Mittersill. Abwehrspieler aus Polen hatte Schalke 04 schon. Wir haben mit Zugang Marcin Kaminski über prominente Vorgänger und seine Ziele gesprochen.
Nach viereinhalb Trainings-Stunden an einem Tag kommt Marcin Kaminski im Schloss Mittersill ganz langsam zum Interview mit dieser Redaktion in den Rittersaal. „Die Beine sind nicht locker und wir sind alle wirklich müde“, sagt er zur Begrüßung. „Aber genau jetzt ist es die richtige Zeit für intensives Training.“ Der 29-Jährige kam vom VfB Stuttgart zum FC Schalke 04 – als Abwehrspieler aus Polen hat er prominente Vorgänger...
Wissen Sie, dass Sie auf Schalke in große polnische Abwehr-Fußstapfen treten?
Marcin Kaminski: (lacht) Natürlich weiß ich das. Mein Berater, der in der Nähe von Bonn lebt, hat mir viel über die polnische Geschichte im Ruhrgebiet erzählt. Und an dem Tag, an dem ich den Vertrag auf Schalke unterschrieben habe, habe ich mit Tomasz Waldoch geredet. Er wusste, dass ich kommen würde. Und mit Tomasz Hajto habe ich ein paar SMS hin und her geschickt.
Sind Sie eher ein ruhigerer Typ wie Waldoch oder ein rustikaler wie Hajto?
Kaminski: Eher Tomasz Waldoch, würde ich sagen.
15 Gelbe Karten in einer Saison wie Hajto schaffen Sie nicht?
Kaminski: (lacht) Manchmal schaffe ich sogar eine ganze Saison ohne Gelbe Karte…
Sie haben zwei schwere Jahre hinter sich – zunächst fielen Sie wegen einer Verletzung lange aus, dann saßen sie überwiegend auf der Bank oder sogar der Tribüne. Ist Schalke eine Art Neuanfang für Sie?
Kaminski: Schalke ist für mich eine schöne und große Herausforderung. Ich habe mit Sportdirektor Rouven Schröder und Trainer Dimitrios Grammozis viel gesprochen und lange darüber nachgedacht, was der richtige Schritt für mich nach der Zeit beim VfB Stuttgart ist. Nach den Gesprächen wusste ich: Ich will das machen. Wir wollen in der 2. Bundesliga viel erreichen.
Schalkes Trainer hat ganz klare taktische Vorstellungen mit einer Dreierkette in der Abwehr. Müssen Sie sich da etwas umstellen?
Kaminski: Jeder Trainer interpretiert die Dreierkette anders, hat eigene Ideen, wie er sie spielen lassen will. Ich lerne gerade unsere Interpretation, genau wie die anderen neuen Spieler auch.
Was ist Dimitrios Grammozis für ein Typ? Wir haben auf Schalke zuletzt sehr viele Trainer erlebt...
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Kaminski: (grinst) Ich weiß. Der Trainer ist ein richtig guter Typ, sehr offen und kommunikativ. Wenn ich meine Meinung habe und er eine andere, können wir offen darüber sprechen. Nicht jeder Trainer ist so, andere beharren auf ihrer Auffassung. Der Trainer hat selbst Profifußball gespielt – das macht es einfacher, da kann man anders reden.
Schalke hat ein sehr schwieriges Jahr hinter sich, einige Spieler sind noch da. Ist davon irgendetwas zu spüren?
Kaminski: Davon merke ich im Training oder im Hotel nichts. Alle sind positiv gestimmt, wollen anpacken. Wir müssen jetzt neu anfangen, der Abstieg ist Vergangenheit.
Einige aus dem Trainingslager-Kader sollen Schalke noch verlassen. Ist das für eine Gruppe schwierig, sich kennenzulernen?
Kaminski: Das ist Profifußball. Jeder bei uns weiß, dass noch etwas passieren wird. Aber auch das merkst du nicht im Training. Alle geben Vollgas – das ist für alle das Wichtigste.
