Gelsenkirchen. . Als Leihspieler konnte Timo Becker bei Hansa Rostock überzeugen. Nun kehrt er zurück zu Schalke. Warum er es dort schwer haben wird.
Etwas mehr als ein Jahr ist es her, da saß Timo Becker nach einer 0:1-Niederlage in Bielefeld allein auf der Schalker Ersatzbank und weinte hemmungslos. Der Abstieg aus der Bundesliga, der durch die Pleite besiegelt war, ließ den Verteidiger nicht kalt. Als bekennenden Schalke-Fan, der es aus dem Fanblock in die Profimannschaft geschafft hatte, schmerzte ihn die königsblaue Talfahrt sehr.
Am vergangenen Montag wurde Timo Becker erneut von seinen Gefühlen übermannt. Wieder trug er Königsblau und weinte – dieses Mal waren es allerdings Freudentränen, die bei der Aufstiegsfeier von Schalke 04 auf dem Vereinsgelände vergossen wurden. Wie ein kleines Kind freute sich der 25 Jahre alte Defensivspieler über die Bundesliga-Rückkehr und die Zweitliga-Meisterschale. Von den mehr als 10.000 Fans, die zur Feier gekommen waren, wurde er mit Sprechchören lautstark gefeiert. Und das, obwohl er in der Rückrunde gar nicht auf Schalke spielte, sondern an Hansa Rostock ausgeliehen war. Zum Aufstieg hat Becker persönlich dementsprechend wenig beigetragen.
Timo Becker: "Schalke war schon immer mein Verein“
Geht es aber um Königsblau, wird der gebürtige Hertener emotional – denn Timo Becker ist ein Vollblut-Schalker. Bei seinen Eltern (ebenfalls S04-Fans) ist er in Buer unweit der Arena aufgewachsen. Schon als Kind ging er regelmäßig zu den Bundesligaspielen ins Stadion und fieberte mit. „Schalke war schon immer mein Verein“, sagte Becker vor einigen Monaten noch im WAZ-Interview.
In der Jugend schaffte es Becker dann selbst zu S04, wurde dort allerdings nach der U16 aussortiert. Erst über den Umweg Rot-Weiss Essen und die U23 der Schalker schaffte er es 2019 doch noch, sich seinen Lebenstraum zu erfüllen: einmal für die Profis in der Arena auflaufen. In der Rückrunde der Abstiegssaison 2020/21 war Becker sogar Stammspieler auf Schalke. Der Lohn war eine Vertragsverlängerung in Gelsenkirchen. Insgesamt 39 Pflichtspiele für die Profis hat er bis heute in seiner Vita stehen.
Statt allerdings in der 2. Bundesliga ein Führungsspieler zu sein, kam er in der Hinrunde unter Ex-Trainer Dimitrios Grammozis kaum zu Einsätzen. Lediglich 112 Minuten spielte er in der zurückliegenden Saison für S04. Zwischenzeitlich wurde Becker sogar in die U23 zurückversetzt. Eine Maßnahme, die dem Verteidiger wehtat. Der Leih-Wechsel zu Hansa Rostock im Januar dieses Jahres war wenig überraschend – und der Schritt hat sich für Becker ausgezahlt.
Hansa Rostock will Schalkes Timo Becker fest verpflichten
In Rostock nämlich war Becker wieder wichtig. Schon wenige Tage nach seinem Wechsel stand er für Hansa in der Startelf – und blieb dort bis zum Saisonende. Immer, wenn der Leihspieler aus Gelsenkirchen fit war, spielte er von Beginn an. Mal als Innenverteidiger, mal auf der rechten Abwehrseite. Doch egal, wo er spielte: Becker überzeugte Hansa-Trainer Jens Härtel und auch die Verantwortlichen an der Ostsee. Dass Rostock Becker gern verpflichten würde, ist kein Geheimnis. „Timo war für uns ein Gewinn, wir würden ihn gern behalten. Aber nach seinen Leistungen hier und dem Aufstieg von Schalke sind unsere Chancen nicht größer geworden. Wir sind nicht das erste Haus am Platz“, sagte Hertel zuletzt.
Dank seiner guten Leistungen dürfte Becker auch für andere Zweitligisten interessant sein. Da sein Vertrag auf Schalke aber nur noch ein Jahr läuft, ist eine weitere Ausleihe nicht möglich.
Erst einmal wurde der Leihspieler in Rostock allerdings verabschiedet. Denn Becker hofft weiter auf eine neue Chance auf Schalke, wie die WAZ erfahren hat. In den zurückliegenden Monaten hat der Verteidiger Selbstvertrauen getankt und Spielpraxis gesammelt und will einen neuen Anlauf auf Schalke wagen.
Für Timo Becker ist die Konkurrenz auf Schalke groß
Doch hat Timo Becker auf Schalke wirklich eine Zukunft? Das ist fraglich. In der Innenverteidigung ist der Bundesliga-Kader der Gelsenkirchener schon recht breit aufgestellt – unabhängig davon, ob Ko Itakura (ausgeliehen von Manchester City) fest verpflichtet werden kann. Die totale Identifikation Beckers wird auf Schalke zwar geschätzt, doch sportlich wäre es für ihn auch in der kommenden Saison schwierig, auf Einsatzzeiten zu kommen.
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Dass die Gelsenkirchener in den vergangenen Wochen in Leo Greiml (ablösefrei von Rapid Wien) und Ibrahima Cissé (ablösefrei von KAA Gent) gleich zwei neue Innenverteidiger verpflichtet haben, lässt Beckers Chancen auf Spielpraxis nicht gerade steigen. Auf der rechten Seite hat er nur eine minimal bessere Perspektive, da für diese Position ein Neuzugang fest eingeplant ist.
Natürlich hat auch der neue Trainer der Königsblauen noch Einfluss auf die Personalie Timo Becker, doch vieles deutet derzeit auf einen Abgang in diesem Sommer hin. Die Aufstiegsfeier am Montag könnte also tatsächlich das letzte Mal gewesen sein, dass Becker im Kreise der Schalke-Profis gefeiert hat.