Gelsenkirchen. Bei Schalke 04 kommt Marvin Pieringer immer besser in Fahrt. Im Interview spricht er über seinen ungewöhnlichen Karriereweg und seine Zukunft.
Gut gelaunt und voller Selbstvertrauen erscheint Marvin Pieringer zum Gespräch mit der WAZ. Denn sportlich läuft es beim 22 Jahre alten Stürmer von Schalke 04 immer besser – der Knoten scheint geplatzt zu sein. Im vergangenen Ligaspiel gegen Aue (5:0) steuerte er ein Tor und eine Vorlage bei, im Test beim 1. FC Köln (2:2) am Donnerstag traf er ebenfalls.
Im Interview spricht Pieringer über seine ersten Monate auf Schalke, seinen ungewöhnlichen Weg zum Profi, seinen Traum von der Bundesliga und seine Zukunft.
Marvin Pieringer, Ihr Vater ist vor einigen Jahren von Metzingen in Baden-Württemberg mit dem Fahrrad über 6200 Kilometer bis zum Nordkap gefahren ist. Haben Sie ähnlich verrückte Hobbys?
Marvin Pieringer: (lacht) Mein Vater ist ziemlich sportlich unterwegs und macht manchmal verrückte Sachen. Das Hobby Fahrradfahren ist bisher aber nicht auf mich übergesprungen, auch zum Nordkap muss ich nicht unbedingt, mich zieht es eher ins Warme. Verrückte Hobbys habe ich nicht. Ich bin für jegliche Arten von Sport zu haben, spiele in meiner Freizeit auch gern mal Basketball. Am liebsten mag ich aber natürlich den Fußball.
Wie verbringen Sie ansonsten Ihre Freizeit?
Pieringer: Ich zocke ganz gern mit Freunden, bin aber auch oft draußen. Im Ruhrgebiet habe ich mir auch schon einige Dinge angeschaut. Ansonsten verbringe ich viel Zeit mit meiner Freundin. Sie studiert zwar in Freiburg, da aber durch die Corona-Beschränkungen fast alle Vorlesungen und Seminare online stattfinden, ist sie oft bei mir in Gelsenkirchen.
Das ist Marvin Pieringer
Marvin Pieringer (22) ist in Metzingen aufgewachsen und durchlief sämtliche Jugendmannschaften des SSV Reutlingen. Für den ehemaligen Zweitligisten debütierte er 2017 als 18-Jähriger in der Oberliga.
2019 wechselte der Stürmer zum SC Freiburg II (60 Spiele, 21 Tore).
Im Januar 2021 wurde er für ein halbes Jahr an die Würzburger Kickers in die 2. Bundesliga ausgeliehen (20 Spiele, sechs Tore). Seit Sommer 2021 ist er an Schalke 04 ausgeliehen (bislang 19 Spiele, zwei Tore).
Anders als viele Ihrer Profi-Kollegen haben Sie nie ein Nachwuchsleistungszentrum besucht. Den Großteil Ihrer Jugend haben Sie beim SSV Reutlingen verbracht. Welche Vorteile hatte das für Sie?
Pieringer: Ich bin rückblickend ganz froh, dass ich nicht in einem NLZ war, weil ich so den Großteil meiner Jugend zu Hause verbringen konnte. Ich hatte weiter meinen Freundeskreis aus der Heimat und im Verein wenig bis gar keinen Druck. Im NLZ geht es sicherlich häufig deutlich härter zu.
Warum haben Sie in der Jugend nicht für einen großen Verein gespielt?
Pieringer: Um ehrlich zu sein, gab es für mich relativ wenige Optionen zu wechseln. Aber ich war auch in Reutlingen sehr glücklich, habe zunächst in der Bezirks- und Landesliga gespielt, dann in der U19-Oberliga. Für mehr hatte es bis dahin noch nicht gereicht. Der letzte Leistungsschub ist bei mir erst zum Ende meiner Jugend gekommen.
Was wäre Ihr Plan B gewesen, wenn Sie es nicht zum Profi geschafft hätten?
Pieringer: Vielleicht hätte ich Sportwissenschaften studiert. Ich bin meinen Eltern extrem dankbar dafür, dass sie mich auf meinem Weg zum Profifußball so unterstützt haben. Vor meinem Wechsel nach Freiburg 2018 habe ich mit Ihnen besprochen, dass ich mir beim SC zwei Jahre Zeit nehme, um es im Fußball zu schaffen. Wenn danach absehbar gewesen wäre, dass es im Profifußball schwer für mich werden wird, hätte ich ein Studium angefangen.
In Freiburg waren Sie zweimal mit im Profi-Trainingslager, standen aber nie im Bundesliga-Kader. Wie haben Sie diese Zeit empfunden?
