Gelsenkirchen. In seinem ersten Interview als Schalke-Chef und Nachfolger von Clemens Tönnies stellt Jens Buchta seine Pläne vor. Er spricht auch über Ziele.

Es ist der Raum Glückauf in der Schalker Geschäftsstelle, in dem Jens Buchta (57) diese Redaktion zu seinem ersten Interview als Aufsichtsrats-Chef empfängt, und Glück kann der Nachfolger von Clemens Tönnies wahrlich gebrauchen. Schalke 04 muss wieder aufgerichtet werden, sportlich wie finanziell. Als „Sanierer“ sieht sich der Wirtschaftsjurist und Partner einer Kanzlei in Düsseldorf nicht, diesen Begriff empfindet er als „zu hart“. Buchta war bisher Stellvertreter von Tönnies im Schalker Aufsichtsrat, hier stellt er seine Pläne als Vorsitzender vor.

Herr Buchta, wenn man sich auf Schalke umhört, dann erfährt man nichts Schlechtes über sie. Haben Sie keine Kritiker im Verein?

Jens Buchta: Das freut mich zu hören, es wäre ja unschön, wenn Sie die genau gegenteilige Erfahrung gemacht hätten. Aber ich denke schon, dass es sicherlich auch Kritiker gibt. Man kann es ohnehin nicht allen recht machen.

Selbst diejenigen, die der bisherigen Vereinspolitik skeptisch gegenüberstanden, heben Ihre überlegte Herangehensweise hervor.

Der eine ging, der andere bleibt: Clemens Tönnies (l.) trat aus dem Schalke-Aufsichtsrat aus, Jens Buchta bleibt.
Der eine ging, der andere bleibt: Clemens Tönnies (l.) trat aus dem Schalke-Aufsichtsrat aus, Jens Buchta bleibt. © firo

Buchta: Ich versuche, meine Arbeit auch zukünftig so transparent zu gestalten, dass Fans, ob organisiert oder nicht, und Mitglieder auf Schalke mich verstehen. Ich kann zumindest sagen, dass meine Haltung bislang immer nachvollziehbar und begründet war.

Sie galten stets als enger Vertrauter von Clemens Tönnies – stimmt diese Einschätzung?

Buchta: Ich glaube schon, dass wir in vielen Dingen auf einer Wellenlänge gelegen haben. Clemens hat mit seiner Energie in all den Jahren so viele Projekte vorangetrieben – die Art des Abschieds, den er jetzt genommen hat, wird seiner langjährigen Leistung nicht gerecht. Schalke 04 hat Grund, ihm sehr dankbar zu sein. In den 14 Jahren, in denen ich jetzt im Aufsichtsrat bin, haben wir sehr vertrauensvoll zusammengearbeitet, hatten allerdings auch gelegentlich unterschiedliche Positionen.

Zum Beispiel?

Buchta: Bei wirtschaftlichen Themen war ich sicher hier und da dafür, lieber etwas vorsichtiger zu agieren als zu offensiv. Dann haben wir uns geeinigt oder auch nicht – das ist normal.

Entschieden hat dann aber Tönnies?

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Buchta: Entschieden hat der gesamte Aufsichtsrat - der übrigens, was ich sehr positiv empfinde, aber auch stets die Entwicklung der Mannschaft und den Fußball im Blick hat.

Tönnies ist Unternehmer, Sie sind Wirtschaftsjurist – und auf Schalke als Sanierer gefordert?

Buchta: Das ist zu hart formuliert. Es ist sicherlich so, dass wir im Augenblick eine ganz herausfordernde Situation haben, im wirtschaftlichen Bereich und sicherlich auch im Sport. Aber diese Corona-Pandemie ist ja nicht nur für Schalke 04 ein uns enorm beanspruchendes Thema, sondern betrifft alle Bundesligavereine. Auch andere Vereine werden da nicht einfach so durchmarschieren. Wir können die Pandemie auch als Chance sehen, jetzt Dinge zu verändern, die wir ohnehin hätten verändern müssen. Beispielsweise im wirtschaftlichen Bereich wegzukommen von diesem, wie ich es mal genannt habe, Saison-Hopping.

