Mittersill. Ein Schalke-Profi aus der zweiten Reihe hat besonders viel zu sagen: Der langjährige Ersatztorwart Michael Langer spricht im Interview Klartext.

Michael Langer, 36 Jahre alt, hat Zeit mitgebracht, als er zum Interview mit dieser Zeitung auf der Terrasse des Schlosses Mittersill erscheint. Die Sonne scheint, der Blick in die Kitzbüheler Alpen ist herrlich. Langer ist beim Neu-Zweitligisten FC Schalke 04 mehr als nur ein Ersatztorwart. Im Gespräch geht es um das Torwartspiel, die Torhütergruppe, sportliche Ambitionen und mehr.

Herr Langer, Sie haben als einziger alle Mittersill-Trainingslager seit 2017 mitgemacht. Was hat sich in dieser Zeit geändert?

Michael Langer: Nicht viel. Man freut sich immer, wieder hierher zu kommen – auf das Schloss, auf den Platzwart. Für mich ist es auch ein Stück Heimat.

Wenn man aber auf die Mannschaft, das Trainerteam, den Staff und das Funktionsteam schaut – da hat sich seit 2017 sehr viel getan…

Langer: Das ist ein Teil des Geschäfts. Zum einen ist es schön, neue Leute, neue Gedanken, neue Philosophien kennenzulernen – aber natürlich will man in der Konstellation, in der man in die Vorbereitung startet, möglichst erfolgreich sein. Das zeichnet einen Mannschaftssport aus.

Schalke-Torwart Michael Langer (l.) im Gespräch mit Reporter Andreas Ernst.
Schalke-Torwart Michael Langer (l.) im Gespräch mit Reporter Andreas Ernst. © Tim Rehbein / RHR-Foto

Dass Sie noch einmal nach Mittersill fahren dürfen, war lange unklar. Ihr Vertrag endete am 30. Juni. Hat es Sie überrascht, dass Schalke noch einmal um ein Jahr verlängern wollte? Viele andere mussten in einer solchen Situation gehen…

Langer: Es ist ganz normal in so einer schwierigen Situation, dass ein Verein schaut, wie man umstrukturieren, was man ändern kann. Ich war sehr glücklich über das Angebot, weil Schalke für mich etwas Besonderes ist. Ich hatte auch die eine oder andere Anfrage anderer Klubs. In erster Linie war für mich aber wichtig: Was denkt Schalke? Ich bin kein Typ, der, wenn’s mal scheiße läuft, sagt: Nach mir die Sintflut. Ich bin dankbar, die Möglichkeit zu bekommen, etwas wieder gutzumachen.

Einer, der gehen musste, war der langjährige Torwarttrainer Simon Henzler – für viele Außenstehende überraschend. Für Sie auch?

Das ist Schalke-Torwart Michael Langer

Zweitliga-Kader des FC Schalke 04 ist Michael Langer der einzige Profi, der mal Deutscher Meister wurde – 2007 mit dem VfB Stuttgart. In der Meister-Saison unter Trainer Armin Veh kam er sogar zu einem Einsatz.

Das war der sportliche Höhepunkt in Langers Karriere, die den Österreicher auch nach Norwegen, Schweden und in die USA führte. Fußballerisch ausgebildet wurde er in seiner Heimat Bregenz am Bodensee. Im Alter von 18 Jahren wechselte er zum VfB Stuttgart, gehörte zunächst der Amateurmannschaft an und spielte in der Regionalliga Süd. In der Saison 2006/07 rückte er zu den Stuttgarter Profis auf, wurde Meister.

Da er keine Perspektive sah, einen Stammplatz zu erkämpfen, begann nun seine Zeit als Wandervogel. Er spielte für den SC Freiburg (2008 bis 2010), den FSV Frankfurt (2010 bis 2012), den SV Sandhausen (2012 bis 2014), Valerenga Oslo (2014/15), die Tampa Bay Rowdies (2016) und den IFK Norrköping (2016/2017), bevor er im Sommer 2017 zum FC Schalke 04 wechselte.

