normalen Alltag oder unsere sportliche und private Zukunft gesprochen. Er mag Schalke wirklich sehr, wollte unbedingt bleiben. Das ging leider nicht, so ist das im Fußball manchmal. Ich freue mich aber sehr für ihn, dass er in Mönchengladbach eine neue Herausforderung gefunden hat.

Und was hat er Ihnen über Schalke gesagt?

Yoshida: Ko hat denselben Berater wie ich und nach der Entscheidung von Schalke, Ko nicht zu verpflichten, habe ich im Spaß zu ihm gesagt: Vielleicht holt Schalke ja mich. Dann passierte das plötzlich wirklich. Nach dem Angebot von Schalke habe ich Ko über Club und Mannschaft ausgefragt. Er hat nur positive Dinge erzählt. Und danach hat er mit Rouven gesprochen und – denke ich – nur positive Dinge über mich gesagt.

Was ist der sportliche Unterschied zwischen Itakura und Ihnen?

Yoshida: Ich habe aufgrund meines Alters mehr Erfahrung. Ko ist im Gegensatz zu mir eher Mittelfeldspieler als Innenverteidiger. Ich hoffe, dass ich mehr Tore erzielen kann als er. Wie viele hat er in der Zweiten Liga geschossen?

Vier.

Yoshida: Vier in der Zweiten Liga bedeuten drei in der Bundesliga. (lacht) Ich versuche, vier Tore zu erzielen.

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Was waren Ihre Gründe, Schalke zuzusagen?

Yoshida: Ich habe meinem Berater sofort gesagt, dass das eine Herausforderung für mich sein könnte – wahrscheinlich mit einem deutlich geringeren Gehalt als zuvor, aber das war mir nicht wichtig. Ich hätte auch nach Japan, Katar oder in die Türkei gehen können. Aber das war nicht mein Wunsch. Ich wollte unbedingt weiter in einer der besten Ligen bleiben, mit schönen Stadien, hervorragenden Fans. Und all das bietet Schalke.

Rouven Schröder hat uns Reportern erzählt, dass Maya Yoshida der Mannschaft „leadership“ bringt, also Führungsstärke. Was ist für Sie „leadership“?

Yoshida: (überlegt) Das kann ich gar nicht genau sagen, es ist bei mir einfach mein Instinkt, ich mache gar nichts Spezielles dafür. Als Innenverteidiger muss ich auf dem Platz sowieso alles kontrollieren und dirigieren.

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Ist es für Sie wichtig, Deutsch zu lernen?

Yoshida: Natürlich. Ich bin in erster Linie gekommen, um Fußball zu spielen, weil das mein Job ist. Aber durch meine Zeit in England spreche ich gut Englisch. Aber als ich nach Italien gegangen bin, habe ich das außerhalb des Platzes als eine neue Herausforderung gesehen. Nach sieben Jahren in England wollte ich unbedingt eine neue Sprache lernen. Ich habe dreimal pro Woche Italienisch gelernt. Und nun kann ich gut Italienisch sprechen, wenn auch nicht auf einem Top-Level. Aber es bereichert mein Leben dennoch. Nun lerne ich Deutsch. Meine Familie wird auch nachkommen. Die große japanische Gemeinde in Düsseldorf wird uns sehr helfen.

Also sitzen wir in einem Jahr erneut hier und sprechen auf Deutsch?

Yoshida: Gute Idee (lacht). Ich bin auf jeden Fall sicher, dass ich in einem Jahr besser Deutsch kann als Ko Itakura nach einem Jahr.

Abgeklärt als Abwehrchef und im Interview: Maya Yoshida von Schalke 04.
Abgeklärt als Abwehrchef und im Interview: Maya Yoshida von Schalke 04. © Tim Rehbein / FUNKE Foto Services | Unbekannt

Was sind auf Schalke Ihre ersten Eindrücke von Klub und Team?

Yoshida: Mein erster Gedanke war ganz klar: Was für ein großer Club. Ich kam hierher, sah das Stadion, das sehr gute Trainingszentrum, den professionellen Staff – das ist alles viel besser als in Italien. Ich versuche mitzuhelfen, den Club dorthin zu führen, wo er hingehört. Das wird aber natürlich noch einige Zeit dauern.

Was ist der Unterschied im Training zwischen England, Italien und Deutschland?

Yoshida: Vor allem zwischen Italien und Deutschland sind die Unterschiede sehr groß. Hier ist es viel physischer, in Italien geht es mehr um Technik und Taktik. Außerdem sind hier Torhüter und Spieler sehr groß, sehr kräftig. Das ist in Italien anderes, die Spieler sind meist schmaler und kleiner. Ich will aber nicht sagen: Das eine oder das andere ist besser. Der Fußball ist einfach anders.

Sie sind Kapitän der japanischen Nationalmannschaft. Wie wichtig ist Ihnen das?

Yoshida: Das ist eine große Ehre. Und sie ist einer der Gründe, warum ich hier bin. Ich will bei der Weltmeisterschaft in guter Form sein. Unglücklicherweise spielen wir in der Vorrunde gegen Deutschland –  daher wichtig für mich, den deutschen Stil, Fußball zu spielen, kennenzulernen.

Was haben Sie mit Japan für Ziele bei der WM?

Yoshida: Gegen Deutschland und Spanien wird es in der Vorrunde schwer, das ist uns klar. Beide gehören zu den besten Mannschaften der Welt. Wir werden versuchen, Lösungen zu finden.

Werden Sie auch nach der WM weiter für Japan spielen?

Yoshida: Das weiß ich noch nicht. Ich wünsche mir natürlich, für immer dort zu spielen. Mit dem Trikot einzulaufen und die Hymne zu hören, das sind ganz spezielle Momente für mich. Doch ich weiß auch: Irgendwann ist für jeden Profi die Grenze erreicht. Wann das bei mir sein wird: keine Ahnung. Mein Fokus gilt aktuell nur der WM. Natürlich will ich weiterspielen, aber zur gleichen Zeit will ich auch, dass sich der japanische Fußball verbessert. Damit meine ich, dass viele junge Spieler auch auf meiner Position immer besser werden – zum Beispiel Ko Itakura, Takehiro Tomiyasu vom FC Arsenal oder Hiroki Ito vom VfB Stuttgart.

Wollen Sie denn spielen, bis Sie 37, 38 Jahre alt sind?

Yoshida: Mit 33 Jahren bekomme ich keinen Dreijahresvertrag mehr. Jede Saison ist ein Test für mich – spiele ich gut, geht es weiter. Spiele ich schlecht, geht es vielleicht nicht mehr auf höchster Ebene oder sogar gar nicht weiter. Ich muss mich auf jede Woche, jedes Spiel konzentrieren.

Makoto Hasebe von Eintracht Frankfurt ist 38 und spielt immer noch auf dem höchsten Level.

Yoshida: Er ist ein wunderbarer Spieler. Ich habe ihn zum Abendessen getroffen und gefragt, wie er sich ernährt, wie er schläft, wie er arbeitet. Seine Antwort war: Ich mache alles ganz normal, nichts Außengewöhnliches. Seitdem weiß ich: Sein Geheimnis ist seine Mentalität.

Was muss passieren, damit Sie am Saisonende sagen: Das war eine gute Saison?

Yoshida: Fünf Dinge: Mit Schalke den Klassenerhalt schaffen. Viele Spiele bestreiten. Eine gute WM spielen. Einen neuen Vertrag bekommen. Und am wichtigsten: gesund bleiben.