Gelsenkirchen. Unruhe vor dem Auswärtsspiel beim VfB Stuttgart: Einige Schalke-Profis wollten Anfang der Woche Trainer Christian Gross stürzen.

Die Nerven liegen blank beim abstiegsbedrohten Bundesliga-Schlusslicht FC Schalke 04: Vor dem Auswärtsspiel beim VfB Stuttgart (Samstag, 15.30 Uhr/Sky) forderten wichtige Führungsspieler die Ablösung von Trainer Christian Gross, wie diese Zeitung erfuhr. Am Samstagmorgen reagierte der Klub auf Anfrage der dpa: „Wir dementieren die Berichterstattung. Es gab keinen Spieler, der mit einem solchen Anliegen bei Jochen Schneider vorgesprochen hat. Dass es speziell nach der Derby-Niederlage Frust gab, ist doch völlig klar. Dass dazu auch offene Gespräche und eine Aufarbeitung der aktuellen Situation gehören, daraus machen wir gar keinen Hehl. So etwas wie eine „Revolte“ oder „Revolution“ hat es jedoch nicht gegeben.“

Schalke-Boss Schneider hatte Christian Gross als "harten Hund" geholt

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Gross hatte erst Ende Dezember 2020 die Trainingsleitung bei den Königsblauen übernommen - nach dem 14. Spieltag. Der 66 Jahre alte Schweizer hatte in den vergangenen Jahren seine Trainerkarriere in Ägypten und Saudi-Arabien ausklingen lassen, für eine Rettungsmission in Gelsenkirchen holte Schalkes Sportvorstand Jochen Schneider den "harten Hund" aus dem Ruhestand.

Schneider hatte mit Gross von Dezember 2009 bis Oktober 2010 in Stuttgart zusammengearbeitet. Gross führte den bei Amtsantritt abstiegsbedrohten VfB Stuttgart sogar noch in die Europa League. Schneider hoffte diesmal zwar nicht auf den Einzug ins internationale Geschäft - aber auf eine ähnlich erfolgreiche Aufholjagd mit den seinerzeit bewährten, etwas härteren Methoden.

Schalke gewann unter Gross nur eins von zehn Pflichtspielen

Doch nach zehn Pflichtspielen ist die Bilanz von Gross ein Desaster: Aus sechs Punkten Rückstand zum rettenden Ufer sind inzwischen neun geworden. Schalke gewann unter Gross nur einmal, spielte zweimal glücklich unentschieden, verlor aber sieben Partien - davon drei mit mindestens drei Toren Unterschied. Das bittere Torverhältnis: 7:21. Die Königsblauen sind die Lachnummer der Liga.

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Sportlich konnte Gross das Team nur in wenigen Spielen etwas stabilisieren - die größten Schwächen aber blieben: zu viele individuelle Fehler in der Abwehr, Anfälligkeit bei gegnerischen Standardsituationen, wenig Kreativität in der Offensive, Aufgabe nach einem Gegentor. "Wir arbeiten daran", sagte Gross in den meisten Pressekonferenzen. Verbesserungen aber gab es nur in Nuancen.

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Und auch viele Spieler glaubten letztlich nicht mehr an den Trainer: Die Trainingsgestaltung sei zu eindimensional, hieß es schnell. Nicht nur auf Pressekonferenzen (da wurde aus Can Bozdogan mal Kaan Erdogan) würde er Spielernamen verwechseln, das würde ihm auch im Training passieren, wie es heißt. Taktisch sei Schalke für die Gegner zu durchschaubar. Gross wählte in allen Spielen eine ähnliche Formation und Strategie. Ein sinnvolles "Coaching" während der Spiele habe nur selten stattgefunden.

Nach dem 0:4 im Derby gegen Borussia Dortmund gingen die Führungsspieler deshalb nach unseren Informationen zu Sportvorstand Jochen Schneider und Teammanager Sascha Riether: Viele im Team seien nicht mehr überzeugt davon, mit Gross das Wunder Klassenerhalt noch schaffen zu können. Bei Schneider und Riether blitzten sie aber zunächst ab - und Gross blieb im Amt.

Schalke 04: Interimstrainer Widmayer bis Saisonende?

Sollte Schalke aber in Stuttgart erneut verlieren und schlecht spielen, ist ein weiterer Trainerwechsel nicht mehr auszuschließen - es wäre der vierte allein in dieser Saison. Im nächsten Heimspiel trifft Schalke auf den Vorletzten Mainz 05 (Freitag, 20.30 Uhr/Sky) - die wohl letzte Chance, noch die Wende einleiten zu können.

Doch wer würde für Gross einspringen? Jahrhunderttrainer Huub Stevens (67) hat seine Laufbahn beendet, eine dritte Rückkehr hat er bereits ausgeschlossen - Stevens zieht sich im Sommer 2021 auch aus dem Aufsichtsrat zurück. Auch U19-Trainer-Ikone Norbert Elgert hat nach Sky-Angaben kein Interesse daran, bei den Profis einzuspringen.

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Bis zum Saisonende könnte Co-Trainer Rainer Widmayer das Team betreuen. Für den am 30. Juni scheidenden Schneider ist die Kritik der Spieler der Tiefpunkt: Auch der vierte Cheftrainer, den er in knapp zwei Jahren Amtszeit auf Schalke verpflichtet hat, ist offenbar gescheitert. Eine sofortige Trennung von Schneider selbst ist auch denkbar.

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Schalke-Profis beschweren sich über Leuthard

Und bei einer Trennung von Gross könnte es nicht bleiben: Die Führungsspieler beschwerten sich auch über das Rehatraining von Werner Leuthard, der - wie diese Zeitung berichtete - hinter vorgehaltener Hand mit dafür verantwortlich gemacht wird, dass die Verletztenliste der Königsblauen so lang ist.

Bei Schalke liegen eben die Nerven blank.