Dortmund/Gelsenkirchen. Schalke und der BVB stehen sich am Samstag gegenüber. Die Fans Georg Vonnahme und Manfred Rakowski haben das Duell bereits hinter sich.
Georg Vonnahme (60) und Manfred Rakowski (67) kennen sich nicht, sollen aber per Videokonferenz über Fußball diskutieren. Über ihre Vereine, die sie lieben und die am Samstag (18.30 Uhr/Sky) gegeneinander spielen: die Fußball-Bundesligisten Schalke 04 und Borussia Dortmund. Der Sauerländer Georg Vonnahme ist Vorsitzender des weltgrößten Schalke-Fanclubs Königsblau Brilon. Manfred Rakowski wohnt in Wattenscheid und ist seit mehr als 60 Jahren Dortmund-Fan. Er ist Vorstandsmitglied beim BVB-Fanclub Bochum. Dieses Derby ist ein besonderes. Fans in der Arena sind wegen der Corona-Krise nicht zugelassen, ausgerechnet in der Saison, die mit dem Abstieg der Königsblauen enden könnte. Es wäre das letzte Revierduell für eine längere Zeit. Was macht das mit den Fans?
Glauben Sie noch an den Schalker Klassenerhalt, Herr Vonnahme?
Vonnahme: Nennen Sie mir doch ein Spiel, das wir noch gewinnen können? Außer das am Samstag, klar. Da werden wir siegen, doch es wird das letzte in dieser Saison sein. Bielefeld als Drittletzter ist acht Punkte voraus und hat die bessere Tordifferenz, die muss man ja erst mal einholen. Und wie viele Spiele bleiben dann noch? Das wird nichts mehr. Alle sehen, dass der Drops gelutscht ist – bis auf Sead Kolasinac.
Die drei Punkte für Ihren Verein Borussia Dortmund, Herr Rakowski, sind also nur Formsache?
Rakowski: Ich hoffe auf ein ähnlich deutliches Ergebnis wie im Hinspiel. 0:4 – würde passen. Aber Derbys haben eigene Gesetze. Der auf dem Papier Schwächere gewinnt, weil er bis zum Umfallen kämpft, während es der Andere mit Hacke, Spitze, 1, 2, 3 versucht. Dabei wollen wir hier doch Malocherfußball sehen. Wenn ein paar Schönspieler dabei sind, ist das auch gut. Aber du brauchst die Kämpfer. Und das ist die Chance der Blauen, dass es am Samstag – entgegen aller Wahrscheinlichkeiten –, anders läuft.
Vonnahme: Wir haben jedenfalls nichts mehr zu verlieren.
Rakowski: Ich schaue eure Spiele ja nur in der Zusammenfassung oder in der Konferenz. Ist da zuletzt nicht – leider – ein Aufwärtstrend zu erkennen?
Vonnahme: Ach, du hast nur Schiss vor Samstag.
Das dritte Revierduell während der Corona-Zeit wird vor leeren Tribünen ausgespielt. Kommt da überhaupt Derby-Stimmung auf?
Rakowski: Fußball ohne Zuschauer – das ist nicht der Fußball, den wir als Fans sehen wollen. Ich muss dennoch sagen: Für mich ändert sich am Samstag nichts, denn die Turnhalle habe ich eh nie betreten und werde das auch in Zukunft nicht tun. Ich schaue mit meiner Frau am Fernseher zu. Geisterspiele mögen das Überleben einiger Vereine gerettet haben. Für mich aber geht es beim Fußball nicht nur um die 90 Minuten, sondern um das Drumherum vor dem Spiel, nach dem Spiel, sich gemeinsam mit Freunden zu freuen und zu ärgern. Der jetzige Zustand ist hoffentlich bald vorbei. Euch wird es ähnlich gehen, oder?
Vonnahme: Natürlich. Übrigens: Wir sind froh, bei diesen Wetterverhältnissen unsere Turnhalle zu haben. Da braucht man nicht zwei lange Unterhosen. Von daher kannst du uns gerne beim nächsten Mal besuchen kommen. Ich lade dich ein.
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Auf dieses Zusammentreffen werden Sie aber wohl mindestens eine Saison lang warten müssen
Rakowski: Ich befürchte auch, dass es das vorerst letzte Derby ist. Wobei ich das wirklich bedauere, diese Frotzelei gehört nämlich dazu. Wissen Sie, was das Schlimmste an der Situation ist?
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Sagen Sie es.
Rakowski: Ihr wäret nie in diese Situation geraten, wenn Fans im Stadion erlaubt wären. Da würdet ihr im gesicherten Mittelfeld stehen – und wir wohl auf Platz zwei, ganz dicht hinter den Bayern. Unsere beiden Klubs treffen die Geisterspiele enorm. Wenn man sieht, wie sehr Vereine ohne große Zuschauer-Unterstützung wie Wolfsburg und Leverkusen profitieren, ist das traurig. Nicht falsch verstehen: Das Wochenende ist immer doppelt oder dreifach gut, wenn unsere Jungs gewonnen haben und die Blauen sowie die kleinen Blauen aus der Nachbarschaft (Zweitligist VfL Bochum, d. Red.) verloren haben, aber den Abstieg gönne ich euch trotzdem nicht.
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Vonnahme: Das nützt uns wenig, wenn die Profis nicht verstehen, was Schalke 04 bedeutet. Wir haben viele Nationalspieler im Kader, man fragt sich, was da falsch gelaufen ist. Auf der anderen Seite ist es beruhigend zu sehen, dass es euch auch so langsam erwischt. (beide lachen)
Rakowski: Das Problem ist ja, dass du kaum mehr Spieler mit Vereinsliebe dabei hast, die kannst du an einer Hand… – ach was, dafür brauchst du gar keine ganze Hand. Spieler wechseln, wie sie wollen, Hauptsache, die Kohle stimmt.
Vonnahme: Von dieser Entwicklung werden wir uns auch nicht mehr befreien können.
Dann müsste es Ihnen, Herr Vonnahme, doch gefallen, dass verdiente Spieler wie Sead Kolasinac oder Klaas-Jan Huntelaar in dieser brenzligen Situation dem Verein helfen wollen.
Vonnahme: So einen wie Kolasinac jetzt zu haben, ist schon nicht schlecht. Der kann den anderen vermitteln, worum es geht. Grundsätzlich aber bin ich nie für die Rückkehr von Spielern, die einmal den Verein verlassen haben – denn das taten sie aus einem bestimmten Grund. Da gebe ich Manfred recht: Es geht um die Kohle, das ist legitim. Fraglich bei Schalke ist zudem, dass die zurückgekehrten Spieler nicht fit sind. Huntelaar kannst du für die letzten Spiele auch zurück nach Holland schicken – das macht keinen Unterschied mehr.
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Was wünschen Sie sich für den Rest der Saison?
Vonnahme: Dass Schalke die Saison fair zu Ende bringt und sie nicht abschenkt – wobei das ja genau das ist, was wir schon in den ersten Spielen getan haben. Und den Derbysieg. Da kann man den Fans ein wenig zurückgeben, was in den letzten 12, 13 Monaten versäumt wurde.
Rakowski: Ich hoffe, wir gewinnen das Derby und holen noch Platz vier. Andererseits: Die Europa League haben wir noch nie gewonnen. Und mir ist noch wichtig zu sagen: Wie sich Fanclubs und Vereinsspitze auf beiden Seiten gegen Antisemitismus, Diskriminierung und Rassismus einsetzen, ist vorbildlich und zeigt mir, dass man bei aller Rivalität zusammenhalten muss.
Vonnahme: Wenn nicht in Zeiten wie diesen, wann dann? Von daher hoffe ich, dass unsere vorübergehende Trennung auch dazu führt, Hass und Gewalt aus dem Fußball zu bekommen. Das hat im Kohlenpott keinen Platz.