Hamburg. Schalke 04 zeigte im Topspiel beim Hamburger SV (1:1) seine beste Saisonleistung. Der Winter-Endspurt stärkt Trainer Dimitrios Grammozis.

Mit einem Brunch am Sonntagmorgen endete für die Profis des FC Schalke 04 das wilde Fußball-Jahr 2021 – für die sportliche Leitung stand anschließend eine abschließende Spielanalyse an. Noch bis Anfang Dezember sah es so aus, als könnte die letzte Analyse des Jahres anklagenden Charakter gegenüber Trainer Dimitrios Grammozis haben. Manchmal aber kann auch ein Unentschieden, wie das 1:1 (0:1) beim Hamburger SV am Samstag, einer Saison eine Wende geben. Und dafür sorgen, dass eine Analyse nicht stundenlang dauert und es dabei um eine Krise geht, sondern unspektakulär abläuft.

Es ist nur etwas über zwei Wochen her, als Schalke in der Zweiten Liga ins Mittelmaß abgerutscht war. Mit 1:2 hatten die Königsblauen beim Tabellenführer FC St. Pauli verdient verloren, zudem mit zahlreichen Ausfällen zu kämpfen. Grammozis selbst fehlte wegen einer Corona-Erkrankung, wirkte machtlos. Nun hat sich Schalke beeindruckend zurückgekämpft – und nach dem Tiefpunkt gab es nun den Höhepunkt, ebenfalls in Hamburg. „Es gab nur eine Mannschaft, die den Sieg verdient gehabt hätte. Und das waren wir“, sagte Grammozis.

Schalke kann Top-Teams besiegen

Der 43 Jahre alte Trainer hat in dieser kurzen Zeit etwas geschafft, was ihm wenige zugetraut hatten: Er hat seine Mannschaft so umgebaut, dass sie in der Lage ist, auch Top-Teams zu besiegen. Er hat Schalke mutiger, offensiver gemacht. Er erlaubt inzwischen risikoreiche Einzelaktionen – zunächst zahlte sich das beim 4:1 über Nürnberg vor einer Woche aus, nun in Hamburg. Und zum Rapport musste er deshalb nun nicht mehr. Er dürfte ein großes Lob bekommen haben. Unter großem Druck so zu arbeiten – das gelingt nicht jedem.

Ko Itakura (rechts) klatscht nach seinem Treffer zum 1:1 mit Darko Churlinov ab.
Ko Itakura (rechts) klatscht nach seinem Treffer zum 1:1 mit Darko Churlinov ab. © dpa

Die Schalker Spielweise beim bis dahin heim- und defensivstarken HSV überraschte nicht nur die 15.000 Zuschauer im Volksparkstadion, sondern auch Schalkes häufig kritische Fans – ob im Stadion oder vor den TV-Geräten. Auf den frühen Rückstand durch Robert Glatzels Kopfball nach 80 Sekunden reagierte Schalke nicht schockiert, sondern gestaltete das Spiel fortan dominant.

29 Schalke-Torschüsse – Saisonrekord

29 Mal schossen die Schalker aufs Tor, Saisonrekord. Sie erarbeiteten sich zudem 13 Ecken. Und das, obwohl der HSV die wenigsten Gegentore in der Zweiten Liga kassiert hat. Wegen einer aberwitzig schwachen Chancenausbeute reichte es nur zu einem Tor von Abwehrchef Ko Itakura zum 1:1-Endstand (86.). Die beste Möglichkeit ließ Darko Churlinov liegen (52.), als er freistehend vorbeischoss – eine Szene für jeden Jahresrückblick. „Das waren zwei Punkte zu wenig“, sagte Grammozis. Ähnlich formulierte das Stürmer Marius Bülter: „Wenn man sieht, was wir alles vergeben haben, muss man sich ärgern, dass wir nur einen Punkt mitgenommen haben.“

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Inzwischen haben die lange wegen der offensiven Einfallslosigkeit geschmähten Schalker die viertmeisten Tore erzielt. Und fit sind sie auch: Kein Zweitliga-Team hat häufiger in der Schluss-Viertelstunde getroffen. Hin- und Rückspiel gegen den HSV stehen für eine unverkennbare Entwicklung. Beim 1:3 im Juli am ersten Spieltag hatte Schalke nur 27 Prozent Ballbesitz, verlor verdient, kam nur durch Einzelaktionen zu Torszenen. Nun gelang Schalke die beste Saisonleistung, phasenweise ein Powerplay. „Wir haben unsere DNA gezeigt. Wir haben gezeigt, was Schalke ist“, sagte Kapitän Victor Palsson.

Schalke-Trainer Grammozis mit gutem Verhältnis zum Team

All das ist auch ein Verdienst des nicht bei allen unumstrittenen Trainers. Die 14-tägige Abwesenheit durch die Corona-Isolation schadete dem Verhältnis zwischen Grammozis und den Profis nicht. Im Gegenteil. Es gab viele Videogespräche und Telefonate. Lange war das Verhältnis zwischen einem Schalker Trainer und seiner Mannschaft nicht mehr so gut wie aktuell, ist aus Vereinskreisen zu hören.

Schalke-Kapitän Victor Palsson (rechts) im Duell mit HSV-Verteidiger Mario Vuskovic.
Schalke-Kapitän Victor Palsson (rechts) im Duell mit HSV-Verteidiger Mario Vuskovic. © firo

Doch bei allem Lob kurz vor dem Weihnachtsfest: Schalke überwintert auf dem vierten Platz – ein Rang, der am Saisonende nicht zum Aufstieg genügen würde. Damit es weiter nach oben geht, sollen neue Spieler kommen – aber nicht um jeden Preis. „Wenn alle fit sind, haben wir schon eine richtig gute Mannschaft“, sagt Sportdirektor Rouven Schröder. Salif Sané ist zum Beispiel wieder da, der Abwehr-Riese. In Hamburg spielte er bereits in der Schlussphase mit – im Angriff.

Und ab 3. Januar, pünktlich zum Trainingslager-Start in Belek, soll auch Top-Torjäger Simon Terodde nach auskurierter Verletzung zurückkehren. In Hamburg fehlte er sehr. „Er hätte vielleicht in der einen oder anderen Situation einen besseren Torriecher gehabt“, seufzte Grammozis. Aber auch ohne Terodde-Tor und Sieg beim HSV wird die Stimmung kurz vor Weihnachten besinnlich sein, wenn sich die Klub-Bosse treffen. Schalke träumt mehr denn je vom Wiederaufstieg, und so realistisch erschien der noch nie. Das ist für die Fans zu Weihnachten ein schönes Geschenk.