Sie meinen damit den Ansatz, Jahr für Jahr mit aller Macht das internationale Geschäft anzustreben, um dann mit den Einnahmen daraus die Mannschaft zu verstärken?

Buchta: Wir waren ja in der Vergangenheit so aufgestellt, dass wir gesagt haben: Wir müssen von fünf Jahren dreimal international dabei sein. Dieses Konzept ist lange Jahre aufgegangen, einschließlich einer Reduzierung von Verbindlichkeiten. Wir haben seit 2007 elfmal international gespielt, davon siebenmal Champions League. In den letzten vier Jahren waren wir allerdings nur noch einmal international vertreten, also ist eine Veränderung zwingend notwendig. Sie muss jetzt in Zeiten der Pandemie allerdings umfangreicher ausfallen.

Schalkes Sparkurs wurde schon als Bekenntnis zum Mittelmaß gewertet.

Buchta: Das ist eine Formulierung, die mich maßlos ärgert. Wir werden natürlich in den nächsten zwei, drei Jahren bestimmte Veränderungen bei der Finanzstruktur der Mannschaft vornehmen müssen, das bringt die Situation mit sich. In dieser Zeit sollten wir nicht die internationalen Plätze als Ziel ausgeben. Das ist aber keinesfalls ein Bekenntnis zum Mittelmaß. Wir sind Schalke 04 und der Ehrgeiz, nach diesen Veränderungen wieder oben mitzuspielen, ist nach wie vor groß. Von diesem Ziel werde ich nicht abrücken, werden auch Aufsichtsrat und Vorstand nicht abrücken.

Die Mannschaft muss umgebaut werden. Kann der Aufsichtsrat in dieser Situation überhaupt Geld dafür zur Verfügung stellen?

Ein anderer Typ als Clemens Tönnies: Jens Buchta.
Ein anderer Typ als Clemens Tönnies: Jens Buchta. © Volker Hartmann / FUNKE Foto Services

Buchta: Im Augenblick hängt vieles davon ab, wie sich der Transfermarkt entwickelt – die Transferperiode hat gerade erst angefangen und endet im Oktober. Bei uns kommen Leihspieler zurück. Ich bin sicher, dass Jochen Schneider für die Gesamtsituation gute Lösungen finden wird.

Ist die Gehaltsobergrenze von 2,5 Millionen Euro eine Vorgabe des Aufsichtsrates?

Buchta: Nein. Es ist auch keine in Stein gemeißelte Grenze, aber wir haben bestimmte Grundsätze eingezogen, die jetzt bei der Verpflichtung neuer Spieler oder bei Vertragsverlängerungen zu berücksichtigen sind. Ich denke und hoffe, dass sich das gesamte Gehaltsgefüge in der Bundesliga durch die Pandemie ein Stück weit verändern wird. Das würde dem Fußball definitiv nicht schaden.

Schalke hatte vor Corona knapp 200 Millionen Euro Verbindlichkeiten. Was kostet die Krise obendrauf?

Buchta: Das können wir aktuell gar nicht genau sagen, weil nicht klar ist, wie lange die Corona-Pandemie andauert. Wir haben eine Planung aufgestellt, die notwendigerweise eine Vielzahl an Prämissen enthält - alle sind im Augenblick nicht exakt berechenbar: Wann können wir wieder mit Zuschauern spielen – und wenn ja, mit wie vielen? Wann können wir Dauerkarten anbieten, die ein Baustein unserer Finanzierung sind? Wann und in welchem Umfang gibt es wieder Catering-Einnahmen? Wir haben die Szenarien gerechnet und sind so aufgestellt, dass wir durch diese Krise kommen werden. Was sie uns am Ende kostet, sehen wir dann, wenn sie vorbei ist. Heute eine Zahl zu nennen, wäre reine Spekulation – und damit unseriös.

Jens Buchta, Aufsichtsratsvorsitzender des FC Schalke 04 im Gespräch mit dieser Redaktion.l
Jens Buchta, Aufsichtsratsvorsitzender des FC Schalke 04 im Gespräch mit dieser Redaktion.l © Ingo Otto / FUNKE Foto Services

Welche Rolle spielt bei Schalkes Neuausrichtung eine mögliche Ausgliederung?

