Gelsenkirchen. Teil 18 der Schalke-Serie: Peter Peters beschreibt, wie Felix Magath den Verein 2010 gegen sich aufbrachte. Er dachte deswegen an Rücktritt.

Öffentlich hat er das noch nie gesagt. Es hätte auch nicht zu ihm gepasst, wenn er damit zu dieser Zeit kokettiert hätte. Aber zum Ende des Jahres 2010 dachte Peter Peters das erste Mal daran, Schalke 04 zu verlassen. Drei schwere Jahre in Folge hatten ihre Spuren hinterlassen, die zweite Hälfte 2010 brachte ihn ins Grübeln. Denn mit Felix Magath, der schon in seiner ersten Saison auf Schalke einsame Entscheidungen traf, wurde das Arbeiten immer schwieriger. Der Trainer-Manager kehrte deutlich verändert aus dem Urlaub im Sommer zurück.

„Magath unterstellte uns, dass wir ihn reingelegt hätten“

Ausgangspunkt war die Mitgliederversammlung zum Ende der Saison 2009/10, als sich Magath eigentlich für die Vize-Meisterschaft hätte feiern lassen können. Auf seinen Wunsch legte Schalke den Mitgliedern einen Antrag vor, der seine Kompetenzen erweitert hätte: Der Vorstand sollte Geschäfte mit mehr als 300.000 Euro jetzt auch ohne Zustimmung des Aufsichtsrates abschließen können – als Manager hätte er somit noch leichter einkaufen können. Die Mitglieder lehnten jedoch ab, was Magath als persönliche Niederlage empfand.

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Und mehr noch: Er machte dafür die Kollegen in Vorstand und Aufsichtsrat verantwortlich. „Er hat uns unterstellt, dass wir ihn reingelegt hätten“, berichtet Peter Peters: „Wir hätten den Antrag zwar gestellt, aber hintenrum zugleich alles dafür getan, dass er von den Mitgliedern abgelehnt wird.“ Das sei aber definitiv nicht so gewesen.

Glanz und Rasierklinge

Was blieb, war ein verärgerter Magath, der seinen Weg jetzt nur noch alleine ging und Entscheidungen traf, die sein Vorstandskollege Peters kaum mittragen konnte – wie etwa die Absetzung des langjährigen Fan-Beauftragen Rolf Rojek, der eigentlich eine Seele von Mensch ist. Peters: „Magath ist ohnehin ein misstrauischer Mensch. Und irgendwann hat er die interne Kommunikation völlig eingestellt.“

Gute Zeiten: Am 28. Juli 2010 präsentierten Magath (rechts) und Vereinschef Tönnies (links) stolz den neuen Superstar Raúl.
Gute Zeiten: Am 28. Juli 2010 präsentierten Magath (rechts) und Vereinschef Tönnies (links) stolz den neuen Superstar Raúl. © WP | NITSCHE, Thomas

Schalke hatte Magath aber diese Machtfülle zugestanden, und so wurde das Düsseldorfer Hotel Breidenbacher Hof, in dem der 57-Jährige residierte, zum Zentrum der Vereinspolitik – hier entwickelte sich ein Kommen und Gehen. Anfangs sogar sehr zur Freude der Schalker Fans, denn Magath holte im Sommer 2010 Spieler wie Senor Raúl oder Klaas-Jan Huntelaar – Stars, die Königsblau einen Glanz wie lange nicht mehr verliehen. Dass er im Gegenzug auch langjährige Schalker wie Marcelo Bordon und Kevin Kuranyi aussortierte, ging dabei fast unter. Insgesamt kamen allein im Sommer zwölf neue Spieler, nachdem es im Januar bereits acht gewesen waren. 20 Neuzugänge in acht Monaten. Rein transfertechnisch nennt Peters das heute „einen Tanz auf der Rasierklinge“, weil Schalke abhängig von den Einnahmen der Champions League wurde. Und: „Das war schwierig, mit der Gesamtbilanz in Einklang zu bringen.“

Denn Schalke ächzte immer noch unter der Schuldenlast der vergangenen Jahre. Im Mai konnte der Klub zwar aus der seit 2004 bestehenden Schechter-Anleihe aussteigen: Die restlichen 56 Millionen Euro dieser Anleihe bei englischen und amerikanischen Versicherern wurden abgelöst, weil die Finanzierung aus der Hochzinsphase von 2004 unattraktiv geworden war – „wir waren froh, dass wir aus diesen Klauen ‘raus waren“. Doch letztlich war es nur eine Umschuldung; die Verbindlichkeiten blieben. Und neue kamen nicht nur durch Magaths Kaufrausch hinzu: Bereits im Januar 2010 war das Dach der Veltins-Arena unter heftiger Schneelast eingerissen – die Reparatur kostete 17 Millionen Euro. Die kamen on top auf den Schuldenberg.

Schalke brauchte eine Bürgschaft und Magath versprach Sparsamkeit

Was kaum bekannt ist, erzählt Peter Peters an dieser Stelle: Um den Dachschaden reparieren zu können, beantragte Schalke beim Land NRW eine Erweiterung der Landesbürgschaft der ursprünglichen Arena-Finanzierung. Schalke musste dafür ein Sanierungskonzept vorlegen und beim Bürgschaftsausschuss vorsprechen – auch Magath war als Vorstandsmitglied selbstverständlich zugegen. Peter Peters erinnert sich an die Gespräche mit dem Land NRW und mit den Banken, die den Kredit zur Verfügung stellten: Dort habe Magath „zugesagt, jetzt keine neuen Spieler mehr zu verpflichten – und dann hat er doch wieder eingekauft wie ein Wahnsinniger. Da hatten wir ein Glaubwürdigkeitsproblem mit den Banken.“

Es ging dabei um die vier Spieler, die Schalke im Winter 2010/11 dazu holte. Doch für diese Verträge brauchte Magath auch die Unterschrift seines Vorstandskollegen.

Bruchhagen riet Peters vom Rückzug ab

Schon bevor Magath mit Namen wie Ali Karimi und Angelos Charisteas um die Ecke kam, hatte sich Peters die Frage gestellt, ob er diese Politik noch mittragen könnte. Kurz vor Weihnachten führte er zwei Gespräche mit dem langjährigen Schalker Aufsichtsrat Peter Lange und mit dem früheren Schalke-Manager Heribert Bruchhagen, mit dem er gut befreundet ist. „Ich habe das erste Mal überlegt, Schalke zu verlassen“, verrät Peters heute. Doch Lange und Bruchhagen hätten ihm von diesem Schritt abgeraten, weil alle spürten, „dass es mit Magath nicht mehr lange gut geht.“

Ein wenig half Peters dabei auch die neue Konstellation im Schalker Vorstand, wo mit Horst Heldt ein dritter Mann hinzugekommen war. Peters fand in Heldt einen Verbündeten, obwohl der eigentlich von Magath nach Schalke geholt worden war. Doch Heldt war kaum auf Schalke, da wurde er von Magath schon abserviert und in der Marketing-Abteilung geparkt. Aus dieser Zeit kann sich Peters an einen Spruch erinnern, den Heldt damals geprägt habe: „Wenn hier bei uns im Flur eine Blume steht, die prächtig blüht, und Felix Magath geht vorbei, dann geht die Pflanze kaputt. So eisig ist die Atmosphäre hier.“