Meist war er beliebter Ersatztorwart. Obwohl er seit 2004 für Seniorenmannschaften spielberechtigt ist, bestritt er in dieser Zeit lediglich 176 Pflichtspiele - im Schnitt nur etwa zehn pro Saison. (aer)

Langer: Wir waren alle sehr überrascht. Wir haben Simon sehr geschätzt, er hat immer versucht, uns akribisch weiterzuentwickeln. Aber wie vorhin bereits gesagt: Es ist Teil des Geschäftes. Jetzt ist Wil Coort da, der über eine riesengroße Erfahrung verfügt, eine große Torwarttrainer-Laufbahn hat. Er hat in den ersten Tagen versucht, uns seine Philosophie näherzubringen.

Was ist an der niederländischen Torwartschule, die Wil Coort Ihnen näherbringt, anders?

Langer: Was immer gleich bleibt: Man versucht, so wenig Gegentore wie möglich zu bekommen. In der deutschen Torhüter-Ausbildung wird aber der Schwerpunkt etwas anders gelegt als in Italien, England und den Niederlanden. Das Torwartspiel an sich hat sich ja sehr verändert. Als ich angefangen habe, hieß es hinten: Pöhl das Ding hinten raus und bleib auf deinem Dreckhügel (lacht). Ein paar Jahre davor konnte man ja sogar noch den Rückpass in die Hände nehmen. Jetzt ist ein Torwart wie ein elfter Feldspieler. Da geht es um Positionierung im Ballbesitz und wenn der Gegner den Ball hat.

Werden Sie denn aktuell noch überrascht von Trainingsinhalten – auch nach so vielen Jahren im Profifußball?

Langer: Das Grundtorwarttraining ist es etwas anders. Wir schießen mehr aufs Tor, wir sind mehr der ausführende Part im Training. Wil übernimmt die Rolle des Trainers, der daneben steht und auf die saubere technische Ausführung achtet.

Ändert sich das Torwartspiel in der 2. Bundesliga? Wird ein guter Spielaufbau essenziell wichtig?

Langer: Auch in der Bundesliga war unser Ziel, dass wir wenig Torschüsse zulassen, was uns im Kollektiv nicht gelungen ist. Natürlich wollen wir am sauberen Spielaufbau arbeiten. Daran, dass wir als Torhüter eine gute Positionierung haben, aus der wir unsere Mitspieler unterstützen können – im Ballbesitz, auch wenn wir den Ball verlieren sollten.

Markus Schubert ist nach einem Jahr bei Eintracht Frankfurt zurückgekehrt. Hat er sich verändert?

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Langer: Schubi ist Schubi. (lacht) Er ist gut drauf, bringt sich super ein, ist wissbegierig. Wir ergänzen uns sehr gut, pflegen einen sehr guten Umgang auf und außerhalb des Platzes. Wir sitzen auch im Hotel mal auf einen Kaffee zusammen und quatschen. Das ist alles sehr homogen.

Die Torwartfrage wird auf Schalke seit Jahren heiß diskutiert – jetzt schon wieder. Hat das Auswirkungen auf die Stimmung in der Torwartgruppe?

Langer: Im Training merkt man davon gar nichts. Wir haben dieselbe Arbeitsauffassung wie vor vier, drei, zwei, einem Jahr. Wir versuchen, uns extrem positiv zu unterstützen, wollen als Team funktionieren. Wir haben einen gesunden Konkurrenzkampf, legen hohen Wert auf Kommunikation. Wir glauben, dass uns das auf lange Sicht mehr hilft als eine Rivalität ohne Kommunikation.

Ist der Zusammenhalt auch außerhalb des Rasens gegeben? Die Torwartdiskussion kann doch niemand verdrängen.

Schalkes Torwart-Trio bilden (v. l.) Ralf Fährmann, Michael Langer (im Hintergrund) und Markus Schubert.
Schalkes Torwart-Trio bilden (v. l.) Ralf Fährmann, Michael Langer (im Hintergrund) und Markus Schubert. © Tim Rehbein / RHR-Foto

Langer: Was ich vorhin gesagt habe: So läuft das Fußballgeschäft.

