Gelsenkirchen. Zum dritten Mal seit Januar 2019 wurde Torwart Ralf Fährmann aus sportlichen Gründen bei Schalke 04 auf die Bank geschickt. Eine Analyse.

Es war eine Szene mit Herz: Kurz nachdem Marius Bülter den FC Schalke 04 im Zweitliga-Spiel gegen den FC Ingolstadt (3:0) in Führung gebracht hatte, rannte er auf den Ersatztorwart zu, schloss ihn in die Arme. Eine Geste, die vor allem einem gut tat: Ralf Fährmann. 33 Jahre alt ist er seit ein paar Tagen – und in einer Karriere, die seit fast drei Jahren einer Achterbahnfahrt mit einer Weltrekordanzahl an Loopings gleicht, geht es wieder steil nach unten. Diesmal droht ihm auf Dauer das Reservistendasein – sogar als Endstation die Ersatzbank.

Schalke-Torwart Fährmann in der Abstiegssaison: 50 Gegentore

Am 20. Januar 2019 begann für den Ur-Schalker Fährmann, der als 14-Jähriger 2003 nach Gelsenkirchen kam, der Absturz. Trainer Domenico Tedesco setzte ihn, den Kapitän, im Bundesligaspiel gegen den VfL Wolfsburg auf die Bank. „Wir hatten das Gefühl, dass Ralle nicht ganz frei im Kopf ist“, sagte Tedesco. Fährmanns Nachfolger, der noch junge Alexander Nübel, überzeugte und blieb bis Saisonende im Tor.

Und noch mehr: Nübel blieb Stammtorwart, wurde im Sommer 2019 gar Kapitän, Fährmann ließ sich erfolglos ausleihen. Im Sommer 2020 kehrte er zurück, wurde von Trainer David Wagner zur Nummer eins ernannt. Nachdem Wagner gefeuert worden war, setzte ihn Nachfolger Manuel Baum wieder auf die Bank und vertraute Frederik Rönnow. Nur weil sich Rönnow oft verletzte, kam Fährmann doch zu 22 Einsätzen in der Abstiegssaison 2020/21 – er kassierte in diesen Spielen aber 50 Tore; im Schnitt 2,2 pro Spiel. Ein irrer Wert.

Torjubel: Ralf Fährmann (r.) freut sich mit Schalke-Stürmer Marius Bülter.
Torjubel: Ralf Fährmann (r.) freut sich mit Schalke-Stürmer Marius Bülter. © firo

In dieser Saison sollte nun alles anders werden. Nach dem Abstieg in die Zweite Liga sah sich Fährmann als eine Säule des Wiederaufbaus. Er streckte seinen noch zwei Jahre gültigen Vertrag auf vier Jahre. Er ist zwar immer noch ein teurer Torwart, in der aktuellen Saison spart Schalke aber Geld im Personaletat. Selbstverständlich sei das für ihn gewesen, sagte er. Zudem bekam er auch von Trainer Dimitrios Grammozis zunächst den Posten als Stammtorwart. Ein Happy End?

Befreundet mit Schalkes Ex-Torwarttrainer Simon Henzler

So ganz hatte Fährmann der Situation nicht getraut. Der ehemalige Torwarttrainer Simon Henzler war vor der Saison durch den Niederländer Wil Coort ersetzt worden. Fährmann ist aber mit Henzler eng befreundet. „Simon ist für mich einer der, wenn nicht sogar der beste Torwarttrainer in Deutschland. Er hat überall ein hohes Standing. Es schmerzt, auf ihn zu verzichten“, sagte Fährmann. Sein Verhältnis zu Coort ist professionell, nicht herzlich. Mit Henzlers Art des Torwarttrainings konnte er mehr anfangen.

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Hinter vorgehaltener Hand heißt es im Klub, Coort habe von Beginn an deutlich gemacht, nicht auf einen Torwart-Typen wie Fährmann bauen zu wollen. Für eine neue Nummer eins fehlte aber das Geld. Es war klar: Entweder Fährmann oder Markus Schubert würden im Tor stehen. Trotz aller Bedenken: Fährmann setzte sich durch, Schubert wurde verkauft. „Wir wissen, wo Ralle seine Stärken hat – wir wissen aber auch, wo er seine Schwächen hat“, sagte Trainer Grammozis vor Saisonbeginn. Fährmanns größte Stärke waren immer blitzartige Reflexe auf der Torlinie, ein gutes Stellungsspiel im Eins-gegen-eins-Duell. Seine Schwäche war schon immer der Spielaufbau. Ein Bereich, der im Torwartspiel von Jahr zu Jahr wichtiger wird.

Schalke: Nun ist Martin Fraisl die Nummer eins

Und das ist auch ein Hauptgrund dafür, dass Grammozis Fährmann nach nur fünf Spielen aus dem Tor nahm, obwohl Fährmann nicht verletzt war – als dritter Trainer nach Tedesco und Baum. Die Gegner in der Zweiten Liga sahen in Schalkes Spielaufbau über Fährmann eine der größten Schwächen, setzten auf frühes Pressing. Und in seiner Kerndisziplin sah er auch weniger gut aus. Intern wurde ihm bei drei Gegentoren mindestens eine Teilschuld zugesprochen. „Ich stelle nicht nach Vertragsdauer oder Typen auf, sondern zum Wohle von Schalke 04. Ich weiß auch, wie es ist, wenn man mal nicht spielt. Ich war auch Profifußballer. Man hat schon gemerkt, dass es ein paar Tage gedauert hat, bis Ralle das realisiert hat“, sagte Grammozis.

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Nach Nübel und Rönnow ist nun Martin Fraisl der dritte Torwart, der Fährmann verdrängt hat. Zweimal spielte Fraisl, zweimal blieb Schalke ohne Gegentor. Fährmann darf sich auf eine längere Zeit auf der Bank einstellen. Es könnte sogar eine Dauerrolle bis Vertragsende im Sommer 2025 werden.