Sie sind den Weg als hoher Favorit in der 2. Bundesliga schon einmal mit dem VfB Stuttgart gegangen. Wie fühlt sich das an, immer gewinnen zu müssen?
Kaminski: Uns erwartet komplett anderer Fußball. In jedem Spiel bist du Favorit. Gegen Schalke werden einige vielleicht nur einmal im Leben antreten. In fast jedem Spiel wird der Gegner tief stehen und auf Konter warten. Du wirst mehr Ballbesitz haben. Es wird ganz anders sein als in der Bundesliga.
Ist der Fußball in der Zweiten Liga wirklich so viel robuster, physischer?
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Kaminski: Ja. Als Beispiel möchte ich den 1. FC Heidenheim nennen. In Heidenheim zu spielen, war mit Stuttgart immer sehr schwer. Die haben fünf, sechs Spieler über 1,85 Meter, gegen die du kämpfen musst. Einmal hatten sie sechs Ecken in Folge, als ich mit Stuttgart dort gespielt habe. Alle denken, dass du als Traditionsverein da auf jeden Fall drei Punkte holst. Aber so einfach ist das nicht. Am Ende ist es in solchen Spielen egal, ob du Spieler mit mehr fußballerischer Qualität hast – du musst 90 Minuten kämpfen für den Sieg.
Sie haben im Frühjahr 2019 auf Leihbasis für Fortuna Düsseldorf gespielt, als Fortuna sensationell hoch mit 4:0 auf Schalke gewann. Wie haben Sie das Spiel in Erinnerung?
Kaminski: Das war damals ein großer Sieg für Fortuna Düsseldorf. Und ein wenig wie unsere Spiele in der kommenden Saison in der 2. Bundesliga –mit einem kleinen Verein bei einem großen gewonnen.
Haben Sie nach dem Abpfiff auch auf die Schalker Fans geschaut?
Kaminski: Ein bisschen. Ein paar Mannschaften haben Fans, die für ihren Verein leben. Negative Emotionen habe ich in Stuttgart erlebt – nach dem Abstieg aus der Bundesliga waren alle sehr unzufrieden. Aber wenige Wochen später in der Vorbereitung auf die 2. Bundesliga waren sie direkt wieder da, haben uns unterstützt.
Was haben Sie sich persönlich für die Saison vorgenommen?
Kaminski: Ich will auf jeden Fall verletzungsfrei bleiben. Und ich bin hierher gekommen, um zu spielen. Was aber in Zukunft passiert, ist zu weit weg für mich. Zuerst müssen wir uns auf jedes Spiel fokussieren, nicht auf den 34. Spieltag.
Und eine Rückkehr zur polnischen Nationalmannschaft?
Kaminski: Die ist für mich nicht weit weg. Ich habe das immer im Kopf. Bei der Nationalmannschaft gibt es keinen Linksfuß in der Innenverteidigung. Sie spielt auch mit Dreierkette. Ich hatte im März Kontakt zum polnischen Verband, der wissen wollte, wie es bei mir weitergeht. Ich bin noch auf der Liste.
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Obwohl Sie in der 2. Bundesliga spielen?
Kaminski: Es ist Schalke. Da schaut man noch ganz anders hin. Wir werden mehr Ballbesitz haben in jedem Spiel, müssen ein gutes Positionsspiel bei Kontern haben. In Stuttgart war ich auch lange Zeit nicht in der Nationalmannschaft, nach einer guten Saison in der 2. Bundesliga war ich wieder da.
Ihr ehemaliger Stuttgarter Trainer Pellegrino Matarazzo hat Sie bei Ihrem Abschied sehr gelobt und gesagt, er hätte so einen noch nie erlebt. Was hat er damit gemeint?
Kaminski: Auch als ich nicht einmal mehr im Kader war, bin ich jeden Tag zum Training gekommen und habe positiv weitertrainiert. Ich bin keiner, der immer sauer auf alle ist. Einfach war die Zeit nicht, aber ich war immer für die Mannschaft da – und ich wollte immer vorbereitet sein, wenn ich eine Chance bekomme. Selbst wenn ich vier, fünf Monate nicht gespielt haben sollte.