Buchta: Ich möchte auf dieses Thema jetzt noch nicht näher eingehen, weil es derzeit bei uns nicht die höchste Priorität hat – für uns geht es darum, die aktuelle Situation zu bewältigen. Was ich aber sagen kann: Wenn wir mit unseren Mitgliedern darüber reden wollen, muss das Modell, das wir vorschlagen, zu Schalke 04 passen. Und ich hoffe, dass wir der Öffentlichkeit dann zeigen können, dass wir als Verein komplexe Themen sachlich diskutieren und entscheiden können.

Waren Sie in den vergangenen Monaten noch stolz auf Schalke?

Buchta: Ich bin immer stolz auf Schalke. Wobei es mir zuletzt zunehmend schwergefallen ist, in Diskussionen mit Freunden, Fans oder auch Mandanten wirklich überzeugende Antworten zu geben. (lächelt) Das hängt sicherlich mit der sportlichen Leistung zusammen, aber auch mit Dingen wie der Härtefallregelung oder den Fahrerentlassungen in der Knappenschmiede. Da haben wir zweifellos Fehler gemacht.

Einer derjenigen, die den Verein öffentlich kritisiert haben, ist Schalkes Ex-Profi Hans Sarpei, der jetzt ein Amt im Aufsichtsrat anstrebt. Gehen sie auf Kritiker zu?

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Buchta: Grundsätzlich bin ich immer ansprechbar – egal für wen und für welche Fangruppierung. Ich werde mich auch im Vorfeld einer Mitgliederversammlung, wann auch immer die nächste stattfinden kann, gerne mit Kritikern zusammensetzen. Ob Hans Sarpei zur Wahl zugelassen wird, ist nicht unsere Entscheidung, sondern die des Wahlausschusses. Und dann eine Entscheidung der Mitgliederversammlung. Sollte Hans Sarpei gewählt werden, wird der Aufsichtsrat so mit ihm zusammenarbeiten, wie mit jedem anderen Mitglied auch.

Wie werden Sie den Verein führen? Wird man Sie nach den Spielen in der Kabine sehen oder im Trainingslager?

Buchta: Sie merken ja schon in diesem Gespräch, dass ich ein etwas anderer Typ bin als Clemens Tönnies. Ich bin sicherlich etwas zurückhaltender. Von daher wird der Aufsichtsrat in Zukunft weniger medial in Erscheinung treten. Wir werden aber andere Dinge anstoßen.

Konkret?

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Buchta: Mein Eindruck war immer: Wir sind als Aufsichtsrat zu weit weg von dem, was im Verein passiert. Bei Dingen wie der Härtefallregelung oder – ganz eklatant – bei der Frage, was mit der Mannschaft in der Corona-Pause passiert ist, muss der Aufsichtsrat Antworten bekommen. Ich habe Zweifel, ob man sie bekommt, wenn man sich wie bisher viermal im Jahr trifft. Deswegen haben wir uns entschlossen, zusätzlich alle vier Wochen eine Telefonkonferenz mit dem Vorstand einzuführen, um manche Dinge schon im Vorfeld erkennen zu können. Zudem wird sich der Sportausschuss, der den Eilausschuss abgelöst hat, jetzt regelmäßig mit Jochen Schneider, Michael Reschke, gegebenenfalls auch dem Trainer, treffen. Nicht, um vorzuschreiben, wo‘s lang geht, sondern einfach, um näher dran zu sein an Entwicklungen.

Schalke 04 hat in seiner Geschichte vor Ihnen erst zwei Aufsichtsrats-Vorsitzende gehabt: Jürgen Möllemann von 1994 bis 2001, danach Clemens Tönnies. Beide haben eine lange Epoche geprägt – was planen Sie?

Buchta: Ich möchte diese Aufgabe nicht nur bis zur nächsten Mitgliederversammlung ausfüllen, letztlich entscheidet das aber der gesamte Aufsichtsrat gemeinsam. Mein Ziel ist es, dass wir Schalke 04 mittel- und langfristig auf eine wirtschaftliche Basis stellen, die uns unabhängiger macht von sportlichen und sonstigen Entwicklungen. Wenn uns das gelingt, werden wir auch sportlich wieder erfolgreich sein können.