Stuttgart. Beim VfB Stuttgart geht es hinter den Kulissen drunter und drüber. Der Gegner von Schalke erlebt einen Machtkampf – das Team aber bleibt stabil.
Es gab in den vergangenen Wochen immer wieder Momente beim VfB Stuttgart, da waren gerade veröffentlichte Nachrichten innerhalb von zwei Stunden schon wieder alt. Kaum ein Tag verging ohne neue Volten, ohne neue Intrigen und Rücktritte. Vielleicht liegt es an der sportlichen Stabilität des Aufsteigers, der an diesem Samstag als klarer Favorit in das Spiel gegen Schalke 04 geht (15.30 Uhr/Sky), dass außerhalb Schwabens oft nur am Rande registriert wird, was für ein Spektakel dort seit Monaten veranstaltet wird: Zwischen Präsident Claus Vogt und dem Vorstandsvorsitzenden Thomas Hitzlsperger gibt es einen offenen Machtkampf, seit Hitzlsperger Vogt im Dezember in einem offenen Brief jede charakterliche und fachliche Eignung für sein Amt abgesprochen hat und selbst als Präsident kandidieren wollte.
Aber vielleicht liegt das Zerwürfnis schon länger zurück. Als Claus Vogt im Dezember 2019 das Präsidentenbüro in der VfB-Geschäftsstelle beziehen wollte, saß dort Thomas Hitzlsperger hinter dem Schreibtisch. Das Präsidentenbüro sei nicht länger das Büro des Präsidenten. Dort residiere ab sofort der Vorstandsvorsitzende der AG, hieß es. Vogt wehrte sich nicht. Das scharfe Schreiben aber ließ er sich nicht gefallen. Schon davor hatte er sich für eine lückenlose Aufklärung einer Datenaffäre stark gemacht und war nicht der Grüß-Gott-August, den sich manche auf der Geschäftsstelle erhofft hatten.
Ansehensverlust für Thomas Hitzlsperger
Seitdem ist es für „Hitz“ nicht gut gelaufen. Davor war er als reflektierter Mensch wahrgenommen worden, der für sein Engagement gegen Homophobie kürzlich das Bundesverdienstkreuz bekam. Jetzt muss er mit einem massiven Ansehensverlust leben. Die in Stuttgart omnipräsenten Aufkleber, die ihn als „Spalter“ bezeichnen, haben ihn getroffen. Vogt hingegen eint gerade die engagierten Teile der Stuttgarter Anhängerschaft. Im Sinne der Vereinsmitglieder hat Vogt mit der Beauftragung der Agentur Esecon saubere Arbeit geleistet. Der Spiegel zitierte ausführlich aus deren Abschlussbericht, der in großen Teilen der Führungsebene attestiert, die Aufklärung verhindert zu haben oder gar selbst in die Datenaffäre eingeweiht gewesen zu sein. Führende Vereinsmitarbeiter hatten eine als neutrale Fan-Seite getarnte Agentur damit beauftragt, Stimmung für die Ausgliederung der Profi-Abteilung zu machen, und dabei die Daten von etwa 35.000 Vereinsmitgliedern zweckentfremdet.
Hitzlsperger fühlte sich dem Lager der Vogt-Gegner verpflichtet. Inzwischen sind mehrere Personen aus den Gremien des Klubs zurückgetreten, oder sie mussten gehen – wie ganz aktuell Kommunikations-Chef Oliver Schraft und Marketingleiter Uwe Fischer.
Zerreißprobe für den VfB Stuttgart
Claus Vogt geht zunächst als Sieger aus dem Machtkampf hervor und wird sich im Sommer zur Wiederwahl stellen können. Jetzt kommt es darauf an, ob die beiden Streithähne wieder vertrauensvoll zusammenarbeiten können, sonst könnte der Machtkampf den Klub zerreißen. Vogt scheint bereit dazu, die persönlichen Animositäten auszublenden. „Ich bin auf Thomas Hitzlsperger zugegangen, wir nähern uns weiter an“, sagt er. Der Vorstandsvorsitzende bleibt in seinen Aussagen hingegen vage. „Es muss nach vorne geschaut werden, und ich werde meinen Teil dazu beitragen“, sagt der 38 Jahre alte Ex-Nationalspieler.
Junge Mannschaft steht auf Rang zehn
Da ist es schon verwunderlich, dass das sportliche Kerngeschäft durch all das Chaos nicht wirklich beeinflusst wird. Der Aufsteiger steht vor dem Duell mit Schalke noch immer auf Rang zehn, die Auftritte der jungen Mannschaft zeugen von schönem und erfolgreichen Fußball. „Ich habe den Jungs erklärt, dass wir unseren sportlichen Weg unabhängig davon, was rund um den Verein passiert, gehen werden“, sagt Trainer Pellegrino Matarazzo.
Überhaupt scheinen die handelnden Personen nach wie vor Lust auf den VfB zu haben: Sportdirektor Sven Mislintat hat seinen Vertrag ebenso verlängert wie Trainer Matarazzo. Mislintat, geschmeichelt vom Interesse von Borussia Dortmund, sprach aber aus, worauf es bei der modernen Kaderplanung ankommt: „Wir brauchen am Ende Geld, um die immer größer werdende Qualität unserer Spieler bezahlen zu können.“ Vogt und Hitzlsperger werden also hart daran arbeiten müssen, dass der VfB wieder als vertrauenswürdiger Partner wahrgenommen wird.