Gelsenkirchen. Der Marketingvorstand wird Schalke im Sommer verlassen. Er ist bereits der vierte Funktionär, der hinschmeißt. Die Gründe dafür sind erschütternd
Beim nächsten Chaos-Tag auf Schalke blieb Alexander Jobst nicht zu Hause, er fuhr ins Büro. Von dort hat er einen herrlichen Ausblick übers Vereinsgelände: Er kann dabei zusehen, wie die Fußballer trainieren, an ruhigen Tagen wirkt alles beinahe idyllisch. Doch dieser Eindruck täuscht. Schalke zermürbt. Jobst ist der vierte Spitzen-Funktionär, der binnen zehn Monaten auf Schalke aufgibt.
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Dahinter steckt eine Geschichte, die freilegt, von welchen Umständen Schalkes beispielloser Absturz begleitet wurde. Es geht nicht nur um sportlichen Misserfolg und Fehler in der Führung. Es geht auch um die Wucht, die von außen gekommen ist. Um Bedrohungen, die ins Private gehen und um Leidensdruck. Im Telefongespräch mit der WAZ hinterließ Jobst am Donnerstag zweifelsfrei den Eindruck: Es geht nicht mehr. Er ist platt und braucht eine Pause. Die Stimme ist nicht mehr kämpferisch, sondern erschöpft. Deswegen gibt der 47-Jährige sein Amt als Marketing-Vorstand auf Schalke zum 30. Juni nach fast zehn Jahren auf. Sein Vertrag lief noch zwei weitere Jahre.
Reformpläne fanden keinen Anklang
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Jobst war in den vergangenen Monaten zusehends zur Zielscheibe der Kritik von außen geworden: nach Finanzvorstand Peter Peters, nach Aufsichtsrats-Chef Clemens Tönnies (beide gingen im Juni 2020), nach Sportvorstand Jochen Schneider (kündigte erst den Rückzug für den Sommer an, wurde dann im Februar freigestellt). Bei Jobst entzündete sich die Kritik daran, dass er den Verein zu Reformen aufrief. Er stieß die Diskussion um eine Änderung der Rechtsform an, um Schalke langfristig wettbewerbsfähig zu halten. Bei Teilen der Fans stieß er so auf erbitterte Ablehnung.
Deutlich wurde das nicht nur anhand von eindeutigen Transparenten auf dem Vereinsgelände, die gegen Jobst gerichtet waren. Nach Informationen dieser Redaktion gingen die Bedrohungen in anonymen Mails und Briefen sehr viel weiter, auch gegen seine Familie („Wir wissen, wo Ihre Kinder zur Schule gehen. Sind Sie sicher, dass sie jeden Tag nach Hause kommen?“). Jobst soll sogar von der Polizei den Hinweis erhalten haben, die Schalker Geschäftsstelle ab sofort nur noch bei Tageslicht zu verlassen.
Die Erlöse aus der Vermarktung stiegen
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Vor etwa vier Wochen zog Jobst über seine Pläne den Aufsichtsrats-Vorsitzenden Jens Buchta und dessen Stellvertreter Peter Lange ins Vertrauen, in der vergangenen Woche informierte er das komplette Gremium von seinem Entschluss, auszusteigen aus diesem Schalker Zug. Der Aufsichtsrat habe „mit Bedauern, aber auch Verständnis“ reagiert, heißt es. „Wir verlieren Alexander Jobst nur sehr ungern“, erklärte Jens Buchta: „Der FC Schalke 04 verliert einen überall anerkannten Fachmann, dessen Erfolge für sich sprechen.“
Tatsächlich war das Geschäftsfeld von Jobst der Bereich, der in den vergangenen Jahren auf Schalke am besten funktioniert hat: Die Erlöse aus der Vermarktung stiegen zeitweise auf mehr als 90 Millionen Euro. Für Jobst war Schalke auch ein „Produkt“, das es zu vermarkten gilt – seine Kritiker warfen dem früheren Angestellten des Weltfußball-Verbandes Fifa auch deswegen fehlende Sensibilität vor. Jobst hofft, dass er Schalke wenigstens für die aus seiner Sicht dringend notwendigen Reformen geöffnet hat. Aber vor dem Hintergrund der Bedrohungen war für ihn eine Diskussion nicht mehr möglich. Diese Wucht, so räumt er ein, habe er unterschätzt.
Erst einmal eine Auszeit nehmen
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So sehr Schalke 04 auch mit ihm abgestürzt ist, so sehr hat Jobst vor seinem Rückzug aber noch die Weichen für den Neuanfang gestellt: In den vergangenen Wochen überzeugte er zahlreiche Sponsoren auch zum Weitermachen in der Zweiten Liga, erst kürzlich verlängerte Hauptsponsor Gazprom den Vertrag zu Konditionen, die viele Erstligisten nicht vorweisen können. „Ich übergebe meinen Verantwortungsbereich in einem erstklassigen Zustand“, betont der 47-Jährige, der nach seinem Ausstieg zum 30. Juni mindestens ein halbes Jahr lang eine Auszeit nehmen will. Dass er zeitig wieder eine andere Aufgabe annimmt, schließt er aus.
Bis zum 30. Juni will Alexander Jobst noch für Schalke arbeiten, die Mitgliederversammlung am 13. Juni steht in seinem Terminkalender. Sein Büro mit dem Ausblick übers Vereinsgelände wird erst in der zweiten Jahreshälfte neu besetzt.