Sie sind Mitglied im Mannschaftsrat, waren es auch im Abstiegsjahr. Haben Sie inzwischen eine Erklärung, warum das in die Hose gehen konnte?

Langer: Viele Dinge haben eine Rolle gespielt. Wenn wir das Rezept dagegen gehabt hätte, hätten wir im September gesagt: Das läuft falsch, das müssen wir ändern. Wir haben versucht, das ganze Jahr einzuwirken, viele Dinge zu verändern. Es war absolut nicht so, dass uns die Situation am Arsch vorbeigegangen ist. Sie war sehr belastend, mental wie körperlich. Es war ein extrem forderndes Jahr. Doch es gilt, aus den negativen Erfahrungen das Positive herauszuziehen. Jetzt geht es wieder bei Null los.

Ist das wirklich so einfach oder hängt das noch in den Kleidern? Nicht nur Sie, auch andere aus der Abstiegssaison sind noch da.

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Langer: Ich denke, dass der Urlaub sehr gut getan hat. Einfach etwas Abstand zu gewinnen. Und die Jungs, die dazugekommen sind, wollen anpacken – Victor Palsson, Danny Latza, Simon Terodde, Marcin Kaminski und die anderen gehen richtig voran. Das ist eine extreme Hilfe. Man spürt positive Energie.

Es ist aber dennoch nicht einfach, das Alte und das Neue zu verbinden, weil einige der verbliebenen Spieler noch gehen sollen.

Langer: Die Situation ist für die Spieler nicht einfach, weil sie wissen: Wir sollen gehen, wir wollen gehen. Der Transfermarkt aber ist aktuell sehr langsam. Ich kann nur sagen: Jeder bringt sich extrem gut ein, wir trainieren sehr professionell. Egal, ob einer vergangenes Jahr da war oder neu ist: Alle versuchen, sich durchzubeißen.

Wie schätzen Sie den Trainer ein? Sie haben viele Trainer erlebt seit 2017…

Langer: (lächelt) Leider Gottes…

Was zeichnet Dimitrios Grammozis aus?

Langer: Er hat eine klare Linie und versucht, diese durchzusetzen. Das wird eine sehr fordernde Saison. Ich kenne die 2. Bundesliga, da wird uns keiner etwas schenken. Mit dem taktischen Aspekt, mit den physischen Komponenten, die wir aufarbeiten, macht er das sehr gut. Er hat eine klare Ansprache, eine klare Philosophie, wie er Fußball spielen lassen möchte.

Ein Teil des „neuen“ Schalke ist Reinhold Ranftl, genau wie Sie ein Österreicher. Hat er das Zeug zum Publikumsliebling?

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Langer: Reini macht einen super Eindruck. Er ist ein Arbeiter, Top-Profi, ein super angenehmer Typ. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass er sich in die Herzen der Fans spielt.

In der Abstiegssaison waren keine Fans in der Arena – jetzt kehren sie wohl zurück. Holen die Fans in der Arena Punkte?

Langer: Zu 100 Prozent. Ich durfte auch mal als Gegner in die Veltins-Arena reisen. Das war immer etwas Besonderes. Man hat Respekt vor der Kulisse,denn die ist in schwierigen Momenten für die Mannschaft da, entzieht dem Gegner ein, zwei Prozent, die ausschlaggebend sein können. Jeder weitere Fan, der kommen darf, ist ein absoluter Gewinn.

Sie werden stets als Nummer drei bezeichnet. Haben Sie denn unter Torwarttrainer Wil Coort selbst sportliche Ambitionen, die Nummer eins zu werden?

Langer: (lacht) Ich habe hier nur verlängert, weil ich der Meinung bin, dass ich fit genug bin, um den Jungs etwas zu geben. Und dass ich auf einem guten Niveau halten kann. Was am Ende dabei herauskommt, entscheiden der Cheftrainer und der Torwarttrainer. Das Wichtigste ist, dass wir als Mannschaft Erfolg haben, dann profitiert jeder Einzelne. Ich persönlich stecke mir keine Ziele, weil ich jeden Tag auf den Platz gehe und am Abend sagen will: Heute hast du alles gegeben. Alles andere bringt nichts und hemmt dich nur.