Pieringer: Die letzten Monate vor meinem Wechsel nach Würzburg im Januar 2021 habe ich nur noch bei den Profis trainiert, aber in der U23 gespielt. Für den Schritt in den Bundesligakader hat es für mich damals noch nicht ganz gereicht. Deshalb habe ich mich in dem Winter für den Wechsel nach Würzburg entschieden. Viele haben nicht verstanden, warum ich zum abgeschlagenen Letzten der 2. Liga gegangen bin, für mich war es aber der richtige Schritt. Ich habe wertvolle Erfahrungen im Profifußball gesammelt – und konnte mich glücklicherweise sogar für Schalke empfehlen.
Warum hat es in Freiburg für Sie nicht ganz gereicht?
Pieringer: Die Freiburger hatten schon vor eineinhalb Jahren viele gute Optionen im Sturm. Vielleicht war ich noch zu unerfahren. Ich habe in jedem Training alles gegeben, hatte auch das Gefühl, nah dran zu sein, wurde jedoch nie für den Spieltagskader nominiert. Das war teilweise natürlich frustrierend für mich, weil ich unbedingt in der Bundesliga spielen wollte. Trainer Christian Streich hat immer mal wieder das Gespräch mit mir gesucht und mir gesagt, dass meine Chance irgendwann kommen wird – so lange wollte ich aber nicht warten.
Was konnten Sie aus der Zusammenarbeit mit Streich lernen?
Pieringer: Er ist ein ganz besonderer Typ. Unter ihm zu trainieren, hat immer Spaß gemacht, ist aber auch extrem hart. Er bringt jeden einzelnen Spieler weiter. Wichtig ist aber, seine Anweisungen genau umzusetzen Sonst kann es auch mal ungemütlich werden. (lacht)
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Seit dem Sommer sind Sie nun aus Freiburg an Schalke 04 ausgeliehen. Was war in Ihrer Kindheit Ihre erste Erinnerung an Schalke?
Pieringer: Seit ich ein Kleinkind bin, interessiere ich mich für Fußball und schaue die Spiele im Fernsehen. Schalke war da allgegenwärtig. Der Verein war und ist ein Top-Klub, einer der größten Vereine Europas. An eine spezielle Spielszene erinnere ich mich nicht, aber schon immer hat mich die Leidenschaft der Fans beeindruckt, die ich hier inzwischen auch erleben durfte.
Wie hat sich Ihr Leben verändert, seit Sie Profi auf Schalke sind?
Pieringer: Wenig. Ich habe noch immer dieselben Freunde und meine Familie, die mir großen Halt geben. Inzwischen werde ich zwar mal auf der Straße erkannt, aber auch das kommt nicht jeden Tag vor. Auch schon vor meiner Zeit auf Schalke war ich eher ein ruhiger Typ, der wenig auf Partys geht.
Wie gehen Sie mit dem größeren Druck auf Schalke um?
Pieringer: Der Druck, der auf Schalke herrschen kann, ist für mich größer als in Würzburg oder in der zweiten Mannschaft des SC Freiburg, keine Frage. Aber gerade von Vereinsseite werde ich unterstützt, und nicht zusätzlich unter Druck gesetzt.
Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer bisherigen Saison?
Pieringer: Zu Saisonbeginn habe ich mich noch schwergetan, ich bin nicht gut reingekommen. Mir war natürlich bewusst, dass wir im Sturm gut besetzt sind. Dass ich nicht immer 90 Minuten auf dem Platz stehe, war erwartbar. Aber ich habe trotzdem den Anspruch, zu spielen. Anfangs habe ich nicht so viele Minuten bekommen, aber ich wusste, dass auch ich der Mannschaft weiterhelfen kann. In den vergangenen Wochen hat es sich für mich persönlich gut entwickelt – da helfen natürlich auch Tore weiter. Jetzt hoffe ich, dass es so weitergeht.
Am Samstag geht es in der Liga gegen Jahn Regensburg weiter. Inwieweit steckt die 1:4-Niederlage aus dem Hinspiel noch in den Köpfen der Mannschaft?
Pieringer: Wir wollen das Spiel unbedingt gewinnen. Die klare Niederlage aus dem Hinspiel motiviert uns zusätzlich. Wir wollen zeigen, dass wir es besser können.
Was ist für Schalke in dieser Saison drin?
Pieringer: Für mich persönlich ist der Aufstieg das klare Ziel. Ich will in der nächsten Saison unbedingt in der Bundesliga spielen. Das ist mein großer Traum.
Aktuell sind Sie noch vom SC Freiburg II an Schalke ausgeliehen. Wo werden Sie in der kommenden Saison spielen?
Pieringer: Ich fühle mich hier extrem wohl und hoffe, noch eine Weile auf Schalke spielen zu können.