Gelsenkirchen. Für Manuel Baum steht das erste Derby gegen den BVB an. Vorher spricht der Schalke-Trainer über seine Philosophie und Probleme der Königsblauen.

Es ist sein erstes Interview als Trainer des FC Schalke 04. Als Manuel Baum zum Gespräch mit dieser Redaktion den „Blauen Salon“ in der Arena betritt, schaut er kurz ins weite Rund. „Leider kriege ich aufgrund der Corona-Pandemie momentan nicht viel von den Fans mit und wie der Verein von ihnen gelebt wird. Darauf hatte ich mich besonders gefreut“, sagt der 41-Jährige.

Es beginnt ein langer Austauschüber Schalke, Probleme und deren Lösungen sowie das Revierderby bei Borussia Dortmund (Samstag, 18.30 Uhr/Sky).

Alle wichtigen Informationen zu Schalke 04:

Herr Baum, als Sie selbst noch aktiv waren, haben Sie mit dem FC Ismaning ein DFB-Pokalspiel gegen Borussia Dortmund mit 0:4 verloren. Sie waren Torwart. Welche Erinnerungen haben Sie daran?

Manuel Baum: Das war damals ein Riesenereignis für Ismaning. Matthias Sammer war Trainer der Dortmunder, Jens Lehmann stand im Tor - das war eine richtig, richtig gute Mannschaft. Und ich habe beim FC in der Kiste gestanden.

Waren Torwartfehler dabei?

Baum: (lacht) Daran kann ich mich nicht mehr erinnern.

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Aus einem 0:4 hat Schalke 2017 im legendären Derby in Dortmund ein 4:4 gemacht. Was hat Ihnen Ihr Co-Trainer Naldo darüber erzählt?

Baum: Wir haben zuletzt immer wieder über dieses Derby gesprochen. Naldo hat die Geschichte ja als Torschütze mitgeschrieben. Man macht sich in der Woche vor einem Spiel extrem viele Gedanken, wie man die Mannschaft inhaltlich vorbereitet - aber auch emotional. Ich kann mir vorstellen, dass Naldo in dieser Hinsicht eine besondere Rolle spielen könnte...

Schalke 04 hofft beim BVB aufs erste Tor im dritten Auswärtsspiel der Bundesliga-Saison

0:4 in Leipzig, davor 0:8 in München, nun Dortmund - was macht Ihnen Mut, dass das dritte schwere Auswärtsspiel zu einem großen Ding werden könnte?

Baum: Ich gehe immer mit der Haltung ins Spiel, gewinnen zu wollen. Natürlich gibt es Gegner, da ist die Wahrscheinlichkeit höher oder geringer. Wir werden mit Sicherheit sehr, sehr gut vorbereitet in die Partie gehen.

Schalkes Trainer Manuel Baum.
Schalkes Trainer Manuel Baum. © Lars Heidrich / FUNKE Foto Services

Selten war die Distanz zwischen Schalke 04 und Borussia Dortmund größer als im Herbst 2020. Glauben Sie, dass die Vereine irgendwann wieder näher zusammenrücken können?

Baum: Wenn man sich die Geschichte von Borussia Dortmund anschaut, dann stellt man fest: Auch dort lief nicht immer alles rosig. Auch Dortmund musste vor einigen Jahren aus der Not eine Tugend machen – und hat es letztlich zurück nach oben geschafft. Schalke kann ebenfalls eine solche Zukunft gestalten, wenn die richtigen Entscheidungen getroffen werden. Das Potenzial ist definitiv da.

Es heißt oft, der Trainer sei die wichtigste Person im Verein. In Dortmund kam die Wende mit Jürgen Klopp. Dürfen Sie als neuer Schalke-Trainer davon träumen, eine ähnliche Wende herbeiführen zu können? Es müssen ja nicht direkt die deutsche Meisterschaft und das Champions-League-Finale sein...

Baum: Also wenn Sie da gerade so darüber reden... (lacht) Ernsthaft: Mit dem Gedanken habe ich mich noch gar nicht beschäftigt. Natürlich tue ich alles dafür, dass wir unsere eigene Erfolgsgeschichte schreiben können. Mein Ziel ist es erst einmal, die Mannschaft jetzt in die richtige Richtung zu lenken.

Neue Trainer auf Schalke wurden in alten Zeiten stets nur als Retter empfangen - zum Beispiel Peter Neururer 1989 oder Jörg Berger 1993. Zuletzt war aber bei jedem Trainer die Rede davon, langfristig etwas aufzubauen. In welcher Rolle sehen Sie sich?

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Baum: Ich sehe mich nicht in der Rolle eines Retters. Ich sehe mich einerseits in der Rolle eines Guides, der einen Berg hochgeht, alle Wege kennt und den Spielern nun Hilfestellungen leistet, sich zurecht zu finden. Versehen mit dem Hinweis, dass sie den Weg selbst gehen müssen. Außerdem möchte ich jetzt auch schon beginnen, nachhaltig zu arbeiten und nicht nur Feuer zu löschen.

Sie haben bei Ihrem Amtsantritt gesagt: „Lasst mich mal machen, ich weiß sehr gut, was ich tue.“ Wie oft wurden Sie in drei Wochen bisher überrascht?

Baum: Wenn man schon einmal in der Bundesliga gearbeitet hat und viel mit dem DFB unterwegs war, dann ist es nicht so, dass man noch großartig überrascht wird. Klar ist Schalke eine andere Hausnummer und Herausforderung als der FC Augsburg. Der Stab, den man als Trainer zu verantworten hat, ist deutlich größer. Und die Erwartungshaltung ist eine andere. Leider kriege ich aufgrund der Corona-Pandemie momentan nicht viel von den Fans mit und wie der Verein von ihnen gelebt wird. Darauf hatte ich mich besonders gefreut.

Was Manuel Baum bewogen hat, den Job bei Schalke 04 anzunehmen

Sie sind auf Schalke der 13. Trainer in zwölf Jahren. Sie hätten auch den sicheren Job als U20-Trainer beim DFB behalten können...

Baum: Als das Angebot von Schalke 04 kam, da dachte ich: Das ist der Wahnsinn. Hier zu arbeiten, das ist für mich eine Art Traum, der in Erfüllung geht. Beim DFB konnte ich mein Netzwerk erweitern, mich richtig gut fortbilden, einen wichtigen Einblick in die Nachwuchsarbeit kriegen. Aber ich bin eher der Typ Trainer, der immer in der Coaching Zone rauf- und runterrennt...

Im Training regelmäßig mit Taktiktafel: Schalkes Trainer Manuel Baum.
Im Training regelmäßig mit Taktiktafel: Schalkes Trainer Manuel Baum. © firo

Schon im ersten Spiel in Leipzig war zu sehen, wie engagiert Sie coachen. Ihr Vorgänger David Wagner hat eher zugesehen.

Baum: Da hat jeder Trainer seine eigene Strategie. Meine Philosophie ist: Wenn man von der Mannschaft erwartet, dass sie viel läuft, kämpft und Gas gibt, dann sollte es der Trainer auch machen. Es würde nicht passen, wenn ich mich draußen auf die Bank setze und sage: Macht mal. Ich will positiv und unterstützend von draußen einwirken.

Bei allem Reiz, den Schalke auf Sie ausgeübt hat: Inwiefern haben Sie sich die nicht einfache Gesamtsituation des Vereins vor der Unterschrift angeschaut?

Baum: In der Zeit beim DFB konnte ich mich weiterbilden, was bei Vereinen auf einen zukommen könnte. Außerdem hatte ich die Möglichkeit, mich als TV-Experte mit dem Thema Schalke zu beschäftigen - mit der sportlichen Gegenwart und mit der Vergangenheit. Der Schalker Kreisel damals war ja fast Tiki-Taka-Fußball - so wie ihn heute Manchester City spielt. Als DFB-Trainer habe ich mich regelmäßig mit Jochen Schneider, Michael Reschke und Norbert Elgert ausgetauscht. Deshalb hatte ich schon ein anderes Gesamtbild als ein Trainer, der eine Stelle übernimmt, ohne tief im Thema zu sein.

Manuel Baum hat sich bei Schalke 04 mit einer Powerpoint-Präsentation vorgestellt

Waren Sie von Beginn an auch tief im Thema, was die finanzielle Situation des Klubs angeht?

Baum: Natürlich kriegt man die finanzielle Situation mit, aber wir haben uns über die sportliche Situation unterhalten. Darauf liegt auch mein Fokus.

Sie haben sich im Aufsichtsrat mit einer Powerpoint-Präsentation vorgestellt. Was stand drin?

Baum: Da stand drin: „Reden über Probleme schafft Probleme - reden über Lösungen schafft Lösungen.“ Das habe ich auch der Mannschaft gesagt, und es soll meine Arbeitsweise widerspiegeln: Ich arbeite lösungsorientiert.

Das passt zur nächsten Frage. Jochen Schneider hat davon gesprochen, dass die „Blockade aus der Birne“ muss, um die Negativserie von 20 Spielen in Folge ohne Sieg zu beenden. Welche Lösung für dieses Problem sehen Sie?

Baum: Im Fußball wirken extrem viele Faktoren zusammen. Es kann passieren, dass du die Blockade löst, wenn du an der Spielidee arbeitest. Es kann auch sein, dass du im psychologischen oder athletischen Bereich arbeiten musst. In meinen Einzelgesprächen mit den Spielern kam klar die Botschaft heraus, dass ihnen die Fantasie fehlte, Tore zu schießen. Das bedeutet, dass wir am Thema Offensive arbeiten müssen, obwohl wir extrem viele Gegentore in den ersten drei Spielen bekommen haben.

Interview mit Maske: Schalkes Cheftrainer Manuel Baum (r.) und die Reporter Andreas Ernst (l.) und Manfred Hendriock.
Interview mit Maske: Schalkes Cheftrainer Manuel Baum (r.) und die Reporter Andreas Ernst (l.) und Manfred Hendriock. © Lars Heidrich / FUNKE Foto Services

Inwieweit ist Schalke in der Offensive von Mark Uth abhängig?

Baum: Niemand ist unersetzlich, und ich habe Vertrauen in all unsere Spieler. Aber in unserer Offensive ist Mark Uth ein herausragender und wichtiger Spieler. Er paart Kreativität mit Planumsetzung - damit ist er unter Fußballprofis eine Ausnahme. Wenn er nicht auf dem Platz steht, dann fehlen uns ein paar Prozente in der Offensive. Das muss man ehrlich sagen.

Eine weitere Frage, der sich in jüngster Vergangenheit alle Schalke-Trainer stellen mussten, ist die Torwartfrage. Diesmal: Frederik Rönnow oder Ralf Fährmann?

Baum: Grundsätzlich ist die Torwartfrage für einen Trainer immer unangenehm. Mich hat‘s auch mal erwischt, dass ich der Torhüter war, der auf der Bank hocken musste - und das ist nichts Schönes. Im Moment stellt sich die Frage aber nicht, weil Ralf Fährmann noch im Aufbautraining ist.

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Fährmann hat muskuläre Probleme - genau wie Suat Serdar und Mark Uth. Dabei wollte Schalke genau das durch Umbesetzungen im Trainerstab verhindern. Inwieweit sehen Sie darin ein Problem?

Baum: Natürlich schauen wir immer darauf, ob die Ursachen bei uns selbst liegen, wenn Verletzungen nicht durch gegnerischen Kontakt passieren. Generell gilt im Sport: Manchmal sind solche Verletzungen Zufall, manchmal muss man seine Herangehensweise anpassen, um die Wahrscheinlichkeit derartiger Verletzungen zu reduzieren.

Serdar hat sich innerhalb von zwei Wochen zweimal am rechten Oberschenkel verletzt. Das muss Sie doch ärgern.

Baum: Das ist höchst ärgerlich. Aber die Entscheidungsfindung vor dem Leipzig-Spiel war klar: Grüner ging das Licht der betroffenen Abteilungen nicht mehr. Im Training war nichts zu merken, und auch der Spieler hat gesagt, er hätte ein gutes Gefühl. Dann fällt es als Trainer schwer zu sagen: Du spielst nicht, obwohl du darfst.

Manuel Baum ist seit Ende September neuer Trainer des FC Schalke 04.
Manuel Baum ist seit Ende September neuer Trainer des FC Schalke 04. © Lars Heidrich / Funke Foto Services

Schalke-Trainer Manuel Baum schaut auf die Talente in der Knappenschmiede

Die Knappenschmiede soll erheblich dazu beitragen, Probleme zu lösen. Inwieweit werden Sie sich als ehemaliger Junioren-Nationaltrainer dort engagieren?

Baum: Meine originäre Aufgabe als Cheftrainer ist es, die Profimannschaft zu begleiten. Aber natürlich steht meine Tür immer offen, und auch ich werde das Gespräch mit unserer Knappenschmiede suchen. Ich finde es wichtig, dass wir Spieler aus der eigenen Jugend integrieren.

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Als Ihren größten Erfolg haben Sie mal den Deutschen Meistertitel mit der Mannschaft ihrer Realschule, an der Sie unterrichtet haben, bezeichnet. Was muss auf Schalke passieren, damit das nicht mehr ihr größter Erfolg ist.

Baum: (überlegt) Der Erfolg mit der Schulmannschaft war schon sensationell. (lacht) Für uns gilt es in der aktuellen Phase, kleine Erfolgserlebnisse zu sammeln, wie zuletzt gegen Union Berlin. Und dann möglichst bald wieder einen Sieg